Verwandtenaffäre

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Im April 2013 wurden mehrere Fälle von Vetternwirtschaft (Nepotismus) von Abgeordneten im Bayerischen Landtag bekannt. Sie hatten Ehepartner sowie Verwandte ersten und zweiten Grades aus den ihnen zur Verfügung stehenden öffentlichen Mitteln beschäftigt. Dieses wurde in Medien als Verwandtenaffäre,[1] Gehaltsaffäre,[2] Abgeordnetenaffäre,[3] Familienaffäre,[4] Beschäftigungsaffäre[5] und Amigo-Affäre (nicht zu verwechseln mit der Amigo-Affäre von 1993)[6][7] bezeichnet.

Bestand zunächst der Vorwurf nur gegen einige Abgeordnete der CSU, wurde später bekannt, dass insgesamt 79 bayerische Abgeordnete nach dem Jahr 2000 eine Übergangsregelung genutzt hatten und nach dem grundsätzlichen Verbot weiter Verwandte sowie Ehepartner als Mitarbeiter auf Staatskosten beschäftigt hatten, davon 56 Landtagsmitglieder von der CSU, 21 von der SPD, einer von den Grünen und ein Fraktionsloser, der früher den Grünen angehörte.[8][9][10] Beschäftigungen weiter entfernter Verwandter wurden auch bei Mitgliedern der Freien Wähler publik.[11][12][13] Dazu kamen je ein Fall bei der SPD und den Freien Wählern, wo Stiefsöhne nach dem Beschäftigungsverbot eingestellt wurden.[14]

Hintergrund

Ende 1999 hatte die aus sieben unabhängigen Mitgliedern bestehende Diätenkommission des Bayerischen Landtags[15] – im Kontext einer Erhöhung der Mitarbeiterpauschale für Landtagsabgeordnete um 40 Prozent – gefordert, die Anstellungsverträge mit Ehepartnern oder nahen Verwandten zu beenden, wie es zu diesem Zeitpunkt bei 45 der 204 Abgeordneten der Fall war.[16] Im März 2000 berichtete das Magazin Panorama über diese Praxis.[17]

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes am 1. Dezember 2000 wurde eine erste Änderung versucht.[18] Demnach waren mit der Mitarbeiterpauschale nicht mehr erstattungsfähig: „Kosten für Verträge mit Personen, die mit dem Mitglied des Landtags verheiratet, im ersten Grad verwandt oder im ersten Grad verschwägert sind oder eine Lebenspartnerschaft im Sinn des Lebenspartnerschaftsgesetzes begründet haben.“[19] Allerdings wurde zeitgleich eine unbefristete Übergangsregelung für so genannte „Altfälle“, also Mitarbeiterverträge, die bereits vor in Kraft treten des Gesetzes bestanden, etabliert. In § 2 heißt es: „Art. 6 Abs. 7 Satz 2 findet auf die beim In-Kraft-Treten des Gesetzes bestehenden Verträge keine Anwendung.“[20][21] Diese Übergangsregelung wurde im Dezember 2000, im Juni 2004 und im Juli 2009 mit Beschlüssen von Präsidium und des Ältestenrats im Bayerischen Landtag ausdrücklich bestätigt und einstimmig als zulässig bezeichnet worden. Dem Ältestenrat gehören alle Fraktionen des Landtags an.[21]

2002 forderte die unabhängige Diätenkommission den Bayerischen Landtag auf, die Altfälle zum Ende der Wahlperiode 2003 auslaufen zu lassen. Der damalige Landtagspräsident Johann Böhm teilte den Fraktionen in einem Schreiben mit, dass „Aufwendungen für die am 1. Dezember 2000 bestehenden Verträge auch über die 14. Wahlperiode hinaus erstattungsfähig“ bleiben. Interfraktionelle Arbeitsgruppe, Ältestenrat und Präsidium waren über diese ausdrückliche Verlängerung der Altfallregelung hinreichend informiert. Es wurde schriftlich festgehalten, „dass solche Verträge über die 14. Wahlperiode hinaus bestehen können.“[22][23][24]

