Adelsrecht

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Adelsrecht regelt nach überlieferten historischen Grundsätzen die Zugehörigkeit zum Adel und geht auf die Grundsätze des Salischen Rechts zurück. Bis 1919 war das Adelsrecht in Deutschland öffentliches Recht zur Regelung der Zugehörigkeit zum Stand des Adels in den Bundesstaaten des Deutschen Kaiserreiches, in etwa vergleichbar auch in Österreich-Ungarn. Seitdem ist es in Deutschland nicht mehr kodifiziertes Recht.

In den noch bestehenden europäischen Monarchien besteht das Adelsrecht weiterhin als Teil des öffentlichen Rechts, auch wenn Adelsvorrechte weitgehend abgeschafft sind.

Deutschland

Heutige Bedeutung

Die heutige Bedeutung des deutschen Adelsrechts ergibt sich daraus, dass in Deutschland nach dem Ende der Monarchie im Jahre 1918 die Weimarer Verfassung von 1919 in Art. 109 bestimmte:

Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt und des Standes sind aufzuheben und dürfen nicht mehr verliehen werden. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.[1]

und dass Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages (als einfaches Bundesrecht) fortgilt, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht (Art. 123 GG).

Damit wurden die Adelsprädikate und Adelstitel zu reinen Bestandteilen des Namens einer Person; diese können folglich (im Gegensatz zu früher) auch durch außereheliche Geburt oder Adoption sowie durch Namensänderung eingeheirateter Männer solchen Personen zufallen, die nach dem historischen Adelsrecht zur Namensführung nicht berechtigt waren. Um festzustellen, wer zum „historischen Adel“ zählt, das heißt, wer als Angehöriger einer vor 1919 adeligen Familie nach den Grundsätzen des Adelsrechts als „adlig“ gelten kann, gründete die Deutsche Adelsgenossenschaft 1923 eine Abteilung zur Prüfung, ob ein Adelsname in historisch richtiger Weise geführt wurde, und zur Abwehr des immer stärker aufkommenden sogenannten „Scheinadels“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm diese Aufgaben der beim Deutschen Adelsarchiv in Marburg beheimatete Deutsche Adelsrechtsausschuß (ARA). Nach dessen ständiger Spruchpraxis gehört zum „historischen Adel“ der Personenkreis, der den Kriterien des bis 1919 geltenden Adelsrechts genügt und daher dem deutschen Adel oder dem österreichischen Adel angehören würde. Der ARA behält es sich vor, in seltenen, streng geprüften und besonders begründeten Einzelfällen, Einzelpersonen und Familien, die nach dem überkommenen Adelsrecht dem historischen Adel nicht angehören, die „adelsrechtliche Nichtbeanstandung der Führung ihres adeligen Namens“ zu erteilen. Hierdurch werden die Betroffenen dem historischen Adel gleichgestellt.

In seiner eigenen Darstellung beschreibt der Adelsrechtsausschuss seine Aufgaben mit Blick auf das Adelsrecht wie folgt:

Dem Adelsrechtsaus[s]chuß obliegt die Begutachtung und Entscheidung aller adelsrechtlichen Fragen, auch ohne daß ein Antrag vorliegt. Dies gilt insbesondere für die Zugehörigkeit zum historischen Adel, das gilt weiterhin für das Recht zur Führung adeliger Namen und Titel, einschließlich der Erstgeburtstitel und aller Adoptionsfälle innerhalb des Adels, und schließlich ist er auch zuständig für die Beurteilung des Rechts zur Führung von adeligen Wappen.

Der Adelsrechtsausschuß hat die Aufsicht über das Genealogische Handbuchs des Adels[2] und trifft die Entscheidungen über Zweifelsfragen, die bei der Bearbeitung des genealogischen Handbuchs auftreten könnten. Der Adelsrechtsausschuß hat die fachliche Aufsicht über die Stiftung “Deutsches Adelsarchiv” in adelsrechtlichen und genealogischen Fragen.

