Barbara Havliza

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Barbara Havliza (* 13. März 1958 in Dortmund)[1] ist eine deutsche Richterin und Politikerin (CDU). Seit November 2017 ist sie Niedersächsische Justizministerin im Kabinett Weil II und Mitglied des Bundesrates.

Leben

Barbara Havliza besuchte das Mallinckrodt-Gymnasium in ihrer Heimatstadt und legte dort 1976 das Abitur ab.[2] Danach studierte sie Rechtswissenschaften an der Wilhelms-Universität in Münster.

Nach ihrem Referendariat war sie zunächst als Rechtsanwältin in Osnabrück und ab 1987 als Richterin und Staatsanwältin in den Landgerichtsbezirken Oldenburg und Osnabrück tätig. Im Jahr 1995 gehörte sie als Beisitzerin der III. Großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück an, die Bernhard M. trotz dessen Unschuldsbekundungen wegen Vergewaltigung seiner Nichte in vier Fällen zu einer viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilte.[3] Dieses Urteil wurde, nachdem der Verurteilte seine Haftstrafe vollumfänglich verbüßt hatte, im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens durch das Landgericht Oldenburg aufgrund eklatanter Mängel, die bereits während der ursprünglichen Gerichtsverhandlungen erkennbar gewesen seien, aufgehoben und Bernhard M. rehabilitiert (sog. Justizirrtum um Adolf S. und Bernhard M.). Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußerte sich Havliza dazu rückblickend: „Das zeigt, wie fehlbar man ist. Deswegen stehe ich zu meiner Überzeugung: Lieber einen zu Unrecht freisprechen als einen zu Unrecht verurteilen.“

Im Jahr 2001 wurde sie zur Vorsitzenden Richterin am Landgericht Osnabrück ernannt und war dort unter anderem Vorsitzende einer Schwurgerichtskammer. In dieser Funktion war sie auch mit Rocker-Kriminalität befasst.[4] Im Jahr 2007 wurde sie Direktorin des Amtsgerichts Bersenbrück.[2]

Zwischen 2007 und 2017 war Havliza Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Senat für Staatsschutzsachen, ab 2010 als Vorsitzende. Im Jahr 2012 trat sie die Nachfolge von Ottmar Breidling als Vorsitzende im renommierten sechsten Staatsschutz-Senat an. In ihrer Zeit als Vorsitzende leitete Havliza mehrere bedeutende Prozesse, etwa jene gegen die mutmaßlichen Al-Qaida-Terroristen der „Düsseldorfer Zelle[5], gegen den Attentäter auf Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker[6] sowie gegen einen Syrienrückkehrer aus der Lohberger Brigade[7]. Unter dem Vorsitz von Havliza verurteilte der sechste Senat erstmals auch die Ehefrau eines Dschihadisten wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.[8] Als Beisitzerin hatte Havliza bereits im Jahr 2010 die Mitglieder der sog. Sauerland-Gruppe abgeurteilt.[9] Mehrfach war Havliza das Ziel von Morddrohungen aus dem islamistischen Spektrum.[10]

Medienbeobachter beschrieben die Prozessführung Havlizas als effizient und mit einem guten Gespür für die Gefühlslage der Angeklagten. Ihre Urteile wurden als eher hart bewertet.[11][12] Der frühere nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) nannte sie „das Gesicht gegen den Terror“.[13]

Barbara Havliza ist römisch-katholisch, verheiratet und hat zwei Kinder.

Politik

Im Wahlkampf vor der Landtagswahl in Niedersachsen 2017 gehörte Barbara Havliza dem Schattenkabinett der CDU an.[14] Nach der Wahl und den Koalitionsverhandlungen mit der SPD wurde sie von Bernd Althusmann als Justizministerin in der neuen großen Koalition nominiert und trat das Amt am 22. November 2017 an.

Havliza setzt sich u. a. für mehr Sicherheit an den Gerichten, ein Verbot religiöser Symbole auf der Richterbank[15], schnellere Verfahren im Jugendstrafrecht sowie die Einschränkung einer Vollverschleierung vor Gericht ein.[16] Sie ist eine der ersten Justizpolitikerinnen in Deutschland, die sich auch für eine juristische Aufarbeitung der im September 2018 veröffentlichten sog. Missbrauchsstudie der katholischen Kirche einsetzt.[17][18] Auf ihre Initiative hin wurden bei vier niedersächsischen Staatsanwaltschaften Sondereinheiten im Kampf gegen Clan-Kriminalität gebildet.[19] In ihre Amtszeit fällt zudem die Einrichtung der „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet“ bei der Staatsanwaltschaft Göttingen.[20] Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Stärkung des Betreuungswesens und in dem Anliegen, mit einer Vorsorgevollmacht der richterlichen Anordnung einer Betreuung vorzubeugen. Unter ihrer Schirmherrschaft fand im Jahr 2019 erstmals an fast allen Amtsgerichten in Niedersachsen ein Tag des Betreuungsrechts statt.[21]