Der Verfassungsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim wies im Mai 2011 im Rahmen seiner Untersuchung Abgeordnetenmitarbeiter: Reservearmee der Parteien? erneut auf die Altfälle im Bayerischen Landtag hin.[25][26] Am 15. April 2013 veröffentlichte von Arnim ein Buch mit dem Titel Die Selbstbediener. Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen. Im Rahmen des beginnenden Landtagswahlkampfes fand dessen Inhalt nun Beachtung.[27][28] Die Thesen des Buches wurden von Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Ministerpräsident Horst Seehofer zurückgewiesen. Der Vorsitzende der Freien Wähler Hubert Aiwanger, der das Buch gemeinsam mit von Arnim vorstellte, es aber erst drei Tage zuvor gelesen hatte, distanzierte sich von den Inhalten und der „Fundamentalkritik“.[29]

Bayern und Brandenburg waren zu diesem Zeitpunkt die einzigen Bundesländer, die nur die Beschäftigung Verwandter ersten Grades den Abgeordneten untersagen. In Brandenburg war bereits eine Verschärfung geplant.[30] Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen Thüringen und Baden-Württemberg verbieten auch die Anstellung Verwandter zweiten Grades, wie Geschwister. Im Saarland und Bremen gibt es keine Regelung, allerdings erhalten Abgeordnete nur eine Pauschale für Sachleistungen, nicht für Personal. In den übrigen Bundesländern und im Bund ist auch die Beschäftigung Verwandter dritten Grades verboten, beziehungsweise gilt ein allgemeines Verbot. In Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen gilt zudem ein Über-Kreuz-Verbot: Abgeordnete dürfen demnach auch nicht Verwandte anderer Abgeordneter beschäftigen.[31]

Betroffene Abgeordnete

Am 3. Mai 2013 wurde von Barbara Stamm eine Liste mit Namen von Abgeordneten veröffentlicht, die die Altfallregelung nutzten und Ehepartner sowie Verwandte ersten Grades (Eltern, Kinder) beschäftigten.[2][32][33] Hierauf fanden sich Politiker sämtlicher Landtagsfraktionen, außer der FDP und der Freien Wähler. Beide Parteien waren erst 2008 in den Bayerischen Landtag eingezogen. Vorwürfe gegen Politiker der Freien Wähler betrafen Beschäftigungsverhältnisse mit Verwandten zweiten oder dritten Grades (siehe unten). Auch Kabinettsmitglieder hatten Familienangehörige eingestellt.[34] Der Bayerische Rundfunk befragte die Abgeordneten nach der Beschäftigung Verwandter zweiten Grades (Geschwister, Enkel, Großeltern) und veröffentlichte daraufhin eine entsprechende Liste.[35] 16 Abgeordnete (zwölf von der CSU, drei von der SPD und ein verstorbener – anonym bleibender – Politiker) hatten erst kurz vor Inkrafttreten des Beschäftigungsverbots für nahe Angehörige am 1. Dezember 2000 eben solche Arbeitsverträge abgeschlossen.[36][37][38]

CSU

Georg Schmid trat als CSU-Fraktionschef zurück und kündigte an, bei den Landtagswahlen im Herbst nicht mehr anzutreten. Als Nachfolger Schmids als Fraktionsvorsitzender wurde am 26. April die ehemalige Sozialministerin Christa Stewens gewählt. Sie sieht ihre Hauptaufgabe in der kompletten Aufklärung der Affäre.[39] Georg Winter trat wegen der Vorwürfe gegen ihn Ende April 2013 vom Vorsitz des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen zurück.[40]

Am 25. Juli 2014 schließlich erhob die Staatsanwaltschaft Augsburg Anklage gegen Schmid, der mindestens 340 000 Euro allein an Sozialversicherungsbeiträgen hinterzogen haben soll, indem er seine Frau „und eine weitere Mitarbeiterin“[41] 22 Jahre lang als Scheinselbständige beschäftigt habe.[42][43] Ihm werden Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen vorgeworfen. Gleichzeitig wurde Schmids Ehefrau wegen Beihilfe sowie Steuerhinterziehung in zehn Fällen angeklagt.[44] Der Prozess begann am 2. März 2015.[45] Am 18. März 2015 wurde Georg Schmid vom Amtsgericht Augsburg zu 16 Monaten auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 120.000 Euro verurteilt.[46] Seine Frau wurde bereits im Februar 2015 per Strafbefehl zur Zahlung von 240 Tagessätzen verurteilt.[47]

