Diskussion:Der Jasager

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Review/Geistes- und Sozialwissenschaft: 7. August - 9. September 2011

aus der Einleitung:

Nō-Maske

Kurt Weill, Elisabeth Hauptmann und Bertolt Brecht entwickelten die „Schuloper“ Der Jasager für die Veranstaltung „Neue Musik Berlin“ 1930 auf der Basis eines japanischen Nō-Theater-Stücks aus dem 15. Jahrhundert. Zentrales Thema des Stücks ist die Frage, ob ein Mensch damit einverstanden sein muss, sich für eine Gemeinschaft zu opfern.

Das „Lehrstück“ erzählt in 10 musikalischen Blöcken eine einfache Geschichte: Ein Junge beteiligt sich trotz einiger Bedenken seines Lehrers an einer Expedition zu den ‚großen Ärzten‘ jenseits des Gebirges, um Medizin und Rat für seine kranke Mutter zu bekommen. Auf dem Weg wird der Junge krank und kann weder selber weitergehen noch getragen werden. Mit seinem „Einverständnis“ wird der Junge nach dem „Großen Brauch“ ins Tal und damit in den Tod gestürzt. Das Einverständnis des Jungen mit seiner Hinrichtung wurde und wird äußerst verschieden interpretiert: als Zeichen einer religiösen Überzeugung, als Opfer für eine Gemeinschaft, als Kadavergehorsam gegenüber sinnlosen Normen und Autoritäten, als Samurai-Tradition, aber auch als Aufforderung an das Publikum, diesem Einverständnis zu widersprechen. In einer zweiten Fassung hat Brecht dem Jasager nach einer Reihe von Diskussionen mit Schülern und Arbeitern einen „Neinsager“ zur Seite gestellt.

Als „Schuloper“ hatte auch der „Jasager“ pädagogische Ziele im Sinne der Reformpädagogik: Das gemeinsame Musizieren und Spielen sollte Gemeinschaftserlebnisse und musikalische Schulung verbinden. Tatsächlich wurde das Stück immer wieder an Schulen und Universitäten von Laien inszeniert. Dieser Funktion kommt die ans Nō-Theater anknüpfende Einfachheit der Bühne und der Form entgegen. Das Stück steht im Zusammenhang mit einer musikalischen Avantgardebewegung. Die Komponisten Paul Hindemith, Kurt Weill und später Hanns Eisler teilten mit Bertolt Brecht die Überzeugung, dass der traditionelle Opern- und Konzertbetrieb nur noch sinnentleerte Repräsentationsveranstaltungen für reiche Bürger produzierte. Dem wollten sie in Zusammenarbeit mit Pädagogen die neue und experimentelle Form des „Lehrstücks“ entgegensetzen. Die Trennung von Musikern, Sängern und Publikum sollte aufgehoben werden. Laien sollten die Stücke erarbeiten, die Zuschauer im Stil des epischen Theaters mitdenken und urteilen, teilweise wurden sie in den Gesang des Chores einbezogen. In enger Zusammenarbeit mit den neuen Medien Film und Rundfunk wollte man ein Publikum erreichen, das vom traditionellen Kulturbetrieb de facto ausgeschlossen war.

Ich würde den Artikel gern für eine KALP-Kandidatur fit machen. Über eure Unterstützung würde ich mich freuen.

mfg Mbdortmund 16:22, 7. Aug. 2011 (CEST)