Angelegenheiten der vormals regierenden Häuser und der deutschen Standesherren ("Fürstenrecht") gehören nicht in die Zuständigkeit des Adelsrechtsausschusses, es sei denn, daß er zur gutachterlichen Stellungnahme vom Verein der Standesherren oder von Beteiligten eines Hauses der Abteilung I oder II des genealogischen Handbuchs der fürstlichen Häuser aufgefordert wird. Die Beschlüsse des Deutschen Adelsrechtsausschusses werden in Kammern nach Vorbereitung durch zwei Referate gefasst; im Beschwerdefall oder im Falle einer Wiederaufnahme entscheidet das Plenum des Adelsrechtsaus[s]chusses.[3]

Beim Adelsrecht und seiner Auslegung durch den Adelsrechtsausschuss in Deutschland handelt es sich heute nicht mehr um staatlich gesetztes, öffentliches Recht. Entscheidungen des Adelsrechtsausschusses sind damit für Nichtmitglieder der Mitgliedsvereine der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände unverbindlich und begründen keine Ansprüche oder Privilegien, die von staatlichen Behörden oder Gerichten zu beachten wären. Die Entscheidungen des Adelsrechtsausschusses sind für den Personenstand des Betroffenen weder in Hinblick auf etwaige Adelstitel (diese gibt es in Deutschland nicht mehr, frühere Adelstitel bestehen nur noch als Bestandteile des amtlichen Namens fort) noch namensrechtlich (das deutsche Namensrecht weist dem Adelsrechtsausschuss keine Kompetenzen zu) von Bedeutung.

Kriterien des deutschen Adelsrechtsausschusses für die Zugehörigkeit zum „historischen Adel“

Die Zugehörigkeit zum Adel wird ausschließlich im ehelichen Mannesstamm weitergegeben, also durch eheliche Abstammung von einem adeligen Vater. Sie wird außerdem durch Heirat einer bürgerlichen Frau mit einem adeligen Mann erworben, wenn die Ehefrau dessen adeligen Namen annimmt. Vor- bzw. außerehelich Geborene werden durch eine nachfolgende Ehe der nachgewiesenen natürlichen Eltern legitimiert (sogenannte Legitimatio per matrimonium subsequens) und der Adel geht somit auf sie in gleicher Weise über wie bei von vornherein ehelichen Kindern. Eine adelige Dame verliert jedoch durch die Heirat mit einem nichtadeligen Mann die Zugehörigkeit zum Adel, soweit nicht das anerkannte Adelsrecht einer deutschen Adelslandschaft etwas anderes bestimmt. Durch Scheidung und Wiederannahme des Geburtsnamens lebt die Adelszugehörigkeit nicht wieder auf, wohl jedoch durch eine nachfolgende adelige Eheschließung.

Der Erwerb eines adeligen Namens durch die Gestaltungsmöglichkeiten des heutigen Namensrechts, etwa bei nichtehelicher Geburt, durch Rechtsakte wie Adoption, Einbenennung oder Ehelichkeitserklärung sowie die seit 1976 geltenden Regelungen zur Bestimmung des Ehenamens (und die dadurch mögliche Weitergabe an dritte Ehepartner, Kinder, Adoptivkinder) werden vom Adelsrechtsausschuss nicht ohne Weiteres anerkannt, da sie im Widerspruch zum historischen Adelsrecht stehen. Dies wird zum Beispiel dadurch deutlich gemacht, dass in den regelmäßig publizierten Bandreihen des Genealogischen Handbuchs des Adels und seit 2015 der Nachfolgereihe Gothaisches Genealogisches Handbuch sowie im Deutschen Adelsblatt die vormaligen Adelsprädikate häufig abgekürzt werden (etwa Frhr. für Freiherr oder v. für von), während sie beim „Scheinadel“ in Breitdruck ausgeschrieben werden. Letzterer wurde im Genealogischen Handbuch des Adels lange Zeit „unter dem Strich“ geführt, also am Ende des Artikels über die jeweilige Adelsfamilie unter einer Rubrik „Namensträger, die dem historischen Adel nicht angehören“. Inzwischen wird der Scheinadel dort jedoch weggelassen, da die „Titelflut“ ständig anschwillt.