Kultusminister Ludwig Spaenle zahlte über 37.000 Euro zurück.[48] Das entspricht etwa den Zahlungen, die Spaenles Frau seit 2008 als Abgeordneten-Mitarbeiterin erhielt, als er Minister wurde. Justizministerin Beate Merk hat alle Gelder zurückgezahlt, die ihre Schwester erhielt. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner will 13.500 Euro für soziale Zwecke zur Verfügung stellen; die Summe, die seine Frau seit seiner Übernahme des Ministerpostens 2008 erhalten hatte.[49] Auch Innenstaatssekretär Gerhard Eck will das Honorar seiner Frau in die Staatskasse zurückzahlen.[50] Kultusstaatssekretär Bernd Sibler wurde nicht aufgefordert, die Gelder zurückzuzahlen, weil er seine Frau nur bis 2007 beschäftigte und er erst später Mitglied des Kabinetts wurde. Als einziger Abgeordnete ohne Regierungsamt hat Georg Winter angekündigt, die seinen beiden Söhnen im Rahmen des über 12 Jahre dauernden Beschäftigungsverhältnisses gezahlten Gelder inklusive Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen an die Staatskasse zurückzuüberweisen. Aufgrund der Minderjährigkeit der zu Beschäftigungsbeginn 13- und 14-jährigen Söhne (mittlerweile sind sie 26 und 27 Jahre alt) befanden sich deren Anstellungen in einer rechtlichen Grauzone.[51][49][52][53] Winter zahlte 90.000 Euro zurück.[38]

Nutzung der Altfallregelung

Bei der CSU-Fraktion hatten 56 Abgeordnete die Altfallregelung genutzt, davon zwei Verstorbene aus der 14. Wahlperiode (1998–2003).

*kurzfristig vor dem Verbot Angehörige ersten Grades angestellt.[36][37][38]

Beschäftigung Verwandter zweiten Grades

SPD

Als erster Oppositionspolitiker zahlte Harald Güller 7500 € an den Landtag zurück. Er hatte 2009 den Sohn seiner Frau aus ihrer ersten Ehe für zwei Monate eingestellt. Dieses Beschäftigungsverhältnis fiel somit nicht unter die Altfallregelung. Rechtlich war der Sohn ein Verwandter ersten Grades. Güller erklärte, er habe von dieser Rechtslage nichts gewusst. Erst nach Prüfung des Landtagsamts zahlte er die Mitarbeiterpauschale zurück.[54] Später wurde bekannt, dass Güller seinen Stiefsohn bereits in den 1990er Jahren im Alter von 14 Jahren für monatlich umgerechnet 300 € für Büroarbeiten eingestellt hatte.[55] Nachdem Ende Mai die Staatsanwaltschaft gegen Güller zu ermitteln begann,[56] trat er am 28. Mai von seinen Ämtern als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD und schwäbischer SPD-Bezirksvorsitzender zurück.[14] Seinen Spitzenplatz auf der Kandidatenliste der SPD Schwaben für die Landtagswahl im September konnte Güller nach dem Willen der vier stellvertretenden SPD-Bezirksvorsitzenden behalten.[57] Im August 2014 wurde Güller vom Landgericht München zu einer Strafe von 120 Tagessätzen à 150 Euro, insgesamt 18.000 Euro verurteilt.[58] Gleichzeitig stellte das Gericht aber fest, dass kein direkter Betrugsvorsatz vorlag.[59][60]

Nutzung der Altfallregelung

Bei der SPD-Fraktion waren 21 Abgeordnete betroffen, die die Altfallregelung nutzten, davon 1 Verstorbener aus der 14. Wahlperiode (1998–2003)

*kurzfristig vor dem Verbot Angehörige ersten Grades angestellt.[36][37][38]

Beschäftigung Verwandter zweiten Grades

Grüne

Bei der Grünen-Fraktion nutzte die Abgeordnete Maria Scharfenberg die Altfallregelung. Ebenso der fraktionslose Abgeordnete Volker Hartenstein, der früher den Grünen angehörte. Thomas Gehring beschäftigte nach der Liste des Bayerischen Rundfunks einen Verwandten zweiten Grades.