Anmerkungen Tets Jasager

Adoleszenzprobleme als Strukturprinzip: Eigentlich geht es da ja nicht speziell um das Stück bei dieser Theorie, sondern um brecht als Ganzes. Die erste Frage die sich stellt: Sind die Thesen hier am richtigen Ort. Wahrscheinlich sind sie zu spekulativ und zu sehr minderheitsmeinung, um so ausführlich im Artikel Brecht behandelt zu werden. Auch weil er ja scheinbar nur einen psychoanalytischen Ansatz unter mehrern darstellt. Zweitens wird im Abschnitt nicht richtig betont, dass es sich hier um Brecht unbewusste Prinzipien handelt, die sich durch sein Werk ziehen sollen. Es wird auch nicht ganz klar, welche Kraft hinter der unbewussten Produktion dieser Strukturen steckt. Wieviel übernimmt Brecht davon z.B. aus den Ausgangsmaterial (Eine Prozession als Initationsritus), bildet er da selbstständig entwicklungspsychologische Strukturen ab ohne es zu bemerken, oder produziert er die selbst unbewusst aufgrund von eigenen soziopsychischen Konflikten? Oder hat er gar die Psychoaanalytiker gelesen und macht das absichtlich. Und ist er vielleicht auch deshalb so erfolgreich, weil er grundlegende entwicklungspsychologische Prozesse darstellt? Freilich klingen solche psychoanalytischen Kultur bzw. genauer Kunststudien oft spannend und sehr eingängig. Das kann aber auch etwas gefährliches sein, wenn sich alles so schön fügt. Wie Popper schon erkannt hat, können gewisse Formen der Psychoanalyse wie gewisse Formen des Marxismus sich selbst recht gut immunisieren, ihre Konzepte sind so allgemein und flexibel anwendbar, dass jede mögliche Situation sich in die Theorie integrieren kann, dass die eigenen Konzepte sich in jedem Zeitungsartikel, in jedem Kunststück (zumindest den Guten), usw. irgendwie wiederfinden lassen können. Triangulierung wie sie in psychoanalytischen Schulen zum teil konzipiert wird ist ja ein so allgemeines Phänomen, das es ein psychoanalytisch interessantes Phänomen wäre, würde man bei einem langjährigen Künstler nirgendwo Spuren davon finden. Also ich finde diese Überlegungen durchaus anregend, aber ich weiß jetzt nicht wirklich, was ich davon halten soll. Einerseits weiß ich nicht, was jetzt wirklich genau die Theorie von Thimm zum Ausdruck bringen will, zweitens weiß ich nicht, ob diese Strukturprinzipien wirklich so ausgeprägt sind. da fehlt mir auch der Überblick über das brechtsche Werk. Scheinbar ist ja eine wichtige These, mit der Adoleszenzproblematik versucht Brecht gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschliessen, verstellt sich zugleich aber damit auch den Blick. Vielleicht sollte ma das genauer herausstellen: Hier werden vor allem sehr allgemeine Konzepte erwähnt, das besondere bei diesem Buch ist ja scheinbar, dass die Sache speziell mit der Adoleszenzproblematik versucht wird zu erklären. So heißt zwar der Abschnitt, aber dann wird darauf nur noch spärlich eingegangen. In der Hinsicht sind dann auch gerade die Initationsriten von großer Bedeutung. Also insgesamt weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll. --Tets 05:40, 8. Aug. 2011 (CEST)

Der Ansatz fällt völlig aus den üblichen Brecht-Interpretationen heraus. Es gibt zur Biographie natürlich jede Menge psychologisches Zeug, weil die Leute interessiert, wie Brecht es gemanaged hat, mit Ehefrau Helene Weigel und seinen zahlreichen Sex- und Arbeitspartnerinnen klarzukommen. Typisch Deutsch scheint mir zu sein, dass die Franzosen den analogen Fall Beauvoir-Sartre erotisch und emanzipatorisch fanden, während die Amis und die Deutschen den guten Brecht mit der Moralkeule bearbeitet haben.
Ich habe das Buch zuerst entdeckt im Zusammenhang mit der Mutter Courage und habe beim "Jasager" nur das berücksichtigt, was das Stück selbst betrifft, da scheint mir der Ansatz interessant zu sein. Er deckt natürlich viele Fragen nicht ab, setzt sich auch nicht in Gegensatz zu anderen Interpretationsansätzen. Ich fand die Überlegungen interessant. Es wird auch nicht kurzschlüssig über die Hintergründe in der Brecht-Biographie spekuliert. Auch hat der Autor m.E. recht sauber gearbeitet und Brecht nicht oberflächlich irgendwelche bewussten oder unbewussten Motive unterstellt. Nach der Lektüre fällt schon auf, dass es in Brechtstücken häufig das Thema "abwesender Vater" gibt. Die Beziehungen Eltern-Kinder laufen oft nur als Beziehungen Mutter-Kinder. In der Mutter Courage wird das Thema Vaterschaft in dieser Richtung recht deutlich diskutiert, jedes der Kinder der Courage ist von einem anderen Mann und wiederum von einem anderen Partner der Courage erzogen/beeinflusst. Interessant an dieser eher matriarchalen Struktur ist die Tatsache, dass es Brecht genau umgekehrt war: Ein Vater, viele Mütter. Es gibt zum Thema Brecht und die Frauen sehr viel Literatur, ich habe angefangen, einen Artikel dazu zu schreiben, zu Elisabeth Hauptmann, die einen sehr großen Anteil an Brechts Erfolgen hat. In den 90er Jahren wurde heftig diskutiert, ob Brecht die Frauen in seiner Umgebung ausgenutzt habe, angestoßen von Theweleit und Fuegi, auch Sabine Kebir hat dazu einiges geschrieben, ach ja, richtig hart die Erzählung Avantgarde von der Fleißer, die eigene Erlebnisse mit Brecht verarbeitet. Auffällig ist, dass er die Erziehung seiner Kinder zum Teil den Frauen, zum Teil auch "Ersatzvätern" überlassen hat, etwa Theo Lingen bei Hanne Hiob. Diese Dokumentation von arte ist ganz interessant dazu. Ich glaube, dass er aus Sicht seiner Kinder oft der abwesende Vater war. Aber jetzt spekuliere ich selbst herum. Sicher ist, dass Brecht seine Figuren nicht primär aus einer psychologischen Idee aufgebaut hat, sondern eher aus einer politischen. Er wollte aber dennoch lebendige Menschen auf die Bühne stellen und hat dazu durchaus Motive aus der Psychoanalyse verwendet, etwa die Pfeife des Kochs als Symbol für die erotische Anziehung zwischen Koch und Courage usw. Ich denke, dass das Thema Potential hat. Vielleicht recherchiere ich in diese Richtung noch etwas weiter.
mfg Mbdortmund 06:18, 8. Aug. 2011 (CEST)
Was aber auf alle Fälle in meinen Augen klarer zum Ausdruck kommen müsste, was der Ansatz jetzt denn genau aussagen will und was er für ein motiv oder erkenntnisinteresse er verfolgt. Möchte er eine Erklärung liefern für die Struktur der Brechtsstücke bzw. gewisser Stücke? möchte er zeigen wie psychosoziale Phänomene wie sie die Psychoanalyse beschreibt, sich im Werk Brechts wiederfinden? Soll damit etwas ausgesagt werden über die Wirkung der Brechtstücke? Oder über brecht selbst? Und was auch geklärt werden müsste ist die Frage: Wie wird das Vorhandensein dieser Strukturen erklärt? --Tets 18:53, 10. Aug. 2011 (CEST)

