Bizutage
Unter Bizutage [bizy'taʒ] versteht man in Frankreich und den frankophonen Ländern lokal unterschiedlich ausgestaltete Initiationsriten im Ober- und Hochschulmilieu, die bis in die Gegenwart häufig die Grenzen zu Misshandlung, Demütigung, sexuellen Übergriffen oder mitunter Schutzgelderpressung überschritten haben.[1]
Geschichte
Die Tradition reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück.[2] Aufgrund der Missbräuche wurde die Bizutage, die seit den 1920er Jahren offiziell verboten war, 1998 auf Betreiben von Ministerin Ségolène Royal in das französische Strafgesetzbuch aufgenommen. Dieses definiert die Bizutage als „eine Vielzahl von erniedrigenden und traumatisierenden Riten in einem Ausbildungs- oder Hochschul-Milieu“ (Livre II, titre II, Chapitre V, Section 3 bis, Article 225-16-1). Sie wird im Falle einer Verurteilung mit bis zu sechs Monaten Gefängnis oder rund 7600 Euro Geldstrafe geahndet. Vor allem an Universitäten und Grandes écoles waren Bizutages gang und gäbe. Mehrere Organisationen setzen sich gegen die Bizutage ein. Das gilt vor allem, seit einige Opfer solcher Riten Suizid begangen hatten. In einem Fall aus dem Jahr 2010 sprach das Gericht von Draguignan (Südfrankreich) gegen zwei vorstrafenfreie Anstifter einer Bizutage, bei der ein Betroffener schwere Verbrennungen erlitten hatte, eine Haftstrafe von sechs bzw. zwölf Monaten aus.[3]
Zeremonie
Dennoch werden als Bizutage weiterhin mehrere, lokal unterschiedliche Aufnahmezeremonien bezeichnet, die an Neulingen vorgenommen werden. Neuerdings nehmen sie oft eine eher humoristische Form an und haben vorgeblich zum Ziel, die Betroffenen davor zu bewahren, sich ihre neue Position zu Kopf steigen zu lassen. Tatsächlich versuchen Bizutages auch, einen „Korpsgeist“ unter den Mitgliedern einer bestimmten sozialen Stellung zu erzeugen.
Andere Länder
Ähnliche Rituale sind in vielen anderen westlichen Ländern unter verschiedenen Bezeichnungen verbreitet, so etwa in den USA (hazing), den Niederlanden (ontgroening), Belgien (Baptême[4]), Polen (fala), Portugal (praxe), Italien (nonnismo) und Brasilien (trote).
Literatur
- Emmanuel Davidenkoff, Pascal Junghans: Du bizutage des grandes écoles et de l’élite. Plon, Paris 1993, ISBN 2-259-02586-2.
Siehe auch
- Deposition (Universität)
- Code Red
- Gautschen
- Pennalismus
- Dedowschtschina
- Entlassungskandidaten in der Nationalen Volksarmee der DDR
- Heiliger Geist in der Bundeswehr
- Jewgeni Grischkowez: Wie ich einen Hund verspeiste, Theaterstück
- Äquatortaufe
Weblinks
- SOS Bizutage (französisch)
- Le bizutage en questions (französisch)
- CNCB : Comité national contre le bizutage (französisch)
- Association Contre le Bizutage (französisch)
Einzelnachweise
- ↑ NZZ Online: Bizarr barbarisches Ritual (Memento vom 18. Juni 2014 im Internet Archive) vom 14. November 2011, aufgerufen 14. November 2011
- ↑ Verena Hölzl: Aufnahmerituale an französischen Unis: „Sie wollen dich brechen und neu formen“. In: Spiegel Online. 23. Dezember 2014, abgerufen am 24. Dezember 2014.
- ↑ Artikel zur Bizutage in der Online-Ausgabe der Westdeutschen Zeitung (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- ↑ Belgien: Junger Mann stirbt bei Aufnahmefeier für neue Studierende. In: Spiegel Online vom 31. Oktober 2021.