Im September 2018 wurde Havliza mit 94,7 Prozent Zustimmung zur Schatzmeisterin in der CDU in Niedersachsen gewählt.[22] Im November 2019 war sie als Nachfolgerin von Ursula von der Leyen als stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU im Gespräch; nominiert und gewählt wurde letztlich die Bundestagsabgeordnete Silvia Breher.[23] Im Zuge der Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Parteivorsitzenden wurde Havliza am 22. Januar 2022 in den 26 Köpfe umfassenden Bundesvorstand der CDU gewählt.[24]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gabriele Andretta (Hrsg.), Referat für Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Protokoll: Landtag Niedersachsen. Handbuch des Niedersächsischen Landtages der 18. Wahlperiode. 2017 bis 2022, 1. Auflage, Hannover: Niedersächsischer Landtag, 2018, S. 56
  2. a b Barbara Havliza, abgerufen am 14. Juli 2018.
  3. Neues Magazin "Spurensuche": Wahre Verbrechen aus dem Osnabrücker Land und dem Emsland. Abgerufen am 5. März 2019.
  4. Nordwest-Zeitung: KRIMINALITÄT: Rocker-Boss tötet aus Notwehr. In: NWZonline. (nwzonline.de [abgerufen am 17. Oktober 2018]).
  5. Franziska Hein: Düsseldofer Altstadt: Prozess um geplantes Selbstmord-Attentat des IS startet. Abgerufen am 24. Januar 2018.
  6. Hendrik Pusch: Urteil: Darum bekam Reker-Attentäter Frank S. (44) kein „lebenslänglich“. In: Express.de. (express.de [abgerufen am 24. Januar 2018]).
  7. Reiner Burger: Syrienrückkehrer vor Gericht: Ein wertvoller Angeklagter. In: FAZ.NET. 20. Januar 2016, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 24. Januar 2018]).
  8. IS-Helferin aus Bonn verurteilt. Abgerufen am 30. Januar 2018.
  9. Südwest Presse Online-Dienste GmbH: Düsseldorf: Islamisten bedrohen Düsseldorfer Richterin Barbara Havliza. In: swp.de. 17. August 2016 (swp.de [abgerufen am 24. Januar 2018]).
  10. Christian Schwerdtfeger: Barbara Havliza aus Düsseldorf gewährt Einblick: Richterin trotzt der Bedrohung. Abgerufen am 24. Januar 2018.
  11. Barbara Havliza ist Justizministerin in Niedersachsen | Sauerländische Erzählungen. Abgerufen am 24. Januar 2018 (deutsch).
  12. Annette Ramelsberger: Gerechtigkeit. In: sueddeutsche.de. 2018, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 24. Januar 2018]).
  13. Johannes Nitschmann: Ein knallharter Job. Abgerufen am 7. Februar 2020.
  14. Peter Mlodoch: CDU-Spitzenkandidat Althusmann stellt weitere Schattenminister vor. (weser-kurier.de [abgerufen am 17. Oktober 2018]).
  15. Rundblick: "Die Justiz darf nicht den Hauch eines Zweifels ihrer Neutralität hinnehmen". Abgerufen am 17. Oktober 2018.
  16. Justizministerin Barbara Havliza stellt politische Agenda vor | Nds. Justizministerium. Abgerufen am 24. Januar 2018 (deutsch).
  17. Rundblick: Politikerin der Woche: Barbara Havliza. Abgerufen am 17. Oktober 2018.
  18. Rundblick: Hildesheimer Bischof will im Missbrauchs-Skandal die Akten öffnen. Abgerufen am 17. Oktober 2018.
  19. Justiz geht stärker gegen Clankriminalität vor | Nds. Justizministerium. Abgerufen am 24. Januar 2022.
  20. Justiz stellt sich gegen Hass und Hetze im Internet | Nds. Justizministerium. Abgerufen am 24. Januar 2022.
  21. Save the date: 23. September 2019 – Niedersachsenweiter Tag des Betreuungsrechts | Nds. Justizministerium. Abgerufen am 13. Dezember 2019.
  22. Richterin Barbara Havliza. In: F.A.Z. Einspruch. (faz.net [abgerufen am 17. Oktober 2018]).
  23. Reinhard Bingener, Hannover: Stellvertretende CDU-Chefin: Die erstaunliche Karriere der Silvia Breher. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 13. Dezember 2019]).
  24. CDU-Parteitag: Jens Spahn mit schwachem Ergebnis ins Präsidium gewählt - DER SPIEGEL. In: Der Spiegel. 22. Januar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 24. Januar 2022]).