Freie Wähler

Gabriele Pauli gab am 6. Mai selbst bekannt, dass sie, damals den Freien Wählern zugehörig, einige Monate ihre Schwester beschäftigt hatte.[62]

Claudia Jung musste Ende Mai einräumen, dass sie Ende 2012 ihren Stiefsohn einige Monate eingestellt hatte, um ihre digitale Datenbank zu überarbeiten. Gegen gültiges Recht entlohnte sie ihn aus der Mitarbeiterpauschale mit 2074 €. Die Staatsanwaltschaft prüfte die Einleitung von Ermittlungen,[14] stellte das Verfahren nach Zahlung einer Geldauflage jedoch ein.[63]

Bei den Freien Wählern wurden außerdem zwei Fälle dritten Grades bekannt: Günther Felbinger und Jutta Widmann, die jeweils ihre Nichten beschäftigten.

Hubert Aiwangers Mitarbeiter, der seit 2009 angestellt war, hatte zwei Jahre später dessen Schwester geheiratet. Während Aiwanger dieses Arbeitsverhältnis im Fernsehmagazin Report Mainz noch verteidigte, kündigte er einige Tage später an, den Mitarbeiter zukünftig aus eigenen finanziellen Mitteln bezahlen zu wollen.[12][13]

Folgen

Im Zuge der Bekanntmachung und Veröffentlichung der Vorgänge im April/Mai 2013 kam es zu heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit. Landtagspräsidentin Barbara Stamm kündigte an, die Vorschriften für Nebentätigkeiten und die Beschäftigung von Familienmitgliedern nach dem Vorbild des Bundestages noch vor der Sommerpause zu verschärfen.[64] Die bestehenden Problemfälle sollten offengelegt werden und die betroffenen Kabinettsmitglieder wurden von Ministerpräsident Horst Seehofer aufgefordert, die Gelder, die sie aus der Pauschale zur Bezahlung von angestellten Verwandten nutzten, an die öffentliche Hand zurückzuzahlen.[65]

Am 7. Mai 2013 teilte der Bayerische Oberste Rechnungshof mit, sowohl die Verschärfung des Abgeordnetenrechts als auch den Umgang mit den so genannten Altfällen zu überprüfen. ORH-Präsident Fischer-Heidlberger erklärte, der ORH werde prüfen, „wie die Landtagsverwaltung diese Regeln vollzogen hat“. Seine Behörde habe nicht die Absicht, die einzelnen Abgeordneten zu überprüfen, sondern das zuständige Landtagsamt. Es werde der Frage nachgegangen, ob der Landtag seine Kontrollaufgaben bei den Abgeordnetenbezügen ausreichend wahrgenommen habe.[66] Darüber hinaus ist beabsichtigt die komplette Abgeordnetenfinanzierung zu überprüfen, also etwa auch die so genannte Kostenpauschale. In Bayern erhält derzeit jeder Abgeordnete zusätzlich zu seiner Entschädigung eine steuerfreie Kostenpauschale von 3 214 Euro (ab 1. Juli 2013: 3 282 Euro), ohne deren Verwendung detailliert nachweisen zu müssen.[67][68][69]

Am 14. Mai veröffentlichten Abgeordnete aus allen Fraktionen, die nicht von den Vorwürfen betroffen waren, eine Erklärung, in der sie gegen die Schärfe der öffentlichen Auseinandersetzung und Berichterstattung protestierten, so gegen „Verunglimpfung des Bayerischen Landtags als ‚Freibier-Parlament‘, ‚Abzocker-Bude‘ und ‚Selbstbediener-Laden‘“.[70]

Am 16. Mai 2013 beschloss der Bayerische Landtag[71][72][73][74], auf der Basis eines Gesetzentwurfes der CSU- und FDP-Fraktion vom 24. April 2013[75] und wie dann Anfang Mai von Seehofer angekündigt,[65] ein verschärftes Abgeordnetengesetz, das ab 1. Juni 2013 die Beschäftigung von Familienmitgliedern bis zum vierten Verwandtschaftsgrad verbietet. Auch eine Beschäftigung von Verwandten anderer Abgeordneter ist nicht mehr gestattet – hier bis zum dritten Grad.[76] Die Abrechnung der Gehälter von Abgeordnetenmitarbeitern soll ab Herbst – wie beim Deutschen Bundestag – durch die Parlamentsverwaltung (Landtagsamt) erfolgen. Dies soll auch für die Abrechnung von Dienst- und Werkverträge gelten.[74]

Bis dahin noch bestehende Arbeitsverhältnisse von Verwandten, die durch die Abgeordnetenpauschale finanziert wurden, mussten gekündigt werden.