In besonders begründeten Einzelfällen können dem Adelsrecht nicht entsprechende Übergaben adeliger Namen durch "adelsrechtliche Nichtbeanstandung" seitens des Adelsrechtsausschusses "legitimiert" werden, die Begünstigten werden dem Historischen Adel gleichgestellt, wobei die Gründung eines neuen Adelsgeschlechtes erfolgt. Dies ist de facto mit einer Nobilitierung vergleichbar. Meist wird eine Nichtbeanstandung zugunsten des Ehemannes oder der Kinder einer bürgerlich verheirateten Erbtochter, insbesondere wenn ihre Familie im Mannesstamm ausgestorben ist oder dies bald sein wird, ausgesprochen.[4]

Österreich und Schweiz

In Österreich-Ungarn galt das historische Adelsrecht nach denselben Maßgaben wie in den übrigen Nachfolgestaaten des Heiligen Römischen Reichs (etwa den Benelux-Monarchien). In Österreich wurden aber nach dem Ende der Monarchie 1919 alle Adelstitel, auch als Namensbestandteile, mit dem Adelsaufhebungsgesetz abgeschafft, auch wenn sie – wie in Deutschland die Primogeniturtitel – im privaten und gesellschaftlichen Verkehr teilweise noch geführt werden. Beim österreichischen Adel zählt daher allein das Wissen, welche Familien und welche der dazugehörenden Namensträger ihm angehör(t)en. Ähnliches gilt für den historischen böhmischen und mährischen Adel, da in der Tschechoslowakei ebenfalls 1918 die Titel abgeschafft wurden. (Der italienische Adel wurde 1946 abgeschafft und die Adelsprädikate ohne die Rangtitel zum Namensbestandteil).

Der Schweizer Adel gehörte bis 1648 zum Adel des Heiligen Römischen Reichs, nahm anschließend aber teilweise eine gesonderte Entwicklung. In den freien Reichsstädten hatte sich schon seit dem Mittelalter ein eidgenössisches Patriziat entwickelt, das sich aus wohlhabenden Kaufmannsfamilien mit oder ohne Adelsbrief, aus bürgerlichen Notabeln und bisweilen auch stadtsässig gewordenem Uradel zusammensetzte. Bald nach der Loslösung vom Reich schuf etwa der Grosse Rat der Stadt und Republik Bern eine eigene gesellschaftliche Rangordnung, die sich nicht nach dem Adelsrecht im Reich richtete, wodurch das Berner Patriziat in Statusgruppen eingeteilt wurde und ab 1783 stellte der Grosse Rat es allen regimentsfähigen Geschlechtern von Bern frei, das Adelsprädikat von zu führen. Es ist in der Schweiz bis heute Namensbestandteil, während Rangtitel wie Freiherr oder Graf, die auf Verleihungen des Reichs oder anderer europäischer Monarchien zurückgehen, nur inoffiziell geführt werden.

Die historischen österreichischen, böhmischen und schweizerischen Adelsgeschlechter, ihre Stammreihen und aktuellen Angehörigen, soweit sie nach Maßgabe des traditionellen Adelsrechts dem historischen Adel angehören, werden ebenfalls im Genealogischen Handbuch des Adels[2] und seit 2015 im Gothaischen Genealogischen Handbuch dargestellt und der Adelsrechtsausschuss in Zweifelsfragen konsultiert.

Deutschsprachige Monarchien und benachbarte Staaten

In den drei noch existierenden Monarchien mit Deutsch als Amtssprache, dem Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Fürstentum Liechtenstein, gilt das Adelsrecht bis heute als öffentliches Recht, auch wenn mit dem Adelsstand einst verbundene Privilegien und Vorrechte großenteils abgeschafft wurden. In diesen Ländern erfolgen weiterhin Nobilitierungen und es werden Adelsprädikate und -titel vererbt und verliehen. Das gilt auch für den niederländischen Adel und den Adel in Skandinavien, die im Wesentlichen dem gleichen (salisch geprägten) Adelsrecht folgen wie die Nachfolgestaaten des Heiligen Römischen Reichs oder auch der französische Adel.

