152-mm-Kanone M1910/34

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152-mm-Kanone M1910/34

Die 152-mm-Kanone M1910/34 ist eine in der Sowjetunion 1934 entwickelte Kanone. Sie entstand als Weiterentwicklung der 152-mm-Belagerungskanone M1910 (russisch 152-мм осадная пушка образца 1910 года). Die Kanone war ein weitreichendes Geschütz mit einem maximalen Rohrerhöhungswinkel von 45°. Dies führte dazu, dass sie gelegentlich auch als Kanonenhaubitze klassifiziert wurde.

In der NVA der DDR wurde die Waffe als 152-mm-Kanone Modell 1910/34 bezeichnet.[1]

Entwicklung

Die 152-mm-Belagerungskanone M1910 war von Schneider-Creusot für die Kaiserlich Russische Armee entwickelt worden. Eine erste Modernisierung des Geschützes hatte 1930 zur 152-mm-Kanone M1910/30 geführt. Dabei gelang es, einige Gefechtseigenschaften der Waffe zu verbessern. Unzureichend blieben jedoch die Beweglichkeit und der geringe horizontale Richtwinkel. Zur Lösung des Problems wurde die Rohrgruppe der 152-mm-Kanone auf die Lafette der 122-mm-Kanone M1931 (A-19) gesetzt. Ein erstes Versuchsmuster wurde ab dem 26. Mai 1934 erprobt. Diese Werkserprobung wurde in zwei Etappen bis zum 16. Januar 1935 fortgesetzt. Anschließend durchlief das Geschütz die Truppenerprobung. Die Erprobungen verliefen im Wesentlichen erfolgreich, so dass das Geschütz in die Bewaffnung der Roten Armee aufgenommen und die Serienproduktion beschlossen wurde. Während der Erprobungen wurde die Waffe zunächst als 152-mm-Haubitze M1932, später als 152-mm-Haubitze M1934 bezeichnet.

Die Produktion der Waffe begann 1934 in Perm. Im ersten Produktionsjahr wurden drei Geschütze hergestellt, im Folgejahr nochmals drei. Am 1. Januar 1937 waren 125 Kanonen verfügbar. Bis Jahresende wurden nochmals 150 Kanonen produziert, danach wurde die Produktion eingestellt.

Konstruktion

Geschütz

Die Rohrgruppe wurde praktisch unverändert von der 152-mm-Belagerungskanone M1910 übernommen. Das Rohr der Kanone besteht aus dem inneren Seelenrohr, dem äußeren Mantelrohr mit verschraubtem Bodenstück und einer Mündungsbremse. Das Geschütz hat einen Schraubenverschluss, eine hydraulische Rohrbremse und einen hydropneumatischen Rohrvorholer. Rohrbremse und Rohrvorholer sind nebeneinander unter der Rohr in der Wiege angeordnet. Die Richtantriebe befinden sich zu beiden Seiten des Rohres. Gerichtet wird das Geschütz manuell.

Die Spreizlafette wurde praktisch unverändert von der 122-mm-Kanone M1931 übernommen. Die Lafette hat große, hartgummibereifte Zwillingsräder, die mittels Blattfedern abgefedert wurden. Die Holme der Lafette waren eine genietete Konstruktion aus Profilstahl. An den Holmenden waren zwei Erdsporne angebracht. Die Federung wurde beim Spreizen der Holme nicht automatisch blockiert. Für den Marsch wurden die Holme der Lafette auf eine Protze aufgelegt. Da für das Feuern mit großer Rohrerhöhung Platz für den Rohrrücklauf benötigt wurde, musste das Rohr sehr weit nach vorn verlegt werden. Die Kopflastigkeit des Geschützes wurde durch zwei Federausgleicher ausgeglichen, die senkrecht zu beiden Seiten des Rohres vor dem Schutzschild standen.

Das Geschütz besaß einen kleinen Schutzschild, der die Besatzung hauptsächlich vor dem Mündungsfeuer der Kanone schützen sollte.

