Anatomisch-Chirurgisches Institut

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Anatomiegebäude auf dem Gaußberg um 1830, Lithografie von Carl Robolsky

Das Anatomisch-Chirurgische Institut in Braunschweig war eine dem Collegium Carolinum angegliederte Chirurgische Schule zur Ausbildung der Chirurgen und Hebammen im Land Braunschweig. Es bestand von 1750 bis 1869.

Geschichte

Braunschweigische Medizinal-Ordnung 1721

Vielfache Missstände in der medizinischen Versorgung im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel erweckten in Herzog August Wilhelm 1717 den Wunsch, eine übergeordnete Behörde, ein Collegium Medicum, zu schaffen. Während dieser Plan nicht umgesetzt wurde, gelang es jedoch mit der Herausgabe der Braunschweigischen Medizinal-Ordnung am 21. Februar 1721, dem Medizinalwesen im Fürstentum für mehr als ein Jahrhundert unter mehreren Ergänzungen eine feste Grundlage zu geben.

Collegium Medicum 1747

Nach einem zunächst weitgehend störungsfreien Verlauf nahmen seit 1741 die Beschwerden über medizinische Pfuschereien durch Feldscher und ambulante Quacksalber derart zu, dass Herzog Karl I. am 4. Januar 1747 ein Collegium Medicum als Aufsichtsrat für medizinische und sanitäre Angelegenheiten einsetzte. Dieses aus Medizinern bestehende Gremium bestand davor bereits als beratende Einrichtung, erhielt jetzt aber weitgehende Vollmachten auf Kosten der Ortsbehörden und war direkt dem Landesherrn unterstellt. Dem Medizinalkollegium waren die Stadt- und Landphysici unterstellt, von denen es regelmäßige Berichte erhielt. Weitere Aufgaben bestanden in der Arzneimittelzulassung sowie in der Prüfung aller sich im Lande niederlassenden Medizinalpersonen, wie z. B. Chirurgen, Ärzte, Hebammen, Apotheker und Bader. Weiterhin unterlagen alle medizinischen Publikationen einer Vorzensur durch das Collegium.[1]

Der geistige Vater und Dekan des Medizinalkollegiums, der Braunschweiger Stadtphysikus Rudolph August Behrens, starb bereits 1748. Als dessen Nachfolger berief Herzog Karl I. 1749 den hannöverschen Hofmedikus Heinrich Johann Meibom, Enkel des Helmstedter Anatomie-Professors Heinrich Meibom, nach Braunschweig. Dieser wurde sein Leibarzt und Hofrat. Auf Anraten Meiboms beschloss Herzog Karl 1749 die Gründung einer Fachschule für die wissenschaftliche Ausbildung seiner Chirurgen. Den zukünftigen Wundärzten sollte auch die Möglichkeit zur Teilnahme an Sektions- und Präparierkursen gegeben werden.

Collegium Anatomico-Chirurgicum 1750

Am 19. November 1750 wurde das Collegium Anatomico-Chirurgicum gegründet, dessen erster Direktor Hofrat Meibom wurde. Zum Professor der Anatomie wurde auf Empfehlung des hannöverschen Leibarztes Paul Gottlieb Werlhof der Mediziner Christian Jeremias Rollin berufen, der gleichzeitig Assessor beim Collegium Medium wurde. In den Satzungen der neuen Einrichtung heißt es: Das Collegium Anatomico-Chirurgicum setzet seinen Haupt-Endzweck in Unterrichtung der Chirurgorum und Hebammen. Die Unterrichtung geschieht in öffentlichen und besonderen Stunden auf dem Theatro Anatomico. Der erste Unterricht wurde im Januar 1751 aufgenommen. Die Sektionsübungen Rollins wurden durch den Prosektor Urban Brückmann begleitet. Während des Siebenjährigen Krieges wurde Braunschweig 1757 von französischen Truppen besetzt. Diese beschlagnahmten das Garnisonslazarett als Militärhospital, wodurch der Unterrichtsbetrieb erheblich gestört wurde. Nach Abzug der Franzosen wütete noch 1758 und 1759 eine Fleckfieberepidemie in der Stadt, die den Bau eines Krankenhauses erforderte. Der Bau des Armenkrankenhauses konnte aus Geldmangel erst 1780 verwirklicht werden. Die Pocken traten 1766 besonders stark auf, so dass man sich zu ersten Impfungen entschloss. Hierbei erwarb sich Carl Gottlieb Wagler, Lehrer des Anatomisch-Chirurgischen Instituts, besondere Verdienste.

Niedergang und Ende 1869

Nach einer Blütezeit in den 1820er und 1830er Jahren nahm die Zahl der Auszubildenden in den Folgejahren rapide ab. Noch um 1827 waren fünf Professoren und ein Prosektor angestellt.[2] Das Collegium Anatomico-Chirurgicum wurde am 4. Januar 1869 nach nahezu 120-jährigem Bestehen geschlossen.

