Benutzer:Markus Ringler/Familienrat (Soziologie)

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Der Familienrat ist ein regelmäßiges Treffen aller Familienmitglieder. Die Versammlung ist ein Forum, auf dem alle Familienmitglieder offen sprechen können, ohne unterbrochen zu werden und in dem sie die Freiheit haben, sich auszudrücken, wie sie es wollen, ohne Furcht vor Konsequenzen und ohne Rücksicht auf Alter und Rolle in der Familie. Der Familienrat bietet den Familienmitgliedern eine Möglichkeit, einander als Partner zu erleben, er ist ein Weg zu Gleichwertigkeit und gegenseitigem Respekt [1].

Das Modell hat Ähnlichkeiten zu Gordons Familienkonferenz.


Geschichte und Hintergrund

Der Arzt und Therapeut Rudolf Dreikurs (1897-1972) hat lange in der Familientherapie gearbeitet und aus seinen Erfahrungen eine Methode entwickelt, die eine kooperative Familienatmosphäre als Ideal sieht und ein freundliches Miteinander ermöglicht.

Als Grundlage für den Familienrat diente Rudolf Dreikurs die Individualpsychologie von Alfred Adler (1870-1937), die ein betont positives Menschenbild vertritt. Dreikurs sah den Menschen als ein soziales Wesen, dessen größtes Verlangen es ist, zu einem „Ganzen“ zu gehören. Nur im Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft könne ein Mensch wirken, teilnehmen und seinen sinnvollen Beitrag leisten und nur im Gefühl der Gleichwertigkeit, können Menschen sich ihres Platzes in der Gemeinschaft sicher sein und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickeln. Alfred Adler nannte diese grundlegende Sehnsucht des Menschen „Gemeinschaftsgefühl“ und meinte damit die Fähigkeit, Mitverantwortung in der Gesellschaft zu tragen.[2] [3]. Rudolf Dreikurs entwickelte aus dieser Perspektive Grundprinzipien einer humanen und demokratischen Erziehung.

Im Buch „Soziale Gleichwertigkeit“ wird das Menschenbild von Rudolf Dreikurs beschrieben: „Zu unseren Kindern reden bedeutet, ihnen zu sagen, wie wir alle Dinge getan haben wollen. Mit unseren Kindern reden heißt, zusammen nach Lösungen zu suchen, was getan werden kann, um ein Problem zu meistern oder eine Situation zu verbessern.“

Der österreichische Systemdenker und Autor Kambiz Poostchi (geb. 1948) schreibt in seinem Buch „Spuren der Zukunft“: „Gleichwertigkeit und Partnerschaftlichkeit beginnen auch damit, dass Mann und Frau Seite an Seite die Belange der Familie leiten und zu deren Wohl beitragen. Der Übergang von der paternalistischen Familienstruktur zur partnerschaftlichen Form mag nicht allen Ehepaaren leicht fallen, da dies nicht nur Gleichberechtigung von Mann und Frau beinhaltet, sondern in zunehmendem Maße den tiefen Respekt für die Rechte der Kinder einschließt“. [4]

Jede Familie ist ein individuelles System, Kinder sind Teil dieses Familiensystems. Alle Familienmitglieder lernen je nach Reifeentwicklung Verantwortung zu übernehmen für sich selbst, für andere in der Familie und für die Gemeinschaft. Jeder entwickelt so sein Gemeinschaftsgefühl, seine Kooperationsfähigkeit. „Die Fähigkeit eines Menschen zur Kooperation kann als Maßstab für sein Gemeinschaftsgefühl angesehen werden.“ [5] Kinder und Erwachsene haben die Kompetenz zu lernen, dass das Wohl des Einzelnen davon abhängt, wie es dem System Familie als Ganzes geht und dass jeder dazu etwas beitragen kann. Diese Sicht führt weg von einer Beziehung unter den Voraussetzungen „ich gebe dir dies, dafür bekomme ich das“ hin zu einer systemischen Basis: „Wir geben 100% für die Gemeinschaft und jeder einzelne profitiert davon“. In menschlichen Sozialsystemen (wie der Familie) erwächst Einheit aus dem gemeinsamen Bewusstsein, Teil eines größeren Sinn erfüllenden Ganzen zu sein. [6]

