Carl Lafite
Carl Lafite (* 31. Oktober 1872 in Wien; † 19. November 1944 in Sankt Wolfgang im Salzkammergut) war ein österreichischer Komponist, Organist, Chorleiter, Dirigent, Programmgestalter, Organisator, Musikpädagoge, Kritiker und Klavierbegleiter zum Liedgesang.
Leben
Carl Lafite, Sohn seines gleichnamigen Vaters, des Malers Carl Lafite (1830–1900), komponierte bereits 8-jährig eine Ritteroper. Frühe Anregungen erhielt er durch nachbarschaftliche Kontakte zu Eduard Strauß. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er 1889–93 am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Orgel und Klavier bei Anton Door sowie Komposition bei E. Robert, Johann Nepomuk Fuchs und Anton Bruckner. 1898 legte er die Staatsprüfung ab. Zuvor wirkte er in Olmütz (1894–96) als Lehrer der städtischen Musikschule für Orgel und Harmonielehre, wo er sogenannte „Schubertiaden“ veranstaltete. 1895 und 1897 konzertierte Lafite als Pianist mit dem Stargeiger František Ondříček, mit dem er Konzertreisen im Habsburgerreich und in Russland unternahm. Ab 1898 war er wieder in Wien.
Lafite war vielseitig tätig: als Organist (Piaristenkirche 1898–1910), als Musikpräfekt (K.K. Blindeninstitut 1898–01, Wiener Damenchorverein und Wiener Sängerbund ab 1900), als Chordirigent (Wiener Singakademie 1901–06 mit Schwerpunkt auf den großen Chorwerken der Wiener Klassik und der Frühromantik, zugleich Evangelischer Singverein, Wiener Sängerbund, für Franz Schalk 1910–12 Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien). Lafite lehrte Grundlagen-Theorie 1906 in der Musikschule Duesberg und war 1909 Mitbegründer des Neuen Wiener Konservatoriums. 1928 gestaltete er mit Otto Erich Deutsch die offiziellen Schubert-Feiern. Im selben Jahr gründete er als spezielle Einrichtung der Akademie für Musik Stilbildungskurse für künstlerische Klavierbegleitung, die er bis 1938 führte. 1911 wurde Lafite als Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde (vor deren Zentenarfeier 1912) berufen. Er lenkte deren Geschicke in stürmischer Zeit bis 1921 und wechselte zur Direktion, als deren Mitglied (bis 1938) er deren Chronik 1912–37 verfasste. In der Öffentlichkeit präsent war Lafite auch durch Musikbetrachtungen als Kritiker wie Feuilletonist der Zeitungen Wiener Allgemeine Zeitung ab 1908, Neue Freie Presse, Neues Wiener Tagblatt und Oesterreichische Volkszeitung bis 1937. 1912 wurde er Mitglied der Wiener Burschenschaft Aldania.[1]
Carl Lafite war seit 1915 mit der Feuilletonistin Helene Tuschak verheiratet.[2] Sein Sohn aus einer früheren Verbindung war Peter Lafite, der Begründer der Österreichischen Musikzeitschrift, seine Schwiegertochter Elisabeth Lafite und seine Enkelkinder Marion Diederichs-Lafite und Carl Wolfgang Lafite. Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Leistung
Als Komponist gestaltete Lafite Kunstmusik vielfach auch in Nähe zu Volksweisen; er schuf speziell Lieder mit Kammermusik tönend zu farbreich verschieden-geistigem Dichter-Wort, auch groß instrumentiert zu verschiedenen Anlässen. Er war gefragt – zum Start der Wiener Festwochen, für Bühnen in Berlin und Prag, die Universität Leipzig, für verschiedene Kirchen und auch zum frühen Tonfilm (Selenophon). Sein Schaffen publizierten mehrere Verlage, es erklang auch auf Schellackschallplatten. Im Chorwesen belebte Lafite tradierte Liedtafeln zu gehaltlich-gestalteten Programmzyklen. Lafite wirkte als Lehrer prägend; als Klavierbegleiter konzertierte er mit bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Sein Chorstück St. Michael erklang durch die Jahrzehnte, die meisten Chorvereinigungen ehrten ihn 1922–36 in Österreich – nachhaltig der Wiener Männergesang-Verein, Deutsche Sängerfeste schrieben ihm Anfragen. Das zur Schubertmusik bühneninszenierte Hannerl – in direkter Fortsetzung von Heinrich Bertés zeitgleichem Dreimäderlhaus – brachte besondere Wertschätzung. Die Fünf um Schubert ließ die „Schubertiade Hohenems“ 1998 aufführen.
Rezeption
Lafite galt als einer der bedeutendsten Klavierbegleiter seiner Zeit. 1922 und 1923 begleitete er z. B. den jungen Váša Příhoda bei einigen von dessen frühen Wiener Konzerten. Als Komponist schuf er unter anderem ein Oratorium, Opern (Die Stunde, Der Musenkrieg, Das kalte Herz), Operetten (aus Melodien von Mozart, Schubert und Beethoven zusammengestellt), Chöre und Lieder, die dem Stil von Franz Schubert nahestehen, sowie Melodramen.
Werke (Auswahl)
- Schriften
- Das Schubertlied und seine Sänger. Strache, Wien 1928.
- Geschichte der K.K. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. 1912–1937. Holzhausen, Wien 1937.