Sonderbericht des ORH

Am 12. August 2013 veröffentlichte der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) seinen Prüfungs-Sonderbericht zum Vollzug des Bayerischen Abgeordnetengesetzes – BayAbgG – durch das Landesamt.[77] Überprüft worden waren für den Zeitraum 2010 bis einschließlich 2012 die Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern der Abgeordneten (Art. 8 BayAbgG), die Kostenpauschale (Art. 6 Abs. 2 BayAbgG), die besondere Aufwandsentschädigung für Funktionsträger (Art. 6 Abs. 6 BayAbgG) und die Erstattung für Informations- und Kommunikationseinrichtungen (Art. 6 Abs. 4 BayAbgG).[78]

Der ORH kommt hinsichtlich der so genannten Verwandtenaffäre zu der Feststellung, dass die Erstattung von Geldern für die Beschäftigung von Ehegatten oder Verwandten bzw. Verschwägerten 1. Grades schon seit der Änderung des BayAbgG vom 1. Juli 2004 nicht mehr hätte erfolgen dürfen, bzw. ohne Rechtsgrundlage (weiter-)praktiziert wurde.[79]

Am 1. Juli 2004 war die bis dahin geltende gesetzliche Regelung zur Mitarbeiterentschädigung – Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayAbgG (i. d. F. vom 1. Dezember 2000) – in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayAbgG überführt worden. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayAbgG (i. d. F. vom 1. Juli 2004) wurden Erstattungen für Arbeitsverträge des Abgeordneten mit Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten 1. Grades, sowie mit Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eindeutig ausgeschlossen. Die in § 2 Satz 2 (BayAbgG i. d. F. vom 1. Dezember 2000) getroffene Regelung für bereits vor dem 1. Dezember 2000 geschlossene Arbeitsverträge (so genannte „Altfälle“)[80] blieb dabei unverändert. Die „Altfallregelung“ wurde weder ausdrücklich in die Neufassung übernommen noch aufgehoben. (Erst am 22. Mai 2013 ist eine Aufhebung erfolgt). Die Ausnahmeregelung des § 2 Satz 2 (BayAbgG i. d. F. vom 1. Dezember 2000), die sich explizit auf Art. 6 Abs. 7 Satz 2 des BayAbgG bezog, griff damit nach der Gesetzesänderung vom 1. Juli 2004 in Leere, denn diese Ausnahmeregelung hätte sich nun auf Art. 8 Abs. 1 Satz 2 des BayAbgG (i. d. F. vom 1. Juli 2004) beziehen müssen, da der bisherige Art. 6 Abs. 7 Satz 2 des BayAbgG aufgehoben wurde. Diese notwendige Folgeänderung wurde aber nicht vorgenommen. Somit wurde die Beschäftigung von Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten 1. Grades ab dem 1. Juli 2004 ohne jede Rechtsgrundlage praktiziert (bzw. weiter fortgeführt).[81]

Der ORH vertrat daher die Auffassung, dass die nach dem 1. Juli 2004 gezahlten Erstattungen für Arbeits-, Dienst- und Werksverträge mit Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten 1. Grades zurückgefordert werden sollten.[82]

Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes

Im Mai 2014 entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof, dass die bayerische Staatsregierung der Landtagsopposition darüber Auskunft geben muss, wie viel Geld aus Haushaltsmitteln die fünf Kabinettsmitglieder Spaenle, Brunner, Merk, Pschierer, Sibler sowie Eck ihren Familienmitgliedern gezahlt hatten. Die Staatsregierung war der Meinung gewesen, dass das Landtagsamt für die Beantwortung zuständig sei. Die Welt wertete dies als „kräftige Ohrfeige für die Staatsregierung“.[83]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Philipp Wittrock: Seehofer und die Amigo-Liste: Immer Ärger mit der lieben Verwandtschaft. spiegel.de, 3. Mai 2013
  2. a b Weitere 62 Abgeordnete beschäftigten die Familie. sueddeutsche.de, 3. Mai 2013
  3. Abgeordneten-Affäre der CSU. Chef des Haushaltsausschuss tritt zurück. stern.de, 29. April 2013
  4. CSU lehnt Udes Rücktrittsforderungen ab. augsburger-allgemeine.de, 3. Mai 2013
  5. Beschäftigungsaffäre in der CSU. Bayerische Minister zahlen Geld zurück. faz.net, 4. Mai 2013
  6. Amigo-Affäre: Bayerns Agrarminister Brunner zahlt 13.500 Euro zurück. spiegel.de, 4. Mai 2013
  7. Hauke Janssen: Münchhausen-Check: Die CSU und ihre Amigos. spiegel.de, 8. Mai 2013
  8. CDU-Politiker kritisiert CSU wegen Gehaltsaffäre. sueddeutsche.de, 9. Mai 2013
  9. Gehaltsaffäre in Bayern: Landtag veröffentlicht Namen der 79 Amigo-Abgeordneten. spiegel.de, 3. Mai 2013
  10. https://www.reuters.com/article/deutschland-bayern-abgeordnete-idDEBEE94205Z20130503
  11. Rudolf Erhard: Weitere Abgeordnete betroffen. br.de, 6. Mai 2013, abgerufen am 6. Mai 2013
  12. a b Die Verwandten-Affäre weitet sich aus. pnp.de 1. Mai 2013
  13. a b Verwandtenaffäre: Immer mehr CSU-Politiker in der Kritik. mz-web.de, 3. Mai 2013
  14. a b c Süddeutsche Zeitung: SPD-Geschäftsführer tritt zurück, 29. Mai 2013
  15. Bayerisches Abgeordnetengesetz (Fassung 5. August 2010) – Art. 23 (Diätenkommission)
  16. Bayern: Wirbel um höhere Mitarbeiterbezüge. spiegel.de, 3. Dezember 1999
  17. Landtag als Familienbetrieb – Bayerische Abgeordnete versorgen ihre Angehörigen. daserste.ndr.de, 16. März 2000
  18. Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt. Nr. 28, 15. Dezember 2000 (PDF; 582 kB), S. 792: Gesetz zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes
  19. Bayerisches Abgeordnetengesetz in der derzeit geltenden Fassung vom 5. August 2010, siehe Art. 8, Abs. 1, auf bayern.landtag.de, im ursprünglichen Gesetz zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes vom 1. Dezember 2000 lautete dieser Passus (Art. 6, Abs. 7, Satz 2): „Nicht erstattungsfähig sind Aufwendungen für Personen, die mit dem Mitglied des Landtags verheiratet, oder im ersten Grad verwandt oder im ersten Grad verschwägert sind.“ (Lebenspartnerschaften wurden noch nicht berücksichtigt) siehe Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt. Nr. 28, 15. Dezember 2000 (PDF; 582 kB), S. 792: Gesetz zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes
  20. Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt. Nr. 28, 15. Dezember 2000 (PDF; 582 kB), S. 792: Gesetz zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes. Art. 6, Abs. 7, Satz 2
  21. a b Bayer. Landtag: Abgeordneten-Arbeitsverträge mit nahen Familienangehörigen. Pressemitteilung vom 19. April 2013
  22. Landtag schlug Warnungen in den Wind. mittelbayerische.de, 19. Mai 2013
  23. Allen Warnungen zum Trotz. In: welt.de. 21. Mai 2013, abgerufen am 4. September 2021.
  24. Mike Szymanski: Gehälteraffäre im Landtag. Seehofer rüffelt Ramsauer. sueddeutsche.de, 20. Mai 2013
  25. Hans Herbert von Arnim: Abgeordnetenmitarbeiter: Reservearmee der Parteien? (Memento vom 28. Januar 2012 im Internet Archive) (PDF; 7,4 MB) In: Die Öffentliche Verwaltung. Heft 9, Mai 2011, S. 345–351, hier insbesondere: III.2.: Bayern auf S. 350
