Condictio indebiti

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Bei der condictio indebiti („Zurückforderung des Nichtgeschuldeten“[1]; „Kondiktion [also Rückforderung] der Leistung auf eine Nichtschuld“[2]) handelte es sich im antiken Rom um einen Klagetypus im gerichtlichen Verfahren (actio), inzwischen benutzt man den Begriff aber in einer anderen Bedeutung: Man bezeichnet damit einen bestimmten zivilrechtlichen Anspruch aus dem Abschnitt des Bereicherungsrechts. Wer einem anderen etwas gegeben hat, kann das Gegebene wieder zurückverlangen, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen – insbesondere wenn er gar nicht verpflichtet war, die Leistung zu erbringen; das ist mit dem Begriff indebiti gemeint: „das Nichtgeschuldete“, „die Leistung, die nicht geschuldet war“. Entsprechende Vorschriften existieren heutzutage in verschiedenen Zivilgesetzbüchern, wenngleich sie durchaus unterschiedlich formuliert und ausgestaltet sind:

Eine condictio indebiti liegt vor, wenn zwar geleistet wurde, aber nie ein Rechtsgrund für die Leistung bestanden hat; mit anderen Worten: der Empfänger hatte keinen Anspruch, die Leistung zu bekommen; und der Leistende hatte gar kein Pflicht, die Leistung vorzunehmen. Es handelt sich also zumeist um Fälle, in denen die Beteiligten oder zumindest der Leistende davon ausging, dass ein Vertrag besteht, der ihn zur Leistung verpflichtete, tatsächlich traf das aber nicht zu. Es fehlte stets an einem solchen verpflichtenden Vertrag (andere Bezeichnungen: causa, Rechtsgrund, Verpflichtungsgeschäft oder Kausalgeschäft). Die Ursache, warum es tatsächlich keinen verpflichtenden Vertrag gab, ist vielgestaltig; um einige Beispiele zu geben: entweder wurde der Vertrag gar nicht wirksam geschlossen (beispielsweise: Dissens, Geschäftsunfähigkeit, gesetzliches Verbot, Wucher) oder die Wirksamkeit ist aufgrund einer Erklärung für die Zukunft oder sogar rückwirkend wieder entfallen (beispielsweise: Anfechtung, Widerruf, Kündigung, Rücktritt). Es ist auch die Konstellation denkbar, dass der mehr geleistet wurde als der Vertrag vorsieht, weil der Leistende über den Umfang seiner Pflicht im Irrtum war – auch hier handelt es sich um etwas Nichtgeschuldetes.

Hinsichtlich der Anfechtung griff im römischen Recht der Klagetypus (actio) der condictio ob causam finitam. Der Tatbestand der condictio indebiti erfasste schon seinerzeit auch irrtumsbedingte Leistungen (indebitum solutum).[3]

Eine condictio indebiti kommt sehr häufig in Forderungsabrechnungen von Kreditinstituten vor, indem bei der Forderungsabrechnung falsche Zinssätze angesetzt werden. Die aus der Zahlung der Forderung (durch die zu viel berechneten Zinsen) resultierende Bereicherung führt regelmäßig zu einem Erstattungszwang der Kreditinstitute gegenüber dem Schuldner. Da die Bereicherung sittenwidrig erfolgte, ist auch regelmäßig die Verjährung ausgesetzt.

Weil die condictio indebiti voraussetzt, dass bereits etwas geleistet wurde, was nun zurückgefordert werden soll, ist „die Leistung“ eine der zentralen Voraussetzungen dieses Anspruchs. Man rechnet die condictio indebiti daher der Gruppe der Leistungskondiktionen zu.

Literatur

  • Jan Dirk Harke: Römisches Recht. Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57405-4 (Grundrisse des Rechts), § 11 Rnr. 32 (S. 193 f.).
  • Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 271 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Manfred Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse. Deliktsrecht, Schadensrecht, Bereicherungsrecht, GoA, Vahlen, 10. Aufl. 2020, § 10 Randnummer 1
  2. Jan Dirk Harke: Römisches Recht. Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57405-4 (Grundrisse des Rechts), § 11 Rnr. 32 (S. 193 f.).
  3. Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 271 f.