Im britischen Adel und im spanischen Adel haben sich eigenständige und abweichende Traditionen entwickelt, die dort ebenfalls bis heute öffentlich-rechtlich geregelt sind. Für den historischen italienischen Adel galt im Norden salisches, im Süden jedoch spanisches Adelsrecht. Adelstitel aus anderen Ländern, gleichgültig ob dort abgeschafft oder nicht, werden bei der Einbürgerung von Ausländern in Monarchien in aller Regel anerkannt, sofern adelsrechtskonform, und daher bei der Inkorporierung in den heimischen Adel übernommen, so etwa bei Claus von Amsberg (als „Jonkheer van Amsberg“) oder bei Lorenz Habsburg-Lothringen (als „Erzherzog von Österreich-Este“).

Besonderheiten ausländischer Adelsrechte

Teils historisch und teils aufgrund einer durch den Gesetzgeber in bestehenden Monarchien in jüngster Zeit veranlassten "Modernisierung" des Adels unterscheidet sich das Adelsrecht in anderen Ländern erheblich vom deutschen.

  • In Großbritannien, in Spanien, Portugal, zumindest im Süden Italiens und teilweise in Frankreich und Belgien kann ein Adelstitel immer nur einer Person gehören und geht mit dem Tod auf den Erben über (substantive Titel). Die Nachkommen im Mannesstamme eines Titelträgers, in der Regel auch des Inhabers eines persönlichen Titels, gehören zum untitulierten Adel.
  • In Russland hingegen gibt es, mit Ausnahme einiger Familien ausländischer Herkunft, keine Adelstitel, die nur nach dem Recht der Erstgeburt vererbt werden. Auch der Fürstentitel verhält sich de facto wie ein niederadeliger Titel, alle Kinder eines Fürsten werden mit der Geburt Fürsten bzw. Fürstinnen. Russische Fürsten sind, selbst, wenn sie von den ehemals regierenden Dynastien der Rurikiden und Gedimiden abstammen, reine Titularfürsten der III. Abteilung und gelten dem souveränen und mediatisierten Familien in der Regel nicht als ebenbürtig, was zur Zeit der Monarchie zur Folge hatte, dass Mitglieder des Kaiserlichen Hauses sich nicht mit ethnischen Russinnen vermählen durften. Der Plan, einen eigenen "russischen Hochadel" zu erschaffen, scheiterte am 1. Weltkrieg.
  • Der Fürstentitel ging vielen Rurikiden und Gedimiden auch verloren, sie dürfen in Russland aber den Fürstenmantel im Wappen verwenden.
  • Die russischen Fürsten werden, sofern die Anrede "Durchlaucht" nicht explizit verliehen wurde, mit "Erlaucht" angesprochen. Dies gilt auch für alle russischen Grafen und beinhaltet keine Mitgliedschaft in der II. Abteilung.
  • Die Titel Prinz, (Groß-)Herzog und Marquis kommen in Russland außer bei ausländischen Familien nicht vor. Die Mitglieder des Kaiserlichen Hauses sind Großfürsten (Kaiserliche Hoheit) oder ab der 4. Generation Abstammung von einem Kaiser Fürsten des Kaiserlichen Blutes (Durchlaucht).
  • In Großbritannien wird jeder, der ein offiziell von einem der beiden Wappenkönige (Garter King of Arms und Lord Lyon) verliehenes oder registriertes Wappen besitzt oder von einem solchen Wappenträger im Mannesstamme abstammt, als zum niederen untitulierten Adel (Gentry) gehörig gerechnet. Dies wird so vom britischen CILANE-Mitgliedsverband und vom Malteserorden anerkannt. Die Gentry besteht aus den untitulierten Gentlemen und Esquires, den Knights und den Baronets. Jeder Nachfahre eines Adeligen im ehelichen Mannesstamm ist mindestens Gentleman. Damit ist ein Wappenbrief zugleich Adelsbrief, sofern kein höherer Rang vorhanden ist, wird der eines Gentleman verliehen. In England ist ein Wappenbrief formell immer eine Adelsbestätigung, es wird ein "soziales Hineinwachsen in den Adel" erwartet. Ein Gentleman entspricht in etwa einem bloßen "von" oder "de", ein Esquire dem belgischen Ecuyer bzw. dem süddeutsch-österreichischen "Edlen von", ein Knight einem nicht-erblichen Ritter und ein Baronet einem Erbritter.
