Bestandsverzeichnis

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Ein Bestandsverzeichnis ist ein Verzeichnis eines Bestandes. Im Recht ist die Erstellung und Führung eines Bestandsverzeichnisses in vielen Fällen vorgeschrieben. Dazu gehört auch das Bestandsverzeichnis, das im deutschen Grundbuchrecht der erste Teil des Grundbuchblatts ist, in welchem die Grundstücke oder grundstücksgleichen Rechte mit den vom amtlichen Kataster vorgegebenen Katasterangaben eingetragen werden. Auch für Verwaltungszwecke werden häufig Bestandsverzeichnisse erstellt. Außerdem werden Bestandsverzeichnisse besonders für Kulturgüter eingerichtet.

Geschichte

Der deutsche Begriff „Bestandsverzeichnis“ ist wird erst am Ende des 19. Jahrhunderts gebildet. Auf dem Gebiete des Rechts wird bis weit ins 19. Jahrhundert hinein von Inventar gesprochen.[1] Erst der erste Entwurf für das zum 1. Januar 1900 in Kraft getretene BGB von 1888 legt in § 777 allgemeine Regeln für ein „Verzeichniß des Bestandes“ fest. In die Endfassung wurden die Regeln als § 260 aufgenommen. Eine etwas spätere Verwendung des daraus abgeleiteten Kompositums „Bestandsverzeichnis“ findet sich in der Mietordnung für Wohnungen in eisenbahnfiskalischen Gebäuden der sächsischen Staatseisenbahnen vom 23. September 1898.[2]

Motive

Motive und Beweggründe zur Aufstellung von Bestandsverzeichnissen sind vielfältig. Grundlegend ist der Bedarf, eine Kontrolle über den Bestand der verzeichneten Gegenstände usw. zu erlangen. Durch die Verzeichnisse wurde die Aufdeckung von Diebstählen und Unterschlagung erleichtert und eine Beweisführung im Streitfall ermöglicht. Auch für die Durchsetzung und die Abwehr privatrechtlicher Ansprüche Berechtigter gegen den verzeichneten Bestand oder den Inhaber des Bestandes konnte durch ein Bestandsverzeichnis eine Grundlage geschaffen werden.[3] Dazu zählt insbesondere die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs bei einer Vindikationslage. Weiterhin soll die Erfüllung der Auskunftspflicht ermöglicht werden.

Im Rechnungswesen dient die Erstellung von Bestandsverzeichnissen einerseits der internen Dokumentation, um Daten für die Planung und Steuerung des Unternehmens zu erhalten. Andererseits kann dadurch auch die Pflicht, Außenstehenden Rechenschaft über das Unternehmen und seine Aktivitäten zu unterrichten, erfüllt werden. Besonders von Seiten des Staates werden vielfältig Bestandsverzeichnisse vorgeschrieben, um die Erfüllung der staatlichen Pflichten, insbesondere die Steuerpflicht, überwachen und sicherstellen zu können.

Die Erstellung von Bestandsverzeichnissen für Kulturgut in Archiven und Museen ist ein Teil der Erschließung und soll die interne und externe Nutzung der Bestände ermöglichen oder erleichtern.

Recht

Bürgerliches Recht

Nach § 260 BGB wird jeder, der einen Inbegriff von Gegenständen (Sachinbegriff) herauszugeben hat, oder Auskunft über den Bestand eines solchen Inbegriffs zu erteilen, verpflichtet, dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen. Der Ausdruck „Verzeichnis des Bestands“ wird in der juristischen Fachsprache häufig zu dem Kompositum „Bestandsverzeichnis“ verkürzt.[4]

In folgen Fällen wird im Bürgerlichen Gesetzbuch ausdrücklich auf § 260 Bezug genommen:

Außer den genannten Verzeichnissen sind u. a. folgende im BGB vorgeschriebene Verzeichnisse Bestandsverzeichnisse nach § 260:

Grundbuchrecht

Das Bestandsverzeichnis ist nach § 4 Grundbuchverfügung (GBV) der zweite Teil des Grundbuchblatts. Seine Einrichtung ist in § 6 GBV umfassend geregelt. Es wird in der Grundbuchordnung nicht legal definiert, sondern als bekannt vorausgesetzt, so z. B. in § 57 Abs. 1 S. 2 GBO. Es hat die Aufgabe, das Grundstück so zu beschreiben, dass es zweifelsfrei identifiziert werden kann.[5] Es kann aus einem einzigen Grundstück, aber auch aus mehreren Grundstücken bestehen, die demselben Eigentümer gehören (§ 4 Abs. 1 GBO). Teile des Bestandsverzeichnisses nehmen am öffentlichen Glauben des Grundbuchs nach § 892 ff. BGB teil (Gemarkung, Flur, Flurstücksnummer), während sich der öffentliche Glaube nicht auf Lagebezeichnung, Flächengröße und Nutzungsart (Bebauungs- und Bewirtschaftungsart) erstreckt.