  26. Stefan Drescher: Die Öffentlichkeit wurde gezielt getäuscht (Interview mit Hans Herbert von Arnim). augsburger-allgemeine.de, 17. Mai 2013
  27. CSU ist beim Absahnen Spitze. So zocken Bayerns Politiker ab. merkur-online.de, 15. April 2013
  28. Sybille Möckl: Autor von Arnim: „In Bayern sind die Auswüchse am krassesten“. focus.de, 3. Mai 2013
  29. Mike Szymanski: Bayerische Selbstbediener. sueddeutsche.de, 14. Mai 2013.
  30. Patrick Guyton: Nicht nur Vetternwirtschaft, Bayrische Politiker genießen diverse Privilegien. tagesspiegel.de, 4. Mai 2013
  31. Grafik der Süddeutschen Zeitung, 4./5. Mai 2013, Nr. 103, S. 2
  32. Anhang zur Presseinformation vom 02.05.2013. (PDF; 19 kB) spiegel.de
  33. Gehaltsaffäre in Bayern: Die Liste der Amigo-Abgeordneten im Überblick. spiegel.de, 3. Mai 2013
  34. Mike Szymanski: Debatte um Bezahlung für Familienmitglieder. Kündigungswelle in der CSU. sueddeutsche.de, 19. April 2013
  35. Beschäftigungsaffäre. Liste der betroffenen Abgeordneten. (Memento vom 8. Juni 2013 im Internet Archive) br.de, 6. Mai 2013
  36. a b c Bayerischer Landtag: Pressemitteilung 28. Mai 2013: Landtagspraesidentin Barbara Stamm legt parlamentarischen Beratungsvorgang und Vertragsabschluesse im Jahr 2000 offen + Anlagen
  37. a b c Bayerischer Landtag 28. Mai 2013: Anlage zur Pressemitteilung vom 28. Mai 2013 (Dokumentensammlung): Mitarbeiterentschädigung gemäß Bayerischem Abgeordnetengesetz – Übersicht über die in den Jahren 1999 bis 2000 erfolgten Stellungnahmen bzw. Beschlüsse hinsichtlich der Beschäftigung von Ehegatten und Personen, die im 1. Grad verwandt oder im 1. Grad verschwägert sind (PDF; 6,2 MB)
  38. a b c d br.de: Stamm veröffentlicht Liste mit 16 Abgeordneten. (Memento vom 8. Juni 2013 im Internet Archive), 28. Mai 2013
  39. CSU wählt Stewens zur Fraktionschefin. sueddeutsche.de, 26. April 2013
  40. Georg Winter tritt als Chef des Haushaltsausschusses zurück. sueddeutsche.de, 29. April 2013
  41. http://www.br.de/radio/bayern1/sendungen/mittags-in-schwaben/staatsanwaltschaft-augsburg-zu-anklage-gegen-georg-schmid-100.html (Memento vom 26. Juli 2014 im Internet Archive)
  42. Staatsanwalt klagt früheren CSU-Fraktionschef an. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. Juli 2014
  43. Anklage gegen Georg Schmid. Verteidiger erhalten mehr Zeit. (Memento vom 26. Juli 2014 im Internet Archive) br.de, 26. August 2014
  44. Ex-CSU-Fraktionschef Schmid soll vor Gericht. sueddeutsche.de, 25. Juli 2014
  45. Frank Müller: Ein Prozess der Aufklärung. www.sueddeutsche.de, 28. Februar 2015
  46. DER SPIEGEL: Georg Schmidt: Bewährungsstrafe von 16 Monaten - DER SPIEGEL - Politik. Abgerufen am 18. Mai 2020.
  47. Frau von Georg Schmid überraschend verurteilt. sueddeutsche.de, 27. Februar 2015
  48. Regierung mit Rechenschwäche. Süddeutsche Zeitung. 12. Juni 2014. Abgerufen am 28. März 2018.
  49. a b Schmids Immunität wird wohl vorläufig aufgehoben. br.de, 7. Mai 2013
  50. Gerhard Eck hält Abgeordnetenaffäre für „Hype“. br.de, 6. Mai 2013
  51. Winter will „Grauzone“ regeln augsburger-allgemeine.de, 27. Mai 2013
  52. Uli Bachmeier: CSU-Abgeordnete kündigen ihren Ehefrauen. augsburger-allgemeine.de, 20. April 2012
  53. Angela Böhm: So bedienen sich Abgeordnete im Landtag selbst. CSU-Politiker: Stellen für Ehefrauen und Kinder. abendzeitung-muenchen.de, 20. April 2013
  54. Erster SPD-Abgeordneter muss zurückzahlen. merkur-online.de, 20. Mai 2013, abgerufen am 20. Mai 2013
  55. Süddeutsche Zeitung: Tag der mürrischen Gesichter, Seite R15, 4. Juni 2013
  56. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen SPD-Mann Güller. focus.de, 27. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013
  57. Süddeutsche Zeitung: Harald Güller darf auf Kandidatur hoffen, Seite R17, 5. Juni 2013
  58. Landgericht reduziert Strafe für Güller, in: Süddeutsche Zeitung, 16. August 2014, S. 36