  • In Großbritannien ist die Unterscheidung zwischen der Peerage, zu der nur die Inhaber von Titeln und ihre Ehefrauen gehören, und der Gentry, zu der alle anderen Adeligen gehören, besonders scharf. Fälschlicherweise wird behauptet, die Gentry sei bürgerlich. Aus kontinentaler Sicht ist sie mit dem niederen Adel identisch, während die Peerage eine Art hohen Adel bildet (wobei nur die britischen Dukes als Titularherzöge in die III. Abteilung des Gothaischen Genealogischen Handbuches der fürstlichen Häuser aufgenommen werden). Ein jüngerer Sohn eines jüngeren Sohnes eines jüngeren Sohnes eines britischen Herzogs, ja sogar entsprechende Nachkommen des Monarchen im Mannesstamm, sind rechtlich gesehen ranggleich mit einem Gentleman, welcher durch neue Wappenverleihung in diesen Stand eingetreten sind.
  • Außerhalb Deutschlands behalten nichtadelig verheiratete adelig geborene Töchter in der Regel ihren Adel. In Russland gehen jedoch etwaige Titel verloren. Die baltischen Ritterschaften, welche zum russischen Adel gehören und dem russischen Adelsrecht folgen, lassen daher im Unterschied zu anderen deutschen Adelsvereinigungen die Vollmitgliedschaft auch für nichtadelig verheiratete Töchter zu.[5]
  • In Russland führen die wenigsten Familien ihren Adel auf eine direkte Nobilitierung durch den Zaren oder Kaiser zurück. Die Möglichkeiten zum Erwerb des erblichen Adels durch bestimmte Auszeichnungen sowie das Erreichen bestimmter Dienstgrade (Dienstadel) waren umfangreicher als in anderen Ländern, so erhielt man bei Beförderung zum Oberst automatisch sofort den Erbadel.
  • Unter anderem in Spanien und Portugal ist bei Titeln die weibliche Erbfolge möglich. In Spanien gilt für alle Titel seit 2006 absolute Primogenitur (nicht jedoch für die Krone, welche noch immer unter dem Vortrittsrecht jüngerer Brüder vor älteren Schwestern geerbt wird), ansonsten kann eine Frau in der Regel den väterlichen oder mütterlichen erben, wenn sie keine Brüder hat oder es in der Familie keinerlei männliche Erben gibt. In Großbritannien betrifft dies nur wenige (meist besonders alte oder schottische) Titel. Frauen, die einen Titel besitzen, werden als Inhaberinnen des Titels suo jure (in ihrem eigenen Recht) bezeichnet, um sie von den Ehefrauen männlicher Titelträger abzugrenzen. In Spanien und Portugal, nicht jedoch in Großbritannien, kann der Ehemann einer titulierten Frau ihren Titel als "Consorte" mitverwenden. In Italien wurde die weibliche Erbfolge 1926 im Rahmen einer Vereinheitlichung des Adelsrechtes abgeschafft.[6]
  • In Großbritannien wurden viele erbliche Peerages mit besonderen Bestimmungen im Patent verliehen, welche eine einmalige Vererbung an Töchter bzw. weiblicher Linie in der ersten oder zweiten Generation erlauben.
  • In Schottland (sowie mit einer Genehmigung des Monarchen in England und in Irland) kann eine Erbtochter auch im untitulierten Adel (heraldic heiress) den Adel ihren Kindern sowie, sofern er ihren Namen annimmt, ihrem Ehemann mitteilen. Erbtochter ist dabei in Schottland die älteste Tochter eines oder einer verstorbenen Adeligen, welche(r) keine lebenden Söhne oder Söhnenachkommen hat.[7] Somit kann die älteste Tochter eines Peers oder Baronets ohne Söhne, dessen Titel nicht in weiblicher Linie vererbt werden dürfen, zwar den väterlichen Titel nicht erben, aber durchaus den Adel und das Wappen weitergeben. Das Recht auf Mitgliedschaft in der mütterlichen Familie wird hierbei nicht mitgeteilt, sondern ähnlich wie bei einer "adelsrechtlichen Nichtbeanstandung" durch den Deutschen Adelsrechtsausschuss durch den Ehemann bzw. die Kinder der Erbtochter eine neue adelige Familie begründet und ein etwaiger Uradelsstatus nicht mit übertragen wird.
