Andrew Wakefield

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Andrew Wakefield in Warschau 2019

Andrew Jeremy Wakefield (* 1956 oder 1957) ist ein in Großbritannien mit Berufsverbot belegter Arzt, der 1998 mit einer Veröffentlichung in The Lancet, einer der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt, großes Aufsehen sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit erregte. Durch die investigative Arbeit des Journalisten Brian Deer der Sunday Times wurde der Fall Wakefield ins Rollen gebracht. Sein – inzwischen von der Zeitschrift zurückgezogener – impfkritischer Beitrag führte dazu, dass sich weniger Menschen impfen ließen.

Veröffentlichung und Kritik

Der Artikel mit dem Titel Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children[1] (1998) stellte anhand von zwölf Fällen einen Zusammenhang zwischen der Impfung mit dem MMR-Kombinations-Impfstoff, der gegen Mumps, Masern und Röteln eingesetzt wird, und Autismus her. In der Folge fielen die Impfraten insbesondere in Großbritannien deutlich ab.

Nachdem alle unabhängigen Versuche, Wakefields Ergebnisse zu reproduzieren, gescheitert waren, wurde 2004 durch die Nachforschungen von Brian Deer bekannt, dass Wakefield vor der Veröffentlichung von Anwälten, die Eltern autistischer Kinder vertraten, 55.000 £ an Drittmitteln erhalten hatte.[2] Diese suchten Verbindungen zwischen Autismus und der Impfung, um Hersteller des Impfstoffes zu verklagen. Die Gelder waren weder den Mitautoren noch der Zeitschrift bekannt. Daraufhin traten zehn der dreizehn Autoren des Artikels von diesem zurück.[3] Darüber hinaus wurde durch Brian Deer 2006 bekannt, dass die Anwaltskanzlei 435.643 £ an Wakefield zwei Jahre vor Veröffentlichung des Lancet-Papers überwiesen hatte.[4] Im Januar 2010 entschied das General Medical Council, die britische Ärztekammer, dass Wakefield „unethische Forschungsmethoden“ angewandt habe und seine Ergebnisse in „unehrlicher“ und „unverantwortlicher“ Weise präsentiert worden seien. Seine Ergebnisse seien falsch und die Zeitschrift getäuscht worden. The Lancet zog daraufhin Wakefields Veröffentlichung vollständig zurück.[5] In der Folge wurde im Mai 2010 ein Berufsverbot in Großbritannien gegen ihn ausgesprochen.[6] Wakefield kündigte dagegen Berufung an.

Wakefield gab 2001 seine Arbeitsstelle im Royal Free Hospital in London auf und wanderte in die USA aus.[7] Dort eröffnete er 2005 eine Privatklinik, die er im Februar 2010, kurz nachdem seine Studie zurückgezogen wurde, verließ.[8]

2005 veröffentlichte Hideo Honda, ein japanischer Spezialist für Autismus am Yokohama Rehabilitation Center, eine Studie, die auf der Grundlage der Bevölkerung des Kohoku Ward (300.000 Einwohner 2002), eines Bezirks von Yokohama (3,5 Millionen Einwohner), das Auftreten von Autismus bei Kindern bis zu 7 Jahren untersuchte. Das Besondere an dieser Population ist, dass der Gebrauch von MMR als Impfstoff für Einjährige im April 1989 begann und im April 1993 eingestellt wurde. Nach April 1992 geborene Kinder wurden also nicht mehr mit MMR geimpft. Dennoch nahm die Zahl der Autismus-Fälle nach 1993 nicht ab, sondern zu (geb. 1988: 2,0 ‰; 1989: 3,7 ‰; 1990: 5,2 ‰; 1991: 2,7 ‰; 1992: 3,0 ‰; 1993: 5,0 ‰; 1994: 8,7 ‰; 1995: 7,4 ‰; 1996: 8,1 ‰). Daraus schlussfolgerten Honda und Kollegen, dass eine eventuelle Einstellung von MMR-Impfungen in USA oder UK keinen Beitrag zur Minderung von Autismus leisten wird.[9]

2016 drehte Wakefield den als Dokumentation deklarierten Propagandafilm Vaxxed: From Cover-Up to Catastrophe, der zunächst beim Tribeca Film Festival aufgeführt werden sollte, nach Kritik an dieser Entscheidung aber von der Festivalleitung um Robert De Niro, selbst Vater eines autistischen Sohnes[10], aus dem Programm genommen wurde.[11]

Im August 2016 traf Wakefield auf Donald Trump, während dessen Wahlkampf um die US-Präsidentschaft. Trump gilt als Impfskeptiker. So verbreitete er 2014 über Twitter die auf Wakefields Thesen aufbauende Behauptung: Healthy young child goes to doctor, gets pumped with massive shot of many vaccines, doesn't feel good and changes - AUTISM, Many such cases![12][13]

Wakefield ist verheiratet und hat vier Kinder.

Literatur

Dokumentarfilm

Weblinks

Commons: Andrew Wakefield – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Andrew Jeremy Wakefield u. a.: Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children. In: Lancet, 351(9103), 1998, S. 637–641, PMID 9500320
  2. Brian Deer: Revealed: MMR Research Scandal. In: The Sunday Times, 22. Februar 2004.
  3. S. H. Murch u. a.: Retraction of an interpretation. In: Lancet, 2004, 363(9411), S. 750, PMID 15016483
  4. Reiner Luyken: Impfungen: Panik vor dem Piks. In: Die Zeit. 19. April 2007, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 25. März 2018]).
  5. Cinthia Briseño: Zurückgezogene Studie: Das offizielle Ende eines Impf-Skandals. Spiegel Online, 3. Februar 2010.
  6. Forschungsskandal: Britischer Autismus-Arzt erhält Berufsverbot. Spiegel Online, 24. Mai 2010.
  7. Raf Sanchez, David Rose: Dr Andrew Wakefield struck off medical register. In: The Times. vom 25. Mai 2010
  8. John F. Burns: British Medical Council Bars Doctor Who Linked Vaccine With Autism. In: New York Times, 24. Mai 2010, abgerufen am 2. Juni 2010 (englisch).
  9. H Honda, Y Shimizu, M Rutter: No effect of MMR withdrawal on the incidence of autism: a total population study. J Child Psychol Psychiatry. 2005 Jun;46(6):572-9. PMID 15877763
  10. Nina Rehfeld: De Niro zieht Film zurück: Falsche Impfung. In: FAZ.NET. 4. April 2016, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 24. März 2020]).
  11. Tribeca Film Festival Pulls Controversial Anti-Vaccination Documentary bei variety.com, abgerufen am 28. März 2016
  12. Trump-Tweet vom 28. März 2014
  13. Zack Kopplin: Trump met with prominent anti-vaccine activists during campaign. In: sciencemag.org. 8. Dezember 2016, abgerufen am 12. Januar 2017.