Angesichts des wachsenden Terrors in der Sowjetunion um 1930 unter Stalin klingt die Zustimmung Krabiels zum Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum bis zu dessen Vernichtung verharmlosend.

Zu diesem Satz hab ich noch einige Fragen, aber ich versuche mir mal selbst etwas klarer darüber zu werden. Aber sei schon mal darauf hingewiesen. Ist das eine Wiedergabe der Ansichten einer bestimmten Personen? --Tets 18:55, 10. Aug. 2011 (CEST)
Eine Quelle kommt direkt dahinter. Müsste das deutlicher werden? Mbdortmund 20:12, 10. Aug. 2011 (CEST)
Ich konnte den Satz keiner Quelle eindeutig zuordnen. --Tets 10:55, 11. Aug. 2011 (CEST)
OK, überarbeite ich oder streiche den Satz. mfg Mbdortmund 22:36, 11. Aug. 2011 (CEST)
So OK? Mbdortmund 01:56, 12. Aug. 2011 (CEST)

Also irgendwie finde ich das von Thimm mit Bezug auf die Psychoanalyse noch immer sehr spekulativ. Erstens ist ja ein großteil des Stücks schlicht und einfach die Wiedergabe eines alten Stückes aus Japan. Brecht verändert da nur wenige entscheidende Punkte, die letztlich nichts groß ändern an der Struktur Adoleszenzproblematik. Die ist wenn schon vorher da. Der Aufbau der Bühne lässt sich wohl zumindest ebensogut erklären durch die Voraussetzungen, die ein Lehrstück mit sich führt. Laientheater hat halt nicht die Möglichkeit, groß Requisite aufzutreiben. Und so findet sich in der späteren Jasager/neinsager Fassung ja auch die regieanweisung: der schmale grat muss von den Spielern aus Stühlen, Podesten Seilen usw. konstruiert werden - also das zielt alles auf ein nahezu überall herstellbares bühnenbild ab. Letztlich wird die Intention des Stückes vollkommen beiseite gelassen, und ein versteckter sinn unterstellt.. was übrigens das bühnebild angeht, so wäre es imo interessant, das bühnenschema wie brecht es skizzierte, hochzuladen. das ist eh nicht viel mehr als ein Kreis und ein strich :) --Tets 02:00, 9. Sep. 2011 (CEST)

Ich habe schon einmal überlegt, eine eigene Skizze zu zeichnen wegen des Urheberrechts, aber vielleicht hat die Zeichnung wirklich keine Schöpfungshöhe. Mbdortmund 02:59, 9. Sep. 2011 (CEST)