  • In Portugal und Brasilien wird auch der untitulierte Adel grundsätzlich durch jede Frau in der weiblichen Linie vererbt. Die adelige Frau verliert bei Verheiratung mit einem Nichtadeligen dabei ihren Adel, sofern sie keinen Titel besitzt - die Kinder erben den Adel der mütterlichen Großeltern.[7]
  • Alle Titel, die durch die brasilianischen Monarchen verliehen wurden, waren persönlich und sind damit heute erloschen. Ansonsten entspricht das Adelsrecht vollständig dem portugiesischen. Heutzutage werden in Großbritannien praktisch nur noch persönliche Knighthoods und Life Peerages, keine erblichen Peerages oder Baronetcies mehr verliehen.
  • In Schottland und seit 1994 in den Niederlanden erhalten auch die unehelichen Kinder eines adeligen Vaters den Adel. Einige italienische und französische Titel können bei Fehlen ehelicher Erben an uneheliche Nachkommen übergehen.
  • Der Adel in Belgien, den Niederlanden und Liechtenstein wird auch durch Adoption ohne gesonderten landesherrlichen Gnadenakt und ohne gesonderte Genehmigung vermittelt. In Belgien und in den Niederlanden muss es sich um die Volladoption, die nur bei Minderjährigen möglich ist, handeln. In Liechtenstein ist dies seit 1942 und auch bei Erwachsenenadoptionen möglich.[8] In Großbritannien erhalten Adoptivkinder von Peers etwaige Ehrentitel (Lord bzw. The Honourable), sind aber nicht erbberechtigt. Einige napoleonische Titel in Frankreich sind gemäß Patent auch an Adoptivkinder übertragbar.
  • In den nach 1807 geadelten Familien Schwedens ist der untitulierte Adel meist nur nach dem Recht der männlichen Erstgeburt übertragbar.
  • In Großbritannien existieren feudale Titel (englische Lordships of the Manor, schottische Feudal Baronies und auf den Kanalinseln Seigneuries). Die Vererbung kann durch den Inhaber frei bestimmt werden, sie können auch an Familienfremde übertragen oder verkauft werden, wobei bei Seigneuries eine Genehmigung des Monarchen erforderlich ist. Ob diese Titel an sich eine nicht zum Adel gehörende (also kein Wappen besitzende) Person adeln ist umstritten, jedoch wird ein schottischer Feudalbaron, sofern adelig, oft als mit kontinentalen Freiherren vergleichbar betrachtet. Bis 2004 waren schottische Feudalbaronien an Land gebunden. Es existieren auch feudale Lordships, Earldoms, Marquessates und Dukedoms. Obwohl der Name dies vermuten lässt, handelt es sich dabei nicht um Peerages und damit erhalten Inhaber im Unterschied zu Peers keine politischen Vorrechte.
  • In Spanien wird nur der titulierte Adel anerkannt, seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts ist der untitulierte Adel (Hidalguia) rechtlich bedeutungslos, wenngleich das Heroldsamt weiterhin Adelsbestätigungen herausgibt. Alle Nachfahren im Mannesstamm von Titelinhabern sind automatisch Hidalgos. In Spanien können Titel, aber nicht allein der untitulierte Adel verliehen werden, somit kann der untitulierte Adel nur indirekt, also durch die Kinder eines neu geadelten Titelträgers, neu erworben werden.
  • In Spanien wurden mehrmals in der Geschichte sämtliche Einwohner bestimmter Gebiete durch königliche Verordnungen geadelt, um die Wirtschaft zu fördern, denn das Hauptprivileg des Adels war die Steuerfreiheit. Auch derjenige, der sieben Söhne hatte, wurde adelig. Dieser Massenadel ist heute größtenteils in Vergessenheit geraten und gilt etwa im Sinne der Adelsproben des Malteserordens nicht.

