Benutzer Diskussion:Fundriver/Archiv/2014/Jan

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Winterthur vor und nach 1878

Hallo Fundriver, ich beschäftige mich gerade mit Ernst Georg Jung, einem Architekten, der vor etwa 145 Jahren nach Winterthur übergesiedelt ist und dort bald sehr erfolgreich war. Ich glaube, man kann ihn als Gewinner der Auseinandersetzung zwischen Demokraten und Freisinn bezeichnen, ich weiss aber gerade dennoch nicht, wie das einzuordnen ist bzw. auf welcher Seite er überhaupt stand (die ja wohl auch gar nicht so eindeutig Winterhur vs. Zürich war, sondern komplexer). Möglicherweise wird das für den Artikel auch gar nicht bedeutsam sein. Hast Du dennoch Lust, bei Gelegenheit mir da mal über die Schulter zu schauen? Als Nicht-Schweizer bin ich in dem Kapitel nicht so firm. 1871, sein erster grösserer Auftrag, war jedenfalls gleich die Kernanlage der schweizerischen Lokomotivfabrik, nachdem er ja bereits zuvor als Bauführer eines Berner Architekten die Villa Bühler-Egg errichtet hatte. Stutzig gemacht hat mich das Kapitel im INSA, das – wohl im Gefolge der Planung des Stadthauses oder der Demission des Stadtbaumeisters Bareiss – diesen Konflikt erwähnt: «Ernst Jung ist der Architekt der Industriellen, die nun, nach dem Bankrott der demokratischen Politik, zur bestimmenden Kraft der Stadt werden.» Den Bankrott hab ich gefunden, gemeint ist ja wohl der Zusammenbruch der SNB 1878 und die Überwälzung der Lasten auf die Stadt. Ansonsten bin ich in dem Thema aber noch nicht drin, kannst Du mir da Literatur empfehlen? Gruss --Port(u*o)s 12:48, 7. Jan. 2014 (CET)

Uff gute Frage, vor allem wie der Satz zu verstehen ist, also ob die Industriellen oder Jung nun bestimmende Kraft wird. Ich weiss nicht was du genau für Literatur suchst, ansonsten ergibt auch eine kurze Suche im Webkatalog der Winterthurer Bibliotheken ein paar Treffer (wirst ihn übrigens eher als Ernst Jung finden, ohne das Georg): [1].
In Winterthur war er gesellschaftlich auf jeden Fall ziemlich bedeutend: Als Architekt natürlich für x bedeutende Bauten Villen und so verantwortlich Gründungsmitglied der GEbW 1872 (Gesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser [2]), deren Präsident von 1907-1911, Präsident des Musikkollegium von 1873-75 (während dieser Zeit wurde die Musikschule gegründet), Präsident vom Kunstverein Winterthur 1877-1907, Präsident des Schweizerischen Kunstverein 1899-1905 und Präsident des Schweizerischen Feuerwehrvereins 1889 bis zu seinem Tod. Auch hat er die Winterthur Versicherungen mitgegründet und war dort VR-Präsident von 1884 bis 1912. Redaktor des Schweizerischen Gewerbeblatts. Von 1880 bis 1889 war er übrigens noch im Grossen Rat, aber keine Ahnung für welche Partei. Übrigens gehörte er der Freimaurerloge Akazia an. (Quelle dieser Angaben hauptsächlich: Im Orient von Winterthur - Freimaurer und die Architektur von Winterthur, Winterthur 2005 - Das Buch widmet Ernst Jung ein eigenes Kapitel als Architekt und Freimaurer.)
Sonst noch der Artikel auf Winterthur Glossar zu ihm: [3] und der Eintrag im HLS: [4] Greets fundriver Was guckst du?! Winterthur! 20:22, 9. Jan. 2014 (CET)
Hallo Fundriver, danke für die Antwort, die war mir doch durchgerutscht. Ich habe den Satz schon so verstanden, dass die Industriellen das Ruder übernehmen, nachdem die Demokratische Partei den Schuldenberg Winterthurs aufgetürmt hat. Andererseits hatte ich es auch so verstanden, dass die Industriellen eigentlich mit auf der Seite der Demokraten investiert hatten – und somit selbst in der Tinte sitzen müssten. Aber vielleicht war es ja wie so oft: Gewinne wurden privatisiert, Verluste sozialisiert. Gruss und danke! Port(u*o)s 11:16, 14. Jan. 2014 (CET)
Also ganz gekürzt heruntergebrochen kann man es wohl so sagen: Die Demokraten (mit Hochburg in Winterthur) und Freisinnigen (stark in der Stadt Zürich) waren zu der Zeit absolute Gegner, während die Demokraten genau staatliche (Prestige-)Projekte befürworteten und auch die Demokratisierung der Schweiz/des Kantons vorantrieben, was mitunter in einer Totalrevision der Bundesverfassung mündete (Ecole de Winterthour), haben die Freisinnigen von alle dem nichts gehalten. So hatte das SNB-Projekt z.B. bewusst auch zum Ziel ne Verbindung zwischen Bodensee und Genfersee unter Ausschluss von Zürich zu erstellen. Ändert übrigens nichts daran, dass wohl beide Parteien, Demokraten und Freisinnige, zum etablierten Bürgertum gehörten und später auch zur Freisinnig-Demokratischen Partei fusionierten - von den damaligen Positionen der Demokraten ist bei der heutigen FDP in der Schweiz auf jeden Fall nix mehr zu spüren.
PS: Da die SNB-Konkursmass völlig unter Wert verkauft wurde (12,4% des Wertes!!), an der die Stadt auch mitbeteiligt war, hatte Winterthur noch bis 1954 an den Schulden zu knabern. In dem Sinne hat die NOB des freisinnigen Alfred Escher, die dazumals die Konkursmasse aufgekauft hat, einen Teil des Kaufpreises an den Staat versozialisiert (das ist jetzt mein Kommentar dazu)fundriver Was guckst du?! Winterthur! 13:28, 14. Jan. 2014 (CET)
Ja, ist spannend, sich so langsam in geschichtliche Zusammenhänge der Schweiz anhand dieser Architektenbiografien einzuarbeiten. Danke und Gruss, --Port(u*o)s 21:39, 14. Jan. 2014 (CET)