Die einzelnen Grundstücke eines Grundbuchblatts werden im Bestandsverzeichnis mit einer laufenden Nummer versehen, unter der die Katasterangaben folgen. Dazu gehören Gemarkung, Flur, Flurstück sowie nachrichtlich Lagebezeichnung (z. B. „Im Oberhagen“ oder „Muster-Straße 11“), Nutzungsart und Größe in m². Auf diese Katasterangaben beziehen sich das Eigentum in Abteilung I, die Belastungen in Abteilung II und die Grundpfandrechte in Abteilung III des Grundbuchs.

Das Bestandsverzeichnis ist von Amts wegen zu ändern, wenn sich Veränderungen der Grundstücksfläche ergeben, was durch Eintragung von Vereinigung oder Zuschreibung (jeweils § 890 BGB), Grundstücksteilung (§ 19 BauGB) oder Abschreibung (§ 2 Abs. 3 GBO) oder Umlegung (§ 45 BauGB) geschehen kann. Diese Veränderungen der Grundstücksfläche werden dem Grundbuchamt durch das Liegenschaftskataster mittels Veränderungsnachweis bzw. Fortführungsnachweis mitgeteilt.

Auf Antrag werden in das Bestandsverzeichnis subjektiv-dingliche Rechte des § 96 BGB eingetragen (§ 9 Abs. 1 GBO). Dabei handelt es sich um Rechte, die dem Eigentümer des Grundstücks an fremden Grundstücken zustehen und als Bestandteile des Grundstücks gelten. Diese Eintragung heißt Aktivvermerk und betrifft Grunddienstbarkeiten, beschränkte persönliche Dienstbarkeiten oder den Nießbrauch (die beispielsweise jeweils als Wegerecht eingetragen werden können). Die Eintragung im Bestandsverzeichnis betrifft das „herrschende Grundstück“, die entsprechenden Belastungen erfolgen auf dem „dienenden Grundstück“ in Abt. II.

Gesetzlich vorgeschriebene Bestandsverzeichnisse

Auf vielen Rechtsgebieten sind Bestandsverzeichnisse vorgeschrieben.

Kulturgut

Verzeichnisse von Beständen in Archiven werden überwiegend Findbücher genannt[9]. Daneben werden diese Verzeichnisse aber auch als Bestandsverzeichnisse bezeichnet.[10] Sie werden heute regelmäßig in digitaler Form eingerichtet und bereitgestellt. Der Prozess der formalen und inhaltlichen Beschreibung von Beständen in Archiven und deren Aufnahme in Findmittel wird im Archivwesen als Verzeichnung bezeichnet.

In Museen werden die Sammlungsbestände durch Bestandsverzeichnisse erschlossen. So wurden im z. B. im Museum für Vor- und Frühgeschichte (Berlin) bereits seit 1829 Bestandsverzeichnisse angelegt und geführt.[11] Für das Sprengel Museum Hannover erschien 2003 ein Bestandsverzeichnis Malerei und Plastik von Dietmar Elger.[12] Die Verzeichnung in Schriftform wird seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert immer mehr durch digitale Formen der Museumsdokumentation abgelöst.

Sonstiges

Bestandsverzeichnis heißen zudem im Rechnungswesen alle mit der betrieblichen Inventur zusammenhängenden Listen, die die Bestände des Anlage- und Umlaufvermögens als Inventar zusammenfassen, so etwa das Verzeichnis über die geringwertigen Wirtschaftsgüter (GWG). Das Inventar ist aufgrund der jährlichen körperlichen Bestandsaufnahme aufzustellen und enthält die genaue Bezeichnung des Gegenstands und seinen Bilanzwert am Bilanzstichtag. Die Pflicht zur Führung eines Bestandsverzeichnisses ergibt sich aus § 238 Abs. 1 HGB.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794–1899) I, 2 § 104; „Inventarium überhaupt ist das Verzeichniß aller zu einem Inbegriff gehörigen Stücke“
  2. Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, hrsg. von Freiherr v. Röll, 2. Auflage 1912–1923 unter: Dienstwohnungen
  3. So z. B. durch § § 260 BGB.
  4. z. B. lexexakt.de Rechtslexikon
  5. Wolfgang Brehm/Christian Berger, Sachenrecht, 2006, S. 193
  6. z. B. für die Bund: VV-BHO Anhang 6
  7. Z. B. für Sachsen: REVOSax Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über die Straßen- und Bestandsverzeichnisse und Niedersachsen: Niedersachsen Verordnung über die Bestandsverzeichnisse für Gemeindestraßen und sonstige öffentliche Straßen
  8. Rundschreiben 12/2005 (VA) der BAFin
  9. Findbuch in der Terminologie der Archivwissenschaft der Archivschule Marburg: [1] (abgerufen am 24. Mai 2022)
  10. Z. B. im deutschen Bundesarchiv das Bestandsverzeichnis des Deutschen Landarbeiterverbandes: [2] (abgerufen am 24. Mai 2022). Bestandsverzeichnis des Schweizerischen Kunstarchivs: [3] (abgerufen am 24. Mai 2022)
  11. Staatliche Museen zu Berlin (abgerufen am 24. Mai 2022)
  12. Dietmar Elger (Hrsg.): Sprengel-Museum Hannover, Malerei und Plastik. Sprengel-Museum, Hannover 2003, ISBN 978-3-89169-185-4.