Munition

Die für die 152-mm-Haubitzen entwickelte und beschaffte Munition konnte auch für die 152-mm-Kanone M1910/34 genutzt werden

Für das Geschütz konnte die vorhandene Munition des Kalibers 152 mm weiterverwendet werden. Darunter waren auch Munitionsarten, die für die Kaiserlich-Russische Armee in Russland hergestellt bzw. importiert wurden. Verschossen wurde getrennte Munition.

Munitionsarten

Munitionsarten
Typ Bezeichnung Geschossgewicht, kg Explosivstoffgewicht, kg Anfangsgeschwindigkeit, m/s Reichweite, m
panzerbrechende Geschosse
Pfeilgeschosse ohne ballistische Haube BR-540 (russisch БР-540) 48,8 0,66 600 4000
Geschosse mit ballistischer Haube (ab 1944 eingeführt) BR-540B (russisch БР-540Б) 46,5 0,48 600 4000
panzerbrechend, Marine Baumuster 1915/28 (russisch обр. 1915/28 гг.) 51,07 3,2 573 5000
Hohhladungsgranaten
Hohlladung BP-540 (russisch БП-540) 27,44 ? 680 3000
betonbrechende Granaten
betonbrechende Granaten großer Reichweite (Haubitze) G-530 (G-530Sch) (russisch Г-530 (Г-530Ш)) 40,0 5,1 ? ?
betonbrechende Granaten großer Reichweite (Kanone) G-545 (russisch Г-545) 56,0 4,2 ? ?
Splittersprenggranaten
Granaten für Kanonen
Stahlgranate großer Reichweite OF-540 (russisch ОФ-540) 43,6 5,9–6,25 ? ?
Stahlgranate großer Reichweite OF-540Sch (russisch ОФ-540Ж) 43,6 5,9–6,25 ? ?
Spitzkopfgranate älterer Baumuster F-542 (russisch Ф-542) 38,1 5,86 ? ?
Spitzkopfgranate älterer Baumuster F-542G (russisch Ф-542Г) 38,52 5,83 ? ?
Granate älterer Baumuster F-542SchG (russisch Ф-542ШГ) 41,0 5,93 ? ?
Granate älterer Baumuster F-542Sch (russisch Ф-542Ш) 40,6 6,06 ? ?
Granate älterer Baumuster F-542SchU (russisch Ф-542ШУ) 40,86 5,96 ? ?
älteres Pfeilkopfgeschoss F-542U (russisch Ф-542У) 38,36 5,77 ? ?
Granaten für Haubitzen
weitreichende Stahlgranate OF-530 (russisch ОФ-530) 40,0 5,47–6,86 ? ?
weitreichende Stahlgussgranate OF-530A (russisch ОФ-530А) 40,0 5,66 ? ?
ältere Granate F-533 (russisch Ф-533) 40,41 8,0 ? ?
ältere Granate F-533K (russisch Ф-533К) 40,68 7,3 ? ?
ältere Granate F-533N (russisch Ф-533Н) 41,0 7,3 ? ?
ältere Granate F-533U (russisch Ф-533У) 40,8 8,8 ? ?
Stahlgußgranate (französisch) F-534F (russisch Ф-534Ф) 41,1 3,9 ? ?
Mörsergranate Ausführung 1931 F-521 (russisch Ф-521) 41,7 7,7 ? ?
Stahlgranate (englisch, für 152-mm Haubitze Vickers) F-531 (russisch Ф-531) 44,91 5,7 ? ?
Schrapnelle
Schrapnell mit Verzögerungszünder 45 s Sch-501 (russisch Ш-501) 41,16–41,83 0,5 (680–690 пуль) ? ?
Schrapnell Т-6 Sch-501T (russisch Ш-501Т) 41,16 0,5 (680–690 пуль) ? ?
Leuchtgranaten
Fallschirmleuchtgeschoss (Leuchtzeit 40 s) S1 (russisch С 1) 40,2 ? ? ?
chemische Granaten
chemische Splittergranate OCh-540 (russisch ОХ-540) ? ? ? ?
chemische Granate, Haubitze ChS-530 (russisch ХС-530) 38,8 ? ? ?
chemische Granate, Haubitze ChN-530 (russisch ХН-530) 39,1 ? ? ?
chemische Granate (erst nach Kriegsende eingeführt) SChS (russisch ЗХЗ) ? ? ? ?

