Corpus canonum Africano-Romanum

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Das Corpus canonum Africano-Romanum, entstanden in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, ist die älteste bedeutende kanonische Sammlung in lateinischer Sprache, deren Inhalt sich mit einiger Sicherheit rekonstruieren lässt. Die Sammlung selbst ist verloren, kann aber aus jüngeren Sammlungen erschlossen werden.

Entstehungsort und Bezeichnung

Ob das Corpus in Rom oder in Karthago entstanden sei, ist in der Forschung umstritten und hat zu wechselnden Bezeichnungen der Sammlung geführt. Cuthbert Turner trat für einen römischen Ursprung ein (und schlug Corpus canonum Romanum I als Titel vor), Eduard Schwartz hingegen befürwortete gerade aufgrund anti-römischer Spitzen eine Entstehung in Karthago und benannte die Sammlung in Corpus canonum Africanum um. Heute hat sich weitgehend Mordeks These durchgesetzt, dass die Sammlung zwar in Nordafrika entstand, aber in Rom erweitert wurde, und damit auch die Bezeichnung als Africano-Romanum.

Quellen, Fassungen, Inhalt

Die Sammlung muss in mehreren Schritten entstanden sein. Am Anfang stand eine Sammlung griechischer Synodalkanones. Sie bildeten den ersten Teil des Corpus. Der zweite Teil bestand aus einer lateinischen Übersetzung dieses Materials, ergänzt um einige lateinische Stücke. Nach Mordek entstand dieser Teil in Karthago im Kontext mit der Zurückweisung der römischen Einmischung in Disziplinarfragen und wurde dann in Rom erweitert. Der erweiterte lateinische Teil der Sammlung wurde dann von jüngeren Sammlungen, vor allem der Collectio Frisingensis I und der Collectio Wirceburgensis, genutzt, die somit die wichtigsten Quellen für die Rekonstruktion des Corpus canonum Africano-Romanum sind. Der griechische Teil hingegen ist nicht überliefert und kann nur erschlossen werden.

Die Kanones, die im Corpus enthalten gewesen sein müssen, stammen von den Konzilien von Nicäa I (mit Glaubensbekenntnis), Ankyra, Neocäsarea, Gangra, Antiochia, Laodicea und Konstantinopel I; mit Ausnahme von Nicäa lässt sich für keines dieser Konzilien eine frühere Übersetzung ins Lateinische belegen. Die Sammlung enthält außerdem die beiden Vorreden zum Konzil von Nicäa, den Tomus des Papstes Damasus (am Anfang) und die Kanones von Serdica (als Epitome und Vollform) sowie Dokumente zur sogenannten Apiarius-Affäre (am Ende). Zu diesen Dokumenten gehört ein kurzer Traktat, der nachweist, dass die von Zosimus in der Apiarius-Affäre zitierten Kanones nicht, wie vom Papst behauptet, vom Ersten Konzil von Nicäa stammten, sondern auf das Konzil von Serdica zurückgingen. Diese Kanones, so heißt es weiter, könnten die gleiche Autorität wie die Kanones der afrikanischen Konzilien beanspruchen, soweit sie dem Konzil von Nicäa und anderen Bestimmungen nicht widersprächen.

Literatur

  • Eduard Schwartz: Die Kanonessammlungen der alten Reichskirche. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, kanonistische Abteilung Band 25, 1936, S. 1–114, hier S. 75–83 (Online).
  • Myron Wojtowytsch: Papsttum und Konzile von den Anfängen bis zu Leo I. (= Päpste und Papsttum, Band 17). Hiersemann, Stuttgart 1981, ISBN 3-7772-8121-2, S. 254–259.
  • Hubert Mordek: Karthago oder Rom? Zu den Anfängen der kirchlichen Rechtsquellen im Abendland. In: Rosalio J. Castillo Lara (Hrsg.): Studia in honorem eminentissimi Cardinalis Alphonsi M. Stickler. (= Studia e textus historiae iuris canonici, Band 7) Libreria Ateneo Salesiano, Rom 1992, S. 359–374.
  • Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon Law). Catholic University of America Press, Washington, D.C. 1999, S. 1–3.