Neinsager

Mir fehlt der Bezug zum Neinsager. Sei es in diesem Artikel oder in einem eigenen Artikel (Rotlink?). Ich kenne aber eigentlich beide Stücke nur gemeinsam, was dem Jasager viel von seiner kollektivistischen und totalitären Tendenz nimmt, weil das Gegenmodell sogleich gebracht wird mit der Konsequenz bzw. zentralen Lehre: „Wer a sagt, der muß nicht b sagen. Er kann auch erkennen, dass a falsch war.“ Also abstrakter formuliert: Es ist eine individuelle Entscheidung, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden muss, aber dann auch so zu respektieren ist. Aber das kann natürlich auch die wohlmeinende Privatinterpretation meiner Deutschlehrer sein. Bessere "Quellen" habe ich jedenfalls nicht. Gruß. --94.222.46.234 09:42, 23. Aug. 2011 (CEST) Argh, Abmeldung übersehen: --Tavok 09:45, 23. Aug. 2011 (CEST)

Ich hatte darüber nachgedacht, das in einen eigenen Artikel zu packen, weil auch der Text des "Jasagers" in der Kombination mit dem "Neinsager" verändert wurde. Basisinfos finden sich ja auch in diesem Artikel. Aber vielleicht hast Du Recht und das gehört zusammen. Die Schwierigkeit bei Brechts Stücken besteht zum Teil darin, dass er Texte bei jeder Aufführung weiterentwickelt und dass die Darstellung schnell wirr wird, wenn man verschiedene Versionen durcheinander bringt.
aus dem Artikel hier:
"Brecht war selber unsicher, welche Wirkung das Stück bei den Zuschauern erreichte. Am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Neukölln, der späteren Karl-Marx-Schule, wurde das Stück im November 1930 aufgeführt und von den Schüler diskutiert. Am 9. Dezember erhielt Brecht vom Lehrer die Diskussionsprotokolle.[35] Auf der Basis dieses Feedbacks und der Kritiken entwickelte Brecht das Gegenstück, den „Neinsager“, um den Schülern die Intention deutlicher zu vermitteln, und entwickelte auch die erste Fassung weiter. Auszüge aus den Anregungen der Schüler[36] ließ Brecht im Heft 4 der Versuche zusammen mit dem modifizierten Stück veröffentlichen. Sabine Kebir sieht ihre Interpretation bestätigt, dass Brecht die Zuschauer dazu anregen wollte, gegen den Tod des Jungen zu protestieren."
Danke für den Hinweis. mfg Mbdortmund 12:03, 23. Aug. 2011 (CEST)
Ich bin mir ehrlich gesagt völlig unschlüssig ob ein oder zwei Artikel die bessere Wahl ist. Wenn ein Artikel, führt das zu einer sehr komplexen Artikelstruktur und beachtlicher Länge, weil vieles von dem bisherigen Text nur auf den Jasager bezogen ist und für den Neinsager bzw. die Kombination Der Jasager/Der Neinsager noch mal ähnlich viel geschrieben werden müsste. Allerdings lassen sich bei sorgfälter Arbeit Redundanzen besser vermeiden und Bezüge herstellen. Bei zwei Artikeln sind Redundanzen fast unvermeidlich und Bezüge schwieriger. Allerdings sind die Strukturen überschaubarer und die Artikel kürzer. Wahrscheinlich hängt die Entscheidung auch davon ab, ob der Neinsager als logische Fortentwicklung des Jasagers zu interpretieren ist (So würde ich deinen Verweis auf Sabine Kebir verstehen.) oder ob Brecht eher von zwei Stücken ausgegangen ist. Ich überlasse die Entscheidung gerne und mit größtem Vergnügen dem Autor ;-) Jedenfalls sollte die Frage vor der Kandidatur geklärt und umgesetzt sein. Gruß. --Tavok 14:04, 23. Aug. 2011 (CEST)
Mir ist durch Deine Kritik auch klar geworden, dass ich den Artikel übersichtliche strukturieren muss. Das Problem der zum Teil sehr unterschiedlichen Versionen bei Brecht bleibt schwierig zu bewältigen, weil die Erklärung der Umstellungen und Änderungen zu sehr öden Texten führt. Beim Jasager hat die Brecht-Gesamtausgabe immerhin zwei Varianten dokumentiert, bei anderen Stücken präsentieren sie meist die Versionen, die Brecht in den "Versuchen" publiziert hat. Nicht immer ist das eine belanglose Entscheidung, weil die Urversionen oft provozierender waren als die geglättete Endversion.
Ich bastele zur Zeit auch an einem Artikel zum "Badener Lehrstück vom Einverständnis" und da bemerkt Steckel zu Recht:
Patrick Steckel: „Die erste Fassung stellt eine für Brecht ungewöhnlich deutliche Kritik an dem Naturbewältigungswahn der Gattung Mensch dar, eine Entwicklung, die uns ja inzwischen in einige Schwierigkeiten zu bringen in der Lage war. Und die zweite Fassung stellt im Grunde nicht anderes dar als die Zurücknahme dieser Kritik.“
Na, auf jeden Fall werde ich zum Neinsager noch etwas liefern.
mfg Mbdortmund 23:48, 23. Aug. 2011 (CEST)