Wirkung panzerbrechender Geschosse

Wie fast alle sowjetischen Geschütze war auch die 152-mm-Belagerungskanone M1910 für den Kampf gegen Panzer im direkten Richten eingerichtet. Dies war jedoch nicht der primäre Einsatzzweck der Waffe, dazu war die Kanone zu groß und zu unbeweglich. Hohlladungsgranaten standen für die Kanone erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges zur Verfügung. Die Granate BP-540 (russisch БП-540) durchschlug bei einem Auftreffwinkel von 90° 250 mm homogenen Panzerstahl, bei 60° 220 mm und bei 30° noch 120 mm.

Wirkung panzerbrechender Geschosse.
BR-540 (russisch БР-540)
Reichweite, m bei Auftreffwinkel 60°, mm bei Auftreffwinkel 90°, mm
500 105 125
1000 95 115
1500 85 105
2000 75 90
BR-540B (russisch БР-540Б)
Reichweite, m bei Auftreffwinkel 60°, mm bei Auftreffwinkel 90°, mm
500 105 130
1000 100 120
1500 95 115
2000 85 105
panzerbrechend, Marine Ausf. 1915/28
Reichweite, m bei Auftreffwinkel 60°, mm bei Auftreffwinkel 90°, mm
100 110 136
500 104 128
1000 97 119
1500 91 111
2000 85 105

Technische Daten

152-mm-Kanone M1910/34
Allgemeine Eigenschaften
Klassifikation
Chefkonstrukteur
Bezeichnung des Herstellers 152-mm-Kanone M1910/34
Hersteller
Länge mit Protze 8.100 mm[1]
Breite 2.340 mm[1]
Höhe 1.990 mm[1]
Gewicht in Gefechtslage 7.100 kg[1]
Gewicht in Marschstellung 7.820 kg[2]
Marschgeschwindigkeit, Straße 25 km/h[2]
Mannschaft 1/7[2]
Baujahre
Stückzahl 275
Rohr
Kaliber 152,4 mm[1]
Rohrlänge 4.405 mm[2]
Höhe der Schusslinie 1.485 mm
Feuerdaten
Höhenrichtbereich −4 bis 45°[1]
Seitenrichtbereich 58°[1]
Reichweite, maximal 15.600 m[2]
Mündungsgeschwindigkeit 665 m/s[2]
Feuerrate 3–4 Schuss/min[1]

Einsatz

Die 152-mm-Kanone M1910/34 war eine insgesamt gelungene Modernisierung des Ursprungsmusters. Durch die Verwendung der Spreizlafette konnte die Beweglichkeit des Geschützes insgesamt gesteigert werden, insbesondere sank die Zeit für den Übergang von der Marsch- in die Gefechtslage und umgekehrt. Durch die Lafettenkonstruktion konnte der horizontale Richtwinkel vergrößert werden, was die Möglichkeiten zur schnellen Verlegung des Feuers verbesserte. Damit war auch ein Einsatz im direkten Richten gegen Panzer möglich geworden. Durch die Vergrößerung des vertikalen Richtwinkels um 5° erhöhte sich die Reichweite der Kanone. Dennoch wies das Geschütz einige Unzulänglichkeiten auf. Das Fehlen der automatischen Blockierung der Federung beim Spreizen der Holme ebenso wie der Federausgleicher verlängerten die Zeiten vom Übergang aus der Marsch- in die Gefechtslage unnötig. Die Kombination des Ausgleichsmechanismus mit dem vertikalen Richtantrieb führte zu geringen vertikalen Richtgeschwindigkeiten. Der maximale Rohrerhöhungswinkel von 45° wurde ebenso als unzureichend betrachtet. Daher wurden die Modernisierungen der Waffe fortgesetzt, die letztendlich zur 152-mm-Kanonenhaubitze M1937 (ML-20) führten. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war die Kanone dennoch eine moderne Waffe.