- Ill’ ego qui fuerim [Der ich gewesen bin] – 50 Jahre Musik in Wien, Autobiografie (MS 236 S.) (unpubliziert)
- Wiener Volksmusik (Suppé, Lehár, Strauss, Singspiel, …, MS 236 S.) Wien 1942, Publikation geplant.
- Nachlass (Briefe, Kritiken, Programme, Literatur, Werke, Verzeichnisse) in Wien
- Lieder
- Wienerisches, 1901
- Gesänge (Japanisch, Meldung, an die Waldvögel, Ghasel), Universal Edition Wien 1910
- Nordische Lieder, 1919
- Alt-Italienische Gesänge, 1930
- Volkslieder (Franz., Vlämisch, Russisch, Finnisch), Haslinger Wien 1931
- Alt-Ottakring (Weinheber), Herzmansky 1941
- Alt-Wien, Universal Edition, o. J. Wien
- Chormusik
- Sankt Michael (O. Kernstock), 1902
- Weihe der Nacht (Text von Hebbel), R. Fohrberg, Leipzig 1929
- Mystische Gesänge, Doblinger Verlag, Wien 1930
- ca. 100 Chorwerke für Männerchöre, Frauenchöre, Geistliche Gesänge
- Bühnenwerke
- Das kalte Herz, Märchenoper, (nach Wilhelm Hauff), Prag 1909
- Der Musenkrieg, (Text Otto Julius Bierbaum), Auftrag 500-Jahrjubiläum der Universität, Leipzig 1909
- Der arme Augustin, Tanzspiel in 3 Bildern, Universal Edition Wien / Leipzig 1914
- Du liebes Wien, Weinberger Verlag 1916
- Hannerl. Singspiel in 3 Akten. (Libretto von Alfred Willner) Karczag, Wien 1916, UA Berlin 1918 (Regiebuch mit Bühnenbildern 1918)
- Der Kongress tanzt, Singspiel in 3 Akten (Text Julius Bauer & Wittmann) Verlag k.k. Theater an der Wien, Leipzig 1918
- Die Stunde. Drei musikalische Einakter, mit einem Vor- und Nachspiel. (Libretto von Leo Feld) Universal Edition, Wien 1925 / UA Braunschweig
- Fünf um Schubert, 1928 RAVAG, Wien
- Als Geschiedene empfehlen sich ..., Komische Oper in einem Akte. (Libretto von Leo Feld) Universal Edition, Wien 1930
- König Fridolin Altwiener Suite o. J., Universal Edition
- Stille Musik. Schauspiel in 4 Akten. (Libretto von Rudolf Holzer nach Grillparzer) Verband der Dt. Bühnenschriftsteller, Berlin 1934
- Melodramen
- Das Lied vom Kaufherren Kalaschnikoff, Konzertoper 1925 (nach russ. Volksepos Michail Lermontoff)
- Strauss-Walzer, 1930
- Monolog des König Arthus, Wien 1932
- Ball im Apollosaal, (Franz Ginzkey) 1932
- Der liebe Augustin, (Ginzkey) 1932
- Heilige Nacht, Weihnachtsmysterium (nach Ludwig Thoma), Wien 1933
- Film
- 1933: Der Musikant von Eisenstadt (Buch und Musik)
Ehrungen
- Ritter des Franz-Joseph-Ordens
- Professor-Titel des Bundesministeriums für Unterricht (1926)
- Bürger der Stadt Wien (1932)
- Österreichisches Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft (1937)
- Benennung der Lafitegasse in Wien-Ober Sankt Veit (1952)
Literatur
- Siegfried Loewy: Altwiener Familien. (Tagblatt-Bibliothek Nr. 164/165). Steyrermühl, Wien 1925.
- Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Wien 1987, ISBN 3-218-00455-1.
- Carl Lafite im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- Die Geistige Elite Österreichs. Ein Handbuch der Führenden in Kultur und Wirtschaft. Wien 1936[3]
- Helene Lafite: Österreichische Tondichter im Wiener Männergesang-Verein. 1951[4]
- Aus dem Memoiren-Manuskript. In: ÖMZ 3/12 (1948), S. 334 ff.
- Carl Lafite zum Gedächtnis. In: ÖMZ 27/11 (1972), S. 608–611.
- Alexander Rausch: Lafite, Familie. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3045-7.
- Friedrich Blume: Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Band 8 (Laaff–Mejtus). Kassel 1960[5]
- Musik in Geschichte und Gegenwart (Marion Diederichs), Familie Lafite. Supplement Band 29, Kassel 2009.
- Franziska Feuerstein: Das Singspiel „Hannerl“, Universität Wien 2009[4]
- Theophil Antonicek: Lafite, Carl (1872–1944). In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1969, S. 402 f. (Direktlinks auf S. 402, S. 403).
Weblinks
- Werke von und über Carl Lafite im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Carl Lafite im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Noten und Audiodateien von Carl Lafite im International Music Score Library Project
Einzelnachweise
- ↑ Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band II: Künstler. Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6813-5, S. 431–433.
- ↑ Tuschak-Lafite, Helene. (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: ARIADNE Projekt „Frauen in Bewegung“, Österreichische Nationalbibliothek, 29. Jänner 2009, abgerufen am 1. Dezember 2010.
- ↑ Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund.
- ↑ a b Ohne Nachweis
- ↑ Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund.
Personendaten | |
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NAME | Lafite, Carl |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Pianist und Komponist |
GEBURTSDATUM | 31. Oktober 1872 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 19. November 1944 |
STERBEORT | Sankt Wolfgang im Salzkammergut |