Bjørnstjerne Bjørnson

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Bjørnstjerne Bjørnson (Fotografie aus dem Jahr 1909)

Bjørnstjerne Martinius Bjørnson (* 8. Dezember 1832 in Kvikne (fylke Hedmark); † 26. April 1910 in Paris) war ein norwegischer Dichter, Literaturnobelpreisträger und Politiker. Bjørnson verfasste unter anderem die norwegische Nationalhymne Ja, vi elsker dette landet und war der Begründer des Riksmålsforbundet.

Leben

Der Dichter

Bjørnson wurde auf dem Hof Bjørgan nahe Kvikne geboren, einem abgelegenen Dorf in der Landschaft Østerdalen, wo sein Vater Peder Bjørnson als Pfarrer tätig war. 1837 wurde der Vater in die Pfarrei Nesset versetzt, unweit von Molde in der Provinz Møre og Romsdal.

Bjørnson besuchte die Schule in Molde und 1850 bis 1852 ein privates Gymnasium in Christiania (heute Oslo). Nachdem er sein Studium abgebrochen hatte, arbeitete er einige Zeit als Journalist. In dieser Zeit lernte er auch Henrik Ibsen kennen.

Haupthaus in Aulestad

Zwischen 1857 und 1859 wirkte er als Leiter des Theaters in Bergen. 1859 trat er in die Redaktion von Aftenbladet ein. Aber wegen des Widerstandes in der öffentlichen Meinung musste er die Redaktion wieder verlassen.[1] Ein Jahr später bereiste er für drei Jahre Deutschland und Italien. Nach seiner Rückkehr 1865 bekam er eine Anstellung am königlichen Theater in Christiania. Dieses Amt bekleidete er bis 1867 und später nochmals zwei Jahre, zwischen 1870 und 1872. Danach lebte er bis 1875 wieder in Deutschland und Italien. Vor seiner Abreise erwarb er 1874 das Anwesen Aulestad. Dieser Landsitz entwickelte sich mit der Zeit zu einem geistigen Zentrum Norwegens.

Von 1880 bis 1881 bereiste Bjørnson die USA. Nach seiner Rückkehr 1882 lebte er bis 1887 in Paris. Auch als er sich auf sein Gut zurückzog, blieb er das geistige Zentrum Norwegens. Beeinflusst durch die französischen Realisten, aber auch durch Georg Brandes, fand Bjørnson seine Form des Realismus (Ein Bankrott; Ein Handschuh) und wurde zum Erneuerer der norwegischen Literatur.

1903 erhielt Bjørnson als erster Skandinavier den Nobelpreis für Literatur „als ein Beweis der Anerkennung für seine edle, großartige und vielseitige Wirksamkeit als Dichter, die immer durch einmalige Frische der Eingebung und durch eine seltene Seelenreinheit ausgezeichnet war“.

Bjørnstjerne Bjørnson

Der Politiker

Bjørnson war politisch stets sehr engagiert und warb überall in Norwegen in Reden für seine Ansichten.[2] Seine ideale Staatsform war die Republik. „Ich für meinen Teil glaube nicht an ein Skandinavien, bevor wir eine Republik haben“, schrieb er 1864 an Hilmar Finsen.[3]

Er setzte sich für internationale Schiedsgerichte zur Schlichtung zwischenstaatlicher Konflikte ein, war Mitglied des für den Friedensnobelpreis zuständigen Komitees, mischte sich in die Dreyfus-Affäre ein und nahm Stellung zum Nationalitätenkonflikt in der Habsburgermonarchie.

Er setzte sich für das allgemeine Wahlrecht in Norwegen ein[4], attackierte als Bibelkritiker die Staatskirche und diskutierte über voreheliche Sexualbeziehungen. Er kritisierte die Doppelmoral und setzte sich für eine strenge Sexualmoral für beide Geschlechter ein.[2] In Wort und Schrift setzte er sich für die Unabhängigkeit seines Landes ein. Auch vom Ausland aus warb er für die Volkshochschulbewegung und die Erneuerung des norwegischen Theaters. Unter all seinen patriotischen Gedichten und Liedern gehört die 1859 von ihm geschaffene norwegische Nationalhymne Ja, vi elsker dette landet (Ja, wir lieben dieses Land) als Erstes genannt. Bjørnson hielt das Dogma der Machtbalance für eine Lüge: „Nein, ein einziges Schwert, ein Beschluss und die Tat in einem, das ist die Lösung der Zeit.“[5] Er vertrat auch den Pangermanismus.[6]