  59. Güller muss 18000 Euro zahlen, in: Augsburger Allgemeine, 16. August 2014
  60. Eine peinliche Verfehlung, in: Augsburger Allgemeine, 16. August 2014
  61. Dieser Name ist auf den o. g. Listen nicht enthalten und wurde nur am 4. Mai in der Augsburger Allgemeinen behandelt. (Michael Hörmann: SPD-Mann Linus Förster beschäftigt Schwester. augsburger-allgemeine.de, 4. Mai 2013)
  62. Rudolf Erhard: Weitere Abgeordnete betroffen. br.de, 6. Mai 2013, abgerufen am 6. Mai 2013
  63. Schlagerstar Claudia Jung muss zahlen. Münchner Merkur. 9. Oktober 2013. Abgerufen am 26. November 2014.
  64. Regeln für Beschäftigung von Verwandten werden verschärft – Georg Schmid tritt ganz ab. tagblatt.de, 2. Mai 2013
  65. a b Seehofer will Beschäftigung von Verwandten schnell verbieten. zeit.de, 5. Mai 2013, abgerufen am 8. Mai 2013
  66. Augsburger Allgemeine 8. Mai 2013: Rechnungshof in Bayern will die Fälle genau prüfen
  67. Süddeutsche Zeitung 9. Mai 2013: Gehälteraffäre im Landtag. Rechnungshof durchleuchtet Abgeordnete
  68. Süddeutsche Zeitung 7. Mai 2013: Gehälteraffäre der CSU. Rechnungshof filzt den Landtag
  69. Bayerischer Landtag 4. Mai 2013: Pressemitteilung: Landtagspräsidentin Stamm zur Kostenpauschale für Abgeordnete: Bundesverfassungsgericht hat 2010 Rechtmäßigkeit bestätigt
  70. Gemeinsame Erklärung von Abgeordneten aller Fraktionen des Bayerischen Landtags. auf der Webseite von Christa Stewens, 14. Mai 2013, abgerufen am 16. Mai 2013
  71. 126. Plenarsitzung des Bayerischen Landtags am 16.05.2013. siehe hier TOP 3: Zweite Lesung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes
  72. Gesetz zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes. Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, DrS 16/16827, 16. Mai 2013
  73. Vorgangsmappe für die Drucksache 16/16549 „Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes“. Bayerischer Landtag, Stand: 31. Mai 2013 (enthält den Gesetzentwurf 16/16549 vom 24. Mai 2013, die Beschlussempfehlung mit Bericht 16/16753 des VF vom 16. Mai 2013 und den Beschluss des Plenums 16/16827 vom 16. Mai 2013)
  74. a b Landtag gibt grünes Licht für verschärftes Abgeordnetenrecht. bayern.landtag.de, Pressemitteilung 16. Mai 2013
  75. Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, DrS 16/16549, 24. April 2013
  76. Gesetz zur Verwandtenbeschäftigung verschärft. (Memento vom 8. Juni 2013 im Internet Archive) br.de, 16. Mai 2013
  77. Prüfbericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes: Prüfung der Ausgaben des Kapitels 01 01 (Landtag) Gruppe 411. München 12. August 2013 (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive) (PDF; 15,6 MB)
  78. Prüfbericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes: Prüfung der Ausgaben des Kapitels 01 01 (Landtag) Gruppe 411. München 12. August 2013, S. 6 (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive) (PDF; 15,6 MB)
  79. Prüfbericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes: Prüfung der Ausgaben des Kapitels 01 01 (Landtag) Gruppe 411. München 12. August 2013, S. 6 (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive) (PDF; 15,6 MB)
  80. Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 28 / 15. Dezember 2000, S. 792: Gesetz zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (PDF; 582 kB)
  81. Prüfbericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes: Prüfung der Ausgaben des Kapitels 01 01 (Landtag) Gruppe 411. München 12. August 2013, S. 18 (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive) (PDF; 15,6 MB)
  82. Prüfbericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes: Prüfung der Ausgaben des Kapitels 01 01 (Landtag) Gruppe 411. München 12. August 2013, S. 7 (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive) (PDF; 15,6 MB)
  83. Peter Issig: Justiz erteilt Seehofer Nachhilfe, Die Welt vom 25. Mai 2014, Seite 2