Einsatz in der Roten Armee

Die 152-mm-Kanone M1910/34 wurde in der Roten Armee in den Artillerietruppenteilen der Armeekorps und der Reserve des Oberkommandos zusammen mit der 152-mm-Kanonenhaubitze M1937 (ML-20) eingesetzt. In den schweren Artillerieregimentern der Reserve des Oberkommandos waren je 24 152-mm-Kanonen vorgesehen. Zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges verfügte die Rote Armee über 146[3], nach anderen Quellen über 275[4] Geschütze. Die Geschütze wurden in verschiedenen Kampfhandlungen eingesetzt, es sind jedoch keine detaillierten Berichte über den Einsatz überliefert.

Einsatz in der Wehrmacht

Von der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges erbeutete Geschütze wurden von dieser als 15,2 cm K.433/2(r) genutzt.

Einsatz in der KVP

Die Kasernierte Volkspolizei erhielt zwischen 1954 und 1956 insgesamt sechzehn Geschütze. Die Waffen wurden in den Artillerieregimentern der beiden Territorialverwaltungen eingesetzt.[5] Da die Aufstellung militärischer Verbände in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt nicht erlaubt war, wurden militärische Begriffe weitgehend vermieden. So wurden die Artilleriebereitschaften als B-Bereitschaften bezeichnet. Die B-Bereitschaften hatten dabei die Struktur eines Artillerieregimentes, waren personell jedoch nicht voll aufgefüllt. Jede Territorialverwaltung erhielt sieben Geschütze, die beiden restlichen Geschütze wurden den Ausbildungseinrichtungen der Territorialverwaltungen zugewiesen.

Einsatz in der NVA

Datei:Artillerie MB Struktur 56 1.png
Struktur der Artillerietruppenteile eines Militärbezirkes der NVA 1956

Die NVA übernahm die sechzehn Geschütze von der KVP. Die Kanonen wurden in den Kanonen/Kanonenhaubitzenabteilungen der Artillerieregimenter der Militärbezirke eingesetzt.[6] Dort war sie aber nur Ersatzbewaffnung für die nicht in ausreichender Anzahl vorhandenen 152-mm-Kanonenhaubitzen M1937 und 152-mm-Haubitzen M1943.[7][8] Nach 1960 wurden die Geschütze ausgesondert.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j Raketen- und Waffentechnischer Dienst im Kdo. MB III, Technikkatalog, 152-mm-Kanone Modell 1910/34
  2. a b c d e f Wilfried Kopenhagen: Die Landstreitkräfte der NVA. S. 49.
  3. Обеспеченность Красной армии артиллерийскими орудиями на 22 июня 1941 г (Memento vom 27. Januar 2011 auf WebCite) (russisch)
  4. А. Иванов: Артиллерия СССР во Второй мировой войне, 2003 (russisch)
  5. Wilfried Kopenhagen: Die Landstreitkräfte der NVA. S. 18 ff.
  6. Wilfried Kopenhagen: Die Landstreitkräfte der NVA. S. 20.
  7. Wilfried Kopenhagen: Die Landstreitkräfte der NVA. S. 31.
  8. Wilfried Kopenhagen: Die Landstreitkräfte der NVA. S. 46.

Weblinks

Commons: 152-mm-Kanone M1910/34 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Александр Широкорад: Энциклопедия отечественной артиллерии. Харвест, 2000, ISBN 985-433-703-0 (russisch).
  • А. Иванов: Артиллерия СССР во Второй мировой войне. Нева, 2003, ISBN 5-7654-2731-6.
  • В. Н. Шунков: Оружие Красной армии. Харвест, 1999, ISBN 985-433-469-4.
  • Wilfried Kopenhagen: Die Landstreitkräfte der NVA. Motorbuch Verlag, Stuttgart, 2003, ISBN 3-613-02297-4.