In Norwegen stießen seine innenpolitischen Ansichten auf wenig Gegenliebe. Ursache war zunächst sein Hochmut und seine Arroganz. Der norwegische Politiker Evald Rygh schrieb an seinen Bruder Karl: „Man muss einräumen, dass Bjærnson alles in seiner Macht stehende tut, um sich zu ruinieren. Seine ungebremste Arroganz und Selbstvergötterung nimmt ständig zu, und die verzweifelte Geschichte mit Folkebladet muß ihm sehr geschadet haben. Unglücklicherweise hat er sich mit einer kleinen Clique fanatischer Bewunderer umgeben (andere können es bei ihm sicher nicht aushalten), die ihn ständig mit Beweihräucherung füttern und ihn immer mehr in einen Wahn treiben.“ Diese Einschätzung ist in vielen Zeitzeugnissen zu finden.[7] Der zeitgenössische Historiker Michael Birkeland schrieb in einem Brief: „Björnson fährt fort in politischer Raserei, die fast unerklärlich ist. … Sein Abgott ist die Macht in allen Varianten. Seine politische Einsicht ist so unendlich klein, dass er sogar in unseren Tagen ein Ausnahmefall ist. Alles soll mit Hilfe von Erhebung und Begeisterung gehen. Hier in der Stadt [Christiania] herrscht allgemeiner Unwille und Geringschätzung gegenüber seiner politischen Wirksamkeit.“[4] Auch seine republikanischen Ideen, die die Abschaffung der Monarchie bedeuteten, und sein Pangermanismus schadeten seinem politischen Ansehen.

Im Jahre 1906 hielt er die Festrede anlässlich der Überreichung des 1905 zuerkannten Friedensnobelpreises an Bertha von Suttner.

Am 26. April 1910 starb Bjørnstjerne Bjørnson im Alter von 77 Jahren in Paris.

Bibliographie

Lyrik

  • Digte og Sange, 1870

Epos

  • Arnljot Gelline, Epos 1870 (dt. Arnljot Gelline, 1904)

Erzählungen und Novellen

  • Synnøve Solbakken, Erzählung 1857 (dt. Synnøve Solbakken, 1859)
  • Arne, Erzählung 1859 (dt. Arne, 1860)
  • Et farlig frieri, Erzählung 1860 (dt. Gefährliches Liebeswerben)
  • En glad gut, Erzählung 1860 (dt. Ein frischer Bursche, 1870)
  • Smaastykker, Sammlung von Erzählungen 1860
  • Fortællinger I-II, 1872
  • Brudeslaatten, Novelle 1872 (dt. Der Brautmarsch, 1881)
  • Kaptejn Mansana, 1879 (dt. Kapitän Mansana, 1888)
  • Støv, 1882 (dt. Staub)
  • Nye Fortællinger, 1893 (dt. Neue Erzählungen, 1895)
  • To Fortællinger, 1901
  • Mary, Erzählung 1906 (dt. Mary 1907)
  • Absaloms Haar, Novelle

Romane

  • Fiskerjenten, Roman 1868 (dt. Das Fischermädchen, 1877)
  • Magnhild, 1877
  • Det flager i Byen og paa Havnen, Roman 1884 (dt. Flaggen über Stadt und Hafen, 1904 bzw. u.d.T. Thomas Rendalen, 1886 und Das Haus Kurt, 1904 und Es flaggen Stadt und Hafen, 1911)
  • Paa Guds Veje, Roman 1889 (dt. Auf Gottes Wegen, 1903)