Einrichtungen

Anatomiegebäude

Heinrich Johann Meibom setzte sich für die Einrichtung eines Anatomischen Theaters zur Durchführung anatomischer Demonstrationen zu Ausbildungszwecken ein. Dafür wurde ein Gebäude auf einer Anhöhe am Wendentor gewählt, das vormals vom Hofstaat zur Beobachtung des Jahrmarkttrubels beim Königsschießen genutzt wurde. Das Areal erhielt nachfolgend den Namen Anatomieberg, später die Bezeichnung Gaußberg. Dieses Theatrum Anatomicum sollte auf herzogliche Anordnung mit Anschauungsmaterial versorgt werden: Wenn Züchtlinge im Werkhause, Hospitalisten zu St. Leonhard, Arme, die ihren Unterhalt aus den Armen-Anstalten haben, Huren und Hur-Kinder versterben, soll solches dem Collegio Medico allemal gemeldet und solche Cadavera, wenn das Collegium Medicum es verlanget, dem Theatro Anatomico verabfolget werden.[3] Um 1830 erhielt das Institut jährlich 25 bis 50 Leichen.[4]

Das Rudolphsbollwerk wurde mit dem Bau der heutigen Inselwallpromenade zwischen 1831 und 1835 zu einer Parkanlage, dem heutigen Gaußberg, umgestaltet. Dabei wurde auch die alte Anatomie abgebrochen.[5]

Accouchierhaus

Auf Betreiben Carl Gottlieb Waglers wurde 1767 das seit 1759 geplante Accouchierhaus eröffnet. Diese Entbindungsanstalt befand sich an der Ecke der Wenden- und Wilhelmstraße und ermöglichte insbesondere unverheirateten Frauen eine bessere Entbindung.

Armenkrankenhaus

Datei:Armenkrankenhaus Braunschweig 1780.jpg
Armenkrankenhaus, Wendentor, 1780, Kupferstich von Anton August Beck

Der Bau eines Herzoglichen Armenkrankenhauses wurde 1758 geplant, 1764 begonnen und 1780 von Ernst Wilhelm Horn[6] vollendet. Das zweistöckige Eckhaus an der Wenden- und Wilhelmstraße war dem Accouchierhaus benachbart und diente der Unterbringung der bisher im Siechenhaus St. Leonhard und in Privathäusern untergebrachten Kranken. Die Benutzung stand allen Privatpersonen frei, die eine tägliche Gebühr für Verpflegung, Unterkunft, Arzneimittel sowie medizinische Behandlung zahlen mussten. Die Klinik wurde 1835/36 erweitert und 1843/44 in Herzogliches Krankenhaus umbenannt.

Botanischer Garten

Im Jahre 1828 wurde ein botanischer Garten auf dem westlichen Ufer des Umflutgrabens angelegt.[7] Es wurden zunächst kaum mehr als 200 Pflanzenarten auf knapp 0,9 ha kultiviert. Im Jahre 1836 übernahm Johann Heinrich Blasius den Lehrstuhl für beschreibende Naturwissenschaften. Zu seinen Aufgaben gehörten Vorlesungen in Botanik für die angehenden Wundärzte und die Leitung des noch bescheidenen Anatomiegartens, dessen Artenvielfalt sich unter Blasius erhöhte. Ein neuer botanischer Garten für das Collegium Carolinum wurde 1840 auf dem Gelände des ehemaligen herrschaftlichen Holzhofes angelegt. Der alte Teil des Gartens ging bei der Auflösung der Anatomieschule verloren.

Lehrer

Folgende Lehrer wirkten in chronologischer Reihenfolge am Anatomisch-Chirurgischen Institut:

Schüler

Eine Auswahl bekannter Schüler gibt folgende Liste:

Literatur

  • Karl-Rudolf Döhnel: Anatomisch-Chirurgisches Institut. In: Luitgard Camerer, Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-926701-14-5, S. 17.
  • Karl-Rudolf Döhnel: Das Anatomisch-Chirurgische Institut in Braunschweig, Braunschweiger Werkstücke, Band 19, Braunschweig 1957.
  • Peter Glogner, Annette Boldt-Stülzebach (Hrsg.): Die Krankenhäuser in Braunschweig im Wandel der Zeit, Appelhans Verlag, Braunschweig 2017, ISBN 978-3-944939-27-8.

Weblinks

Commons: Anatomisch-Chirurgisches Institut – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Peter Albrecht: Das Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (1735–1806). In: Horst-Rüdiger Jarck, Gerhard Schildt (Hrsg.): Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region. Appelhans, Braunschweig 2000, ISBN 3-930292-28-9, S. 583f
  2. August Friedrich Wilhelm Crome: Geographisch-statistische Darstellung der Staatskräfte von den sämmtlichen, zum deutschen Staatenbunde gehörigen Ländern. III. Teil. Gerhard Fleischer, Leipzig 1827, S. 42.
  3. Karl-Rudolf Döhnel: Das Anatomisch-Chirurgische Institut in Braunschweig, Braunschweiger Werkstücke, Band 19, Braunschweig 1957, S. 18
  4. Carl Ferdinand Kleinert (Hrsg.): Allgemeines Repertorium der gesammten deutschen medizinisch-chirurgischen Journalistik. Kollmann, Leipzig 1832, S. 399
  5. Gaußbergpark. (braunschweig.de [abgerufen am 16. November 2017]).
  6. Richard Moderhack: Braunschweiger Stadtgeschichte mit Zeittafel und Bibliographie. Braunschweig 1997, ISBN 3-87884-050-0, S. 277
  7. Dietmar Brandes: Botanische Gärten im Braunschweiger Raum, Mitteilungen der TU Braunschweig, Jahrgang XXV, Heft I/1990.

Koordinaten: 52° 16′ 20,5″ N, 10° 31′ 23,8″ O