Virginia Satir (1916-1988), eine anerkannte amerikanischen Familientherapeutin, sah die Familie als wertvolle kleinste Einheit der Gesellschaft: „Alle existierenden Familien bilden zusammen die Gesellschaft. So einfach ist das.“ Daraus abgeleitet kann der Ansatz einer Entwicklung von kommunikativen Fähigkeiten und Erlernen von Mitverantwortung und Gleichwertigkeit im Rahmen des Familiensystems als ein probater Ansatzpunkt zur Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes gesehen werden. „Unsere Beziehungen werden in zunehmendem Maß von Kooperation, Wahlfreiheit, befähigender Anleitung und einem echten Verständnis eines umfassenderen Menschseins geprägt.“ Satir empfahl zur Verbesserung der Familienorganisation eine „Familien-Temperaturmessung“ in regelmäßig stattfindenden Sitzungen nach bestimmten Regeln, ähnlich dem Konzept von Rudolf Dreikurs. [7]

Menschenbild im Familienrat

  • Der Mensch ist ein soziales Wesen. Sein Selbstwertgefühl und sein Wohlbefinden hängen davon ab, ob er sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlt.
  • Alle Menschen wollen mitarbeiten und mitgestalten, wenn man ihnen eine Chance dazu auf Augenhöhe gibt.
  • Alle Menschen sind gleichwertig, nicht gleich. Jeder Mensch hat den gleichen Wert. Gleichwertigkeit ist unabhängig von Alter und Stellung (in der Familie).
  • Jeder Mensch ist zu Kooperation fähig. Jedes menschliche Verhalten verfolgt primär eine positive Absicht und ist zielgerichtet.
  • Jeder Mensch kann nur sein eigenes Handeln lenken und ändern, beeinflusst damit aber das Verhalten anderer. Jeder Mensch ist für sein Handeln und seine Entscheidungen verantwortlich.
  • Offenheit, Respekt und Toleranz für andere Sichtweisen ermöglichen das Nützen der Vielfalt und ein Leben in Fülle.
  • Unvollkommenheit gehört zum Menschsein. Der wertschätzende Umgang und die Annahme eigener und fremder Fehler bildet die Grundlage für ein wohlwollendes Miteinander.

Diese Haltungen stehen hinter dem Familienrat ebenso wie dem Klassenrat in Schulen und einem Verwandtschaftsrat oder Gruppenrat. Sie können als Basis für Besprechungen und Beratungen im Allgemeinen Verwendung finden.

Merkmale und Regeln

Diese Regeln bilden ein Grundgerüst, mit dem eine Familie einen Familienrat in Gang setzen kann. Am Beginn steht eine Experimentierphase, in der sich zeigt, ob eine Familie alle diese Regeln braucht oder auch welche hinzufügen muss. Jede Familie benötigt eine individuelle gemeinsame Gestaltung der Beratungen und auch Anpassungen der vereinbarten Regeln. Jede Familie legt diese gemeinsam fest und sie gelten für alle in gleicher Weise.

Funktionen

  • Leitung (Moderation, Vorsitz)

Jeweils ein Mitglied übernimmt im Wechsel die Leitung der Treffen. Die Leitung ist verantwortlich dafür, dass die Regeln eingehalten werden.

  • Protokollführung (Schriftführung)

Jeweils ein Mitglied führt im Wechsel das Protokoll. Im Protokollbuch werden Ergebnisse jeder Beratung festgehalten.

  • Zusätzliche Funktionen

Je nach Erfordernis und individuellen Bedürfnissen in einer Familie können zusätzliche Funktionen vereinbart werden. So kann bespielweise ein „Zeremonienmeister“ den Besprechungsrahmen gestalten, zum Familienrat einladen und die Familienmitglieder an den Termin erinnern.

Teilnahme

Alle Familienmitglieder können am Familienrat teilnehmen. Die Teilnahme ist freiwillig, aber die Beschlüsse gelten für alle. Gerade dafür ist große Achtsamkeit geboten. In manchen Familien leben auch Großeltern oder sonstige Verwandte, die je nach Situation möglicherweise teilnehmen können.