Theaterstücke

  • Mellem Slagene, 1857 (dt. Zwischen den Schlachten, 1876)
  • Halte-Hulda, 1858
  • Kong Sverre, 1861
  • Sigurd Slembe, Dramentrilogie 1862 (dt. Sigurd Slembe, 1903)
  • Maria Stuart i Skottland, 1864 (dt. Maria Stuart in Schottland, 1866)
  • De Nygifte, 1865
  • Sigurd Jorsalfar, Schauspiel 1872 (dt. Sigurd Jorsalfar, 1901)
  • Kong Eystejn, 1873
  • En fallit, Schauspiel 1875 (dt. Ein Bankrott, 1875)
  • Redaktøren, Schauspiel 1875 (dt. Der Radakteur, 1875)
  • Kongen, Drama 1877 (dt. Der König, 1896)
  • Leonarda, Schauspiel 1879 (dt. Leonarda, 1879)
  • Det nye System, Schauspiel 1879 (dt. Das neue System, 1901)
  • Over Ævne. Første Stykke, Schauspiel 1883 (dt. Über die Kraft, 1886)
  • En Hanske, Schauspiel 1883 (dt. Ein Handschuh, 1888)
  • Geografi og Kærlighed, Lustspiel 1885 (dt. Geographie und Liebe, 1893)
  • Lyset, 1895
  • Over Ævne. Andre Stykke, Schauspiel 1895 (dt. Über unsere Kraft, 1896)
  • Paul Lange og Tora Parsberg, Schauspiel 1898 (dt. Paul Lange und Dora Parsberg, 1899)
  • Laboremus, Drama 1901 (dt. Laboremus, 1901)
  • På Storhove, Drama 1902 (dt. Auf Storhove, 1903)
  • Daglannet, 1904
  • Når den ny vin blomstrer, Lustspiel 1909 (dt. Wenn der junge Wein blüht, 1909)

Sammelband

  • Gesammelte Werke in 5 Bänden, 1910

Sekundärliteratur

  • Per Amdam: Bjørnstjerne Bjørnson. Kunstneren og samfunnsmennesket 1832–1880. Gyldendal Norsk, Oslo 1993. ISBN 82-05-20598-1
  • Walter Baumgartner: Triumph des Irrealismus. Rezeption skandinavischer Literatur im ästhetischen Kontext Deutschland 1860–1910. Wachholtz, Neumünster 1979. (= Skandinavistische Studien; 10) ISBN 3-529-03310-3
  • Bjørnson in Deutschland. Ein Materialienband, hrsg. v. Aldo Keel. Lang, Frankfurt am Main u. a. 1985. (= Texte und Untersuchungen zur Germanistik und Skandinavistik; 14) ISBN 3-8204-8915-0
  • Fredrik Engelstad: Kjaerlighetens irrganger. Sinn og samfunn i Bjørnsons og Ibsens diktning. Gyldensal, Oslo 1992. ISBN 82-05-20947-2
  • Barbara Gentikow: Skandinavien als präkapitalistische Idylle. Rezeption gesellschaftskritischer Literatur in deutschen Zeitschriften 1870–1914. Wachholtz, Neumünster 1978. (= Skandinavistische Studien; 9) ISBN 3-529-03309-X
  • Wolfgang Pasche: Skandinavische Dramatik in Deutschland. Björnstjerne Björnson, Henrik Ibsen, August Strindberg auf der deutschen Bühne 1867–1932. Helbing u. Lichtenhahn, Basel u. a. 1979. (= Beiträge zur nordischen Philologie; 9) ISBN 3-7190-0750-2
  • Øystein Sørensen: Bjørnstjerne Bjørnson. Oslo, Cappelen, 1997, ISBN 82-02-16240-8

Bjørnson-Preis

2003 stiftete der norwegische Schriftsteller Knut Ødegård den Bjørnson-Preis, den die Norwegische Akademie für Literatur und Meinungsfreiheit (Molde) verleiht.[8]

Einzelnachweise

  1. Fr. Ording: Det lærde Holland. Oslo 1927. S. 86.
  2. a b Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 184.
  3. zitiert in Fr. Ording: Det lærde Holland. Oslo 1927. S. 205.
  4. a b zitiert in Fr. Ording: Det lærde Holland. Oslo 1927. S. 203.
  5. „Nei et eneste sværd, beslutning og handling ett, det er tidens løsen“. zitiert in Fr. Ording: Det lærde Holland. Oslo 1927. S. 205.
  6. Ording S. 163.
  7. zitiert in Fr. Ording: Det lærde Holland. Oslo 1927. S. 143.
  8. http://blogg.bjornsonakademiet.no/about/

Weblinks

Commons: Bjørnstjerne Bjørnson – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Bjørnstjerne Bjørnson – Quellen und Volltexte