Bewertung (Rechnungswesen)

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Die Bewertung entscheidet im kaufmännischen Rechnungswesen darüber, mit welchem Wertansatz ein Aktivum oder Passivum zu bilanzieren, das heißt mit welchem Betrag es in die Handels- und in die Steuerbilanz aufzunehmen ist.

Allgemeines

Die Bewertung hat Einfluss auf die Höhe des Eigenkapitals von Unternehmen, so dass es im nationalen und internationalen Bilanzrecht detaillierte Vorschriften über den Wertansatz in der Bilanz gibt. Die gesetzlichen Grundlagen sind im jeweiligen nationalen Handels- und Steuerbilanzrecht geregelt. In Deutschland sind dies das Handelsgesetzbuch und das Einkommensteuergesetz. Die wichtigsten internationalen Vorschriften zur Rechnungslegung sind die IFRS und die US-GAAP. Für die Bewertung im Rechnungswesen werden auch Methoden der Unternehmensbewertung genutzt (z. B. zur Ableitung von Diskontierungszinssätzen bzw. Kapitalkosten).

Bei der Bewertung dürfen Unternehmen davon ausgehen, dass sie auf unbefristete Zeit fortgeführt werden (Fortführungsprinzip; englisch going concern principle). Sie dürfen deshalb mit der geplanten Nutzungsdauer beim Vermögen und vorgesehenen Fälligkeiten beim Fremdkapital rechnen, wobei einmal gewählte Bewertungsmethoden beibehalten werden sollen (Stetigkeitsprinzip).[1]

Deutsches Recht

Durch die Inventur werden die vorhandenen Vermögenswerte und Schulden am Bilanzstichtag zunächst mengenmäßig erfasst und danach einer Bewertung unterzogen.

Bewertungsmaßstäbe

Das Handelsrecht gibt die folgenden Bewertungsmaßstäbe vor:

Bewertungswahlrechte

Anstelle der fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten können unter genau festgelegten Bedingungen für das Anlage- und Umlaufvermögen abweichende Werte festgelegt werden. Hierzu zählt der Börsen- oder Marktpreis, wenn dieser am Abschlussstichtag niedriger ist, der beizulegende Zeitwert nach IFRS, oder die Berücksichtigung zukünftiger Wertschwankungen. Bei der Wahrnehmung der Wahlrechte ist das handelsrechtliche Niederstwertprinzip zu beachten.

Grundsatz der Einzelbewertung und Ausnahmen

Grundsätzlich ist jedes Wirtschaftsgut einzeln zu bewerten. In der internationalen Rechnungslegung wird sogar die separate Erfassung von wesentlichen Teilen (Komponenten) von Sachanlagen gefordert (IAS 16). Da die Einzelbewertung jedoch nicht immer möglich oder wirtschaftlich ist, ist auch eine Reihe von abweichenden Verfahren zulässig:

  • Sachanlagen sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können mit Festwerten, das heißt mit einer gleichbleibenden Menge und einem gleichbleibenden Wert angesetzt werden. Dabei ist in der Regel eine periodische Bestandsaufnahme notwendig, die zu einer Korrekturbewertung führen kann (spätestens alle 3 Jahre).
  • Die Gruppenbewertung erlaubt es, gleichwertige oder gleichartige Vermögensgegenstände zu einer Gruppe zusammenzufassen und einen gewogenen oder gleitenden Durchschnittswert zu errechnen.
  • Bei der Sammelbewertung wird ein bestimmtes Verbrauchsfolgeverfahren unterstellt. Diese Methode geht von der Annahme aus, dass bestimmte Gegenstände zuerst verkauft oder verbraucht wurden (zum Beispiel die teuersten), ohne dies durch eine körperliche Bestandsaufnahme zu ermitteln. Jedoch gibt es kein Verbrauchsfolgeverfahren mehr, das in allen Rechnungslegungssystemen übereinstimmend anerkannt ist.

Schweizer Recht

Das schweizerische Buchführungs- und Rechnungslegungsrecht definiert die Bewertungsmassstäbe in den Art. 960 bis Art. 960e im Schweizerischen Obligationenrecht ("OR"). Art. 960 OR enthält die Bewertungsgrundsätze. Hierbei geht es insbesondere um die vorsichtige Bewertung (Art. 958 OR[2] und Art. 958c OR[3] i. V. m. Art. 960 OR), um Wertberichtigung sowie um die Frage, wann eine Einzel- oder eine Gruppenbewertung zu wählen ist. In den auf Art. 960 OR folgenden Artikeln sind die spezialisierten Bestimmungen thematisieren die Bewertung von Aktiven im Allgemeinen (Art. 960a OR), Aktiven mit beobachtbaren Marktpreisen (Art. 960b OR), Vorräten und nicht fakturierten Dienstleistungen (Art. 960c OR), Anlagevermögen (Art. 960d OR) sowie Verbindlichkeiten (Art. 960e OR).[4]

International Financial Reporting Standards

In den IFRS existiert eine größere Anzahl von Wertkonzepten, die je nach Bilanzposition angewendet werden müssen bzw. im Rahmen von Bewertungswahlrechten angewendet werden können:

Literatur

  • Adolf G. Coenenberg, Axel Haller, Gerhard Mattner, Wolfgang Schultze: Einführung in das Rechnungswesen: Grundzüge der Buchführung und Bilanzierung, 8. Auflage. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3791028088
  • Jürgen Bussiek, Harald Ehrmann: Buchführung, 9. Aufl. Kiel Verlag, Herne 2010, ISBN 978-3470708096
  • Michael Griga, Raymund Krauleidis: Bilanzen erstellen und lesen für Dummies, 2. Auflage, Wiley-VCH Verlag 2010, ISBN 978-3527705986
  • Gerhard Scherrer: Rechnungslegung nach neuem HGB, 3. Auflage, Vahlen 2010, ISBN 978-3800637874
  • Harald Wedell, Achim A. Dilling: Grundlagen des Rechnungswesens: Buchführung und Jahresabschluss. Kosten- und Leistungsrechnung, 13. Auflage, NWB-Verlag 2010, ISBN 978-3482547836

Einzelnachweise