Benutzer:Otfried Lieberknecht/26
(Entwurf)
Kauderwelsch (das Kauderwelsch, ein Kauderwelsch, kauderwelsch sprechen, auch als Verb kauderwelschen) ist eine abwertende Bezeichnung für eine schwer verständliche, fremde oder mit fremden Elementen durchsetzte Sprache oder Sprechweise.
Etymologie
Der zweite Bestandteil wird zurückgeführt auf welsch, wälsch (mhd. walch) als deutsche Bezeichnung für die romanischsprachigen Nachbarvölker und deren Sprachen (Französisch, Italienisch, Rätoromanisch), als Adjektiv in verallgemeinernd erweiterter Bedeutung "unverständlich, fremd". Die Herkunft des ersten Bestandteils Kauder- ist nicht sicher geklärt. Die folgenden Herleitungen sind in der Diskussion:
- A)[1] Von kaudern, kudern, kodern "unverständlich reden, lallen, plappern"[2] (vgl. mhd. kiuten "sprechen, schwatzen")[3].
- B)[4] Von kaudern "Zwischenhandel treiben, makeln"[5] (vgl. mhd. kiuten, kûten "tauschen")[6], Kauderer "Wucherer, Wucherhändler"[7], so daß ursprünglich die Sprache reisender italienischer Händler, Hausierer und Geldwechsler gemeint gewesen wäre.
- C) von Kauder, Kuder, einem oberdeutschen Wort unklarer Herkunft, das "Werg, (Faser-) Reste, Abfall", auch "Hanf" oder "Flachs" bedeutet[8], mit Kauderer, Kuderer "Werghändler, Flachsschwinger, Flachshändler"[9], so daß mit Kauderwelsch ursprünglich die Sprache italienischer Werg- oder Flachshändler gemeint gewesen wäre. Die Erklärungen des Typs B und C gehen zuweilen ineinander über, wenn als Etymon B angesetzt, die vermuteten Werg- oder Flachshändler aber als Hausierer aufgefaßt werden.[10]
- D)[11] von Chur, dem Namen der Hauptstadt Graubündens, der schon im 11. Jahrhundert im benachbarten Tirol unter Diphthongierung des langen û als Kauer ausgesprochen worden sei und in der Verbindung mit welsch zur Bezeichnung der churwelschen Sprache Kaurerwelsch und unter dem Einfluß von kaudern "unverständlich reden" (A) oder "Zwischenhandel treiben" (B) Kauderwelsch ergeben habe, so daß ursprünglich das Bündnerromanische aus der Gruppe der rätoromanischen Sprachen gemeint gewesen wäre
Die ältesten Belege für das Kompositum sind urkundlich bezeugte Personennamen, nämlich die Beinamen eines 1247 bezeugten Tuchscherers ("schorre") Hermannus Kudirwale in Köln[12], eines 1379 als Bürger von Rain am Lech bezeugten Berchtold Khawderwalch[13] und eines 1440 als Schreiber einer Handschrift und Frühmessner bezeugten Hermann Kawderwalch in Heidingsfeld, dem heutigen Stadtteil von Würzburg[14]. Für den Kölner Beinamen von 1247, sofern er im dortigen Sprachgebiet entstand, kommt eine Herleitung aus den nur oberdeutsch belegten Wörtern für "Zwischenhandel treiben" (B) und "Werg" (C) weniger in Betracht als die aus dem auch für mitteldeutsches und speziell moselfränkisches Gebiet belegten Wort für "unverständlich reden" (A),[12] wenn man nicht stattdessen mit einer noch ohne Kenntnis dieses frühen Belegs aufgekommenen und später ohne Erläuterung der lautlichen Entwicklung auf ihn ausgedehnten Deutung[15] alle Träger dieses Beinamens (oder im Falle eines ererbten Familiennamens deren Vorfahren) als zugewanderte "Churwelsche" (D), d.h. Rätoromanen, zu verstehen hat.
Einzelnachweise
- ↑ Vertreten von Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. unveränd. Nachdruck, Trübner, Straßburg 1884, S. 155, Art. "Kauderwelsch"
- ↑ Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Sp. 307f., Art. "kaudern, 1) schreien, 2) plappern" (Lieferung von 1865, online, Sp. 2531, Art. "kudern, 1) weidm." (online); Rheinisches Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 309, Art. "kaudern" (online), Sp. 1109, Art. "kodern" (online)
- ↑ Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Band 1, Hirzel, Leipzig 1872, S. 1593, Art. "kiuten" online)
- ↑ Vertreten von Josef Maria Wagner, Rotwelsche Studien, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Jg. XVIII, Bd. 33 (1863), S. 197-246, hier S. 200-202; Johannes Siebert, Zur Wortkunde, in: PBB 65 (1941), S. 214-219, S. 215-219 (II. Kauderwelsch); Siegmund A. Wolf, Wörterbuch des Rotwelschen, Bibliographisches Institut, Mannheim, 1956, S.9
- ↑ Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Sp. 307, Art. "kaudern, zwischenhandel treiben" (Lieferung von 1865, online)
- ↑ Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Band 1, Hirzel, Leipzig 1872, S. 1594, Art. "kiuten, kûten" (online)
- ↑ Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Sp. 307, Art. "Kauderer, m. wucherer" (Lieferung von 1865, online)
- ↑ Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Sp. 306f., Art. "Kauder" (Lieferung von 1865, online)
- ↑ Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Sp. 307, Art. "Kauderer, m. schwäb. Werchhändler" (Lieferung von 1865, online)
- ↑ Vgl. Johannes Siebert, Zur Wortkunde, in: PBB 65 (1941), S. 214-219, S. 215 zu Kluge, Götze und Euling
- ↑ Als Etymologie zuerst vertreten von Johann Leonhard Frisch, Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch, Nicolai, Berlin 1741, S. 503, Art. "Kauder" (Digitalisat bei Google Books), aufgegriffen und weiterentwickelt u.a. von Robert von Planta, Über die Sprachgeschichte von Chur, in: Bündnerisches Monatsblatt 1931, S. 97-118, S. 101f.; Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 16. Aufl., bearb. von Walther Mitzka, de Gruyter, Berlin 1967, S. 359; Hermann Paul, Deutsches Wörterbuch, 9. vollst. neu bearb. Aufl. von Helmut Henne, Niemeyer, Tübingen 1992, S. 452; Duden. Das Herkunftswörterbuch (= Duden, Band 7), 4. neu bearb. Aufl., Dudenverlag, Mannheim u.a. 2007, S. 398
- ↑ a b Sven Hagström, Kölner Beinamen des 12. und 13. Jahrhunderts (= Nomina Germanica, 8), Teil I, Appelberg, Uppsala 1949, S. 158f.
- ↑ Monumenta Schoenfeldensia Nr. CLXXVII, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Monumenta Boica, Band XVI, München 1795, S. 449f., hier S. 450
- ↑ Kurt Hans Staub, Geschichte der Dominikanerbibliothek in Wimpfen am Neckar (ca. 1460-1803) (= Studien zur Bibliotheksgeschichte, 3), Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1980, S. 24
- ↑ Vgl. Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 16. Aufl., bearb. von Walther Mitzka, de Gruyter, Berlin 1967, S. 359; Wolfgang Fleischer, Die deutschen Personennamen, 2. durchges. und erg. Aufl., Akademie-Verlag, Berlin 1968, S. 155