Also der ursprüngliche Jasager und die überarbeitete Fassung Jasager/Neinsager unterscheiden sich ja von der Aussage erheblich. Es wirkt ein wenig so, als wäre der ursprüngliche Jasager gewissermaßen die Frage, und der Jasager/Neinsager die Antwort darauf. Die Problematik des ursprünglichen Jasagers wird aufgelöst in die beiden Richtungen Ja sagen und Nein sagen. Wann ist es richtig ja zu sagen oder nein zu sagen. Da der Text sehr kurz ist und Brecht ja nur wenige entscheidende Änderungen vornimmt, lässt sich sehr gut nachverfolgen, welche Problematiken Brecht da verändert. Es ist ja besonders interessant, das Brecht diese Änderungen aufgrund von Diskussionen von Spielenden vornimmt. Soll das Lehrstück also wirklich etwas lehren, so mag man wohl die lehre im Jasager/Neinsager finden. Es ist auf jedenfall sehr interessant, wie stark Brecht die Aussage in den Fassungen ändert. oder wollte er wirklich nur die iegntliche Aussage des Jasgers im Jasager/neinsager verdeutlichen? --Tets 02:00, 9. Sep. 2011 (CEST)

Typisch für Brecht war, dass er seine Stücke immer wieder überarbeitete, vor allem im Zusammenhang mit Aufführungen und dann noch einmal für Veröffentlichungen. Das war bei den Lehrstücken besonders drastisch und auch problematisch, weil die Komposition zum Teil abgehängt wurde. Teilweise wurden dadurch Aufführungen lange unmöglich, weil Brecht auf seiner letzten Textvariante bestand und dafür keine (oder zumindest keine vollständige) Komposition vorlag. Ob die jeweils letzte Fassung die eigentliche Aussage enthält, ist zweifelhaft. Manchmal zeigen sich deutliche Akzentverschiebungen wie bei den Lehrstücken, manchmal geht es auch nur um Details. Gleichzeitig mit der Abmilderung der radikal zugespitzten ersten Fassung des Jasagers auf Intervention der Schüler und der Kritik entwickelt er die verschiedenen Fassungen der "Maßnahme", die den Gegensatz zwischen Individuum und Kollektiv / Partei auf der politischen Ebene auf die Spitze treiben. Eigentlich ist die radikale Frage, ob man sich für höhere Ziele und Gemeinschaften opfern soll, in der ersten Version des Jasagers eine herrliche Denkprovokation, die weiteren Varianten präsentieren dann so gute Gründe für das Selbstopfer, dass ein wenig von der Härte der ersten Variante verloren geht.

Dabei benutzt Brecht seine Stücke immer wieder auch als "Steinbruch", indem er Motive, Songs und Textpassagen von einem Stück ins andere transferiert, variiert, neu vertont oder vertonen lässt usw. Diese Entwicklungen sind zum Teil schwer nachzuzeichnen, es gibt zudem nur von wenigen Stücken eine historisch-kritische Ausgabe, die die Varianten systematisch aufarbeitet, manche Varianten sind sogar relativ schwer zu bekommen. Eine allgemeine Tendenz der Änderungen ist nicht so leicht festzulegen, bei der Mutter Courage etwa gibt es für die verschiedenen Verfilmungsversuche unter dem Druck der Politik eine Anpassung an die Normen des Sozialistischen Realismus, eine Anpassungsleistung, die Brecht nur sehr ungern zugelassen und am Ende doch wieder geknickt hat. Zusätzlich zu den aufgeführten bzw. veröffentlichten Varianten gibt es oft noch Vorarbeiten in Form von Fragmenten. Bei den Lehrstücken kommt noch hinzu, dass Brecht, Weill und Hindemith unter Termindruck komponiert und geschrieben haben und im Grunde bei der Uraufführung noch nicht richtig fertig waren. Beim Lehrstück zu Lindbergh gibt's dann wieder andere Gründe für inhaltliche Änderungen, etwa die wachsende Skepsis gegenüber dem Fliegerhelden Lindbergh, der zunehemend mit den Nazis und ihrer Luftwaffe sympathisierte. mfg Mbdortmund 02:57, 9. Sep. 2011 (CEST)