Regelmäßigkeit

Wie häufig man sich zum Familienrat trifft, hat die jeweilige Familie zu entscheiden [8]. Die Teilnahme soll für alle möglich sein. Dreikurs empfahl, sich einmal in der Woche zu treffen. Der Abstand kann auch größer sein. Die Verantwortung für das Zustandekommen liegt bei jedem einzelnen.

Tagesordnung/Ablauf

Der Familienrat hat eine klare Struktur mit einer Tagesordnung bzw. einem festgelegten Ablauf.

  • Atmosphäre

Ein angenehmer Rahmen für den Familienrat ermöglicht eine gute Stimmung, dies erleichtert einen guten Einstieg.

  • Blick auf das Positive

Jeder Familienrat beginnt mit einer sogenannten Ermutigungsrunde, in der Positives aus dem Alltag berichtet wird. Dabei wird auf die ermutigenden Qualitäten Bedacht genommen werden, so wie sie Theo Schoenaker beschreibt. [9]

  • Themenwahl

Im Familienrat werden Themen besprochen, die alle in der Familie betreffen und die nicht von den Eltern alleine entschieden werden müssen. Die Themen werden dem Alter der Kinder angepasst, müssen jedoch auch eine Herausforderung sein und Interesse wecken. Trotzdem bleiben Themen bestehen, die die Eltern als Führung der Familie allein entscheiden müssen und nicht Thema im Familienrat werden.

  • Gemeinsame Entscheidungen

Jedes Mitglied darf ausreden. Jeder Beitrag ist es wert, gehört zu werden. Jeder kann einen Vorschlag machen und seine Meinung zu den Vorschlägen der anderen äußern. Eine sorgfältige Beratung ist Teil einer wirksamen Entscheidung. Diese sollte nach Möglichkeit einstimmig sein. Jedoch wird auch das Erlernen einer demokratischen Zustimmung bzw. das Anerkennen einer Mehrheit als ein Lernprozess gesehen. Die Entscheidungen sind am wirksamsten, wenn sie ein Gewinn für alle sind und auf das Wohl aller ausgerichtet sind. [8] [1]

  • Abschluss

Am Schluss steht die Vereinbarung eines nächsten Familienrat-Termins und die Klärung der Verantwortung für eine Erinnerung daran. Ein wertschätzender und positiver Gedanke kann ein klares Ende darstellen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Rudolf Dreikurs, Familienrat – Der Weg zu einem glücklichen Zusammenleben von Eltern und Kindern, 2. Auflage 2003,Seite 23, Klett-Cotta Verlag Stuttgart, ISBN 3-608-94242-4, Originalausgabe unter „Family Council“ 1974
  2. Rudolf Dreikurs, Soziale Gleichwertigkeit - Die Forderung unserer Zeit, Ernst Klett Verlag Stuttgart, 1972, Seite 11, ISBN 3-12-901960-X
  3. Rudolf Dreikurs, Grundbegriffe der Individualpsychologie, Verlag Klett-Cotta, 13. Auflage 2013, Seite 23, ISBN 978-3-608-90107-8
  4. Kambiz Poostchi, Spuren der Zukunft – vom Systemdenken zur Teampraxis, Terra Media Verlag 2006, Seite 342, ISBN 3-89483-111-1
  5. Rudolf Dreikurs, Grundbegriffe der Individualpsychologie, Verlag Klett-Cotta, 13. Auflage 2013, Seite 24, ISBN 978-3-608-90107-8
  6. Kambiz Poostchi, Der Sinn für das Ganze – Von der fragmentierten Gegenwart zur systemischen Zukunft, Osyspublishing Austria 2013, Seite 28, ISBN 978-3-9503695-0-2
  7. Virginia Satir, Kommunikation – Selbstwert – Kongruenz, Konzepte und Perspektiven familientherapeutischer Praxis, 8. Auflage 2010,Seite 457 und 487, Junfermann Verlag, ISBN 978-3-87387-018-5
  8. a b Familienrat nach R. Dreikurs, Sonderheft, LICHTBLICK - Magazin für praktizierte Individualpsychologie, Mai 2012, Herausgeber: Vorstand des Vereins für praktizierte Individualpsychologie e.V. (VpIP), Stuttgart
  9. Theo Scheonaker, Mut tut gut – Das Encouraging Training, 9. Überarbeitete und erweiterte Auflage, RDI-Verlag 2000, ISBN 978-3-932708-15-2

Kategorie:Familie