Literatur

  • Joseph von Berswordt: Ius illustrium Germaniae familiarum, quod centum assertionibus absolutum (= Das deutsche Adelsrecht). Dissertation, Universität Bonn 1777 (Präses: Joseph Lomberg).
  • Harald von Kalm: Das preußische Heroldsamt (1855–1920). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preußischen Verfassungsentwicklung (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; Bd. 5). Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-07965-5 (zugl. Dissertation, Universität Bonn 1993).
  • Sigismund von Elverfeldt-Ulm: Adelsrecht. Entstehung, Struktur, Bedeutung in der Moderne des historischen Adels und seiner Nachkommen (Aus dem Deutschen Adelsarchiv, Neue Folge; Band 1). Starke Verlag, Limburg/Lahn 2001, ISBN 3-7980-0601-6.
  • Otto Krabs: Von Erlaucht bis Spektabilis. Kleines Lexikon der Titel und Anreden. 3. Aufl. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-61124-7 (EA München 2004).
  • Reinhard Binder-Krieglstein: Österreichisches Adelsrecht 1868-1918/19. Von der Ausgestaltung des Adelsrechts der cisleithanischen Reichshälfte bis zum Adelsaufgebungsgesetz der Republik unter besonderer Berücksichtigung des adeligen Namensrechts (Rechtshistorische Reihe; Bd. 216). Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 2000, ISBN 3-631-34833-9 (zugl. Dissertation, Universität Wien 1998).
  • Gabriel N. Toggenburg: Die „falsche Fürstin“. Zum grenzüberschreitenden Verkehr von Adelstiteln vor dem Hintergrund der Unionsbürgerschaft. In: European Law Reporter, Bd. 3 (2011), S. 74–81, ISSN 1028-9690.

Einzelnachweise

  1. Die Verfassung des Deutschen Reiches („Weimarer Reichsverfassung“) vom 11. August 1919, abgerufen im Portal verfassungen.de am 4. Mai 2014
  2. a b Ab 2015 abgelöst durch das neu aufgelegte Gothaische Genealogische Handbuch.
  3. Website des Deutschen Adelsrechtsausschusses: Aufgaben, abgerufen am 27. August 2017
  4. Nichtbeanstandung. Abgerufen am 25. August 2022.
  5. § 3 Mitgliedschaft. Abgerufen am 25. August 2022 (deutsch).
  6. Decree on Succession to Italian Noble Titles 1926 - Best of Sicily. Abgerufen am 25. August 2022.
  7. a b Sigismund von Elverfeldt-Ulm: Adelsrecht: Entstehung, Struktur, Bedeutung in der Moderne des historischen Adels und seiner Nachkommen. Starke, 2001, ISBN 978-3-7980-0601-0 (google.de [abgerufen am 25. August 2022]).
  8. Gesetz vom 28. Januar 1942 betreffend die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechtes. In: Liechtensteinisches Landesgesetzblatt. Abgerufen am 25. August 2022.

Weblinks