Theo Lingen

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Theo Lingen, Karikatur von Hans Pfannmüller, 1976

Theo Lingen (* 10. Juni 1903 als Franz Theodor Schmitz in Hannover; † 10. November 1978 in Wien) war ein deutsch-österreichischer Schauspieler, Regisseur und Autor.

Leben

Theo Lingen wurde 1903 als Sohn des Justizrates Theodor Schmitz und seiner Frau Maria Magdalena Overzier im Hannoveraner Stadtteil List geboren. Er wuchs in Hannover in der Hagenstraße nahe der Innenstadt auf und besuchte bis zur Unterprima das ehemalige Königliche Goethegymnasium, das er ohne Abschluss verließ. Beim dortigen Schülertheater war eine seiner Bühnenpartnerinnen Gretha von Jeinsen, die spätere Ehefrau des Schriftstellers Ernst Jünger.[1]

Bei Proben für eine Schulaufführung im hannoverschen Boulevardtheater Schauburg wurde Lingens schauspielerisches Talent entdeckt. Für seinen Künstlernamen bediente er sich des Namens der Geburtsstadt seines Vaters, Lingen (Ems). 1922 spielte er am Residenztheater Hannover, 1923 in Halberstadt, 1924 in Münster und Bad Oeynhausen, 1926 in Recklinghausen. Auf der Bühne erwarb er sich früh den Ruf eines Charakterkomikers, dessen virtuos-marionettenhafte Pointenarbeit bewundert wurde.

1928 heiratete er die ehemalige Ehefrau Bertolt Brechts, die Sängerin Marianne Zoff. Er spielte 1929 in Frankfurt am Main den Herrn Macheath in der zweiten Inszenierung von Brechts Die Dreigroschenoper. Er wurde daraufhin nach Berlin geholt, um die Rolle auch in der noch immer mit großem Erfolg laufenden Ur-Inszenierung zu übernehmen. Der Filmregisseur Fritz Lang war von Lingens Qualitäten ebenfalls überzeugt: In M (1931) und Das Testament des Dr. Mabuse (1933) beeindruckte Lingen in ernsten Rollen.

Dem breiten Publikum wurde Theo Lingen jedoch vor allem als Filmkomiker bekannt. Insgesamt wirkte er ab 1929 (erste Leinwandrolle in Ins Blaue hinein) in über 200 Filmen mit. Ab 1933 übernahm er ausschließlich komische Rollen. Zusammen mit Hans Moser bildete er in zahlreichen Filmen ein ungleiches Komikerpaar. Auch in Filmen mit Heinz Rühmann war er häufig ein wichtiger Nebendarsteller. Seine näselnde Stimme war sein Markenzeichen.

Da seine Frau jüdischer Herkunft war und er daher bei den Nationalsozialisten als „jüdisch versippt“ galt, was normalerweise einem Berufsverbot gleichkam, spielte Lingen mit dem Gedanken, ins Exil zu gehen. Aber dank seiner Popularität erhielt er eine Sondergenehmigung und konnte weiter auftreten. Lingen stand 1944 in der „Gottbegnadeten-Liste“ des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.[2]

Von 1939 bis 1960 lebte er mit Unterbrechungen in Strobl am Wolfgangsee im Bezirk Salzburg-Umgebung.[3] 1944 verlegte er seinen Wohnsitz nach Wien, wo er über Paul Hörbiger auch Kontakt zu einer kleinen Widerstandszelle knüpfte.[4] Anfang 1945 zog er sich nach Strobl am Wolfgangsee zurück. Dort wurde er im Juni 1945 aber nicht, wie gelegentlich irrtümlich berichtet wird, zum Ersten Bürgermeister gewählt. 1946 erwarb er die österreichische Staatsangehörigkeit.

Ab 1948 wirkte er als Charakterdarsteller am Wiener Burgtheater. Als Gast war er auch auf bundesdeutschen Theaterbühnen zu sehen. So spielte er ab 1951 am Berliner Renaissance-Theater. Berühmt wurden seine Verkörperungen spießbürgerlicher Figuren in Komödien von Carl Sternheim unter der Regie von Rudolf Noelte. Seinen letzten Theater-Auftritt absolvierte er am 30. Dezember 1971 an der Hamburgischen Staatsoper als Styx in Orpheus in der Unterwelt.

Beim Film führte Lingen gelegentlich auch selbst Regie, erstmals 1936 in der vierteiligen Eulenspiegel-Kurzfilm-Serie, später beispielsweise 1955 bei der Verwechslungskomödie Die Wirtin zur Goldenen Krone. Der privat als ernst, in sich gekehrt und belesen geschilderte Lingen schrieb das 1942 erschienene Lustspiel Johann, das mit ihm selbst in einer Doppelrolle von R. A. Stemmle verfilmt wurde, und außerdem den Erzählband Das kann doch nicht wahr sein.

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Büste in Strobl am dortigen Theo-Lingen-Platz

Ende der 1950er Jahre spielte er in den ersten beiden Karl-May-Farbfilmen Die Sklavenkarawane und Der Löwe von Babylon die Rolle des Sir David Lindsay. Dabei wandelte er sich in seinen Rollen allmählich vom gewitzten Untergebenen zum nervösen Vorgesetzten. In den 1960er und 1970er Jahren sah man ihn häufig in Comedyserien wie Klimbim, in Filmklamotten wie Die Lümmel von der ersten Bank und in der Neuverfilmung der Feuerzangenbowle.

Von Oktober 1963 bis Januar 1964 war Theo Lingen in der sechsteiligen Fernsehserie Das alte Hotel zu sehen, die donnerstags im Regionalprogramm vom NDR des Ersten Deutschen Fernsehens ausgestrahlt wurde. Er spielte dort in der Hauptrolle den Studienrat Sesselbein, der in Wien ein schlecht laufendes Hotel geerbt hat.[5] Gegen Ende seiner Karriere trat Lingen auch wieder in ernsten Rollen auf, so etwa als Sergeant Cuff in der Fernsehverfilmung von Wilkie CollinsDer Monddiamant (1973).

1975 und 1976 moderierte er mit Hans Rosenthal die Shows Schlagerfestival 1925 und 1926. Rosenthal und Lingen präsentierten in beiden Shows Hits, die jeweils genau 50 Jahre zuvor aktuell gewesen waren, daneben Witze aus diesen Jahren. Außerdem berichtete Lingen über interessante Ereignisse dieser Zeit. Von September 1975 bis kurz vor seinem Tod moderierte er die Sendereihe Lachen Sie mit Stan und Ollie im ZDF, in der er Originalfilme des Komikerduos Dick und Doof ankündigte und die Vita von Stan Laurel und Oliver Hardy schilderte. Die Anmoderationen sind zu einem großen Teil auch auf den DVDs mit den beiden Komikern enthalten.

Tod und Nachleben

Ehrengrab von Theo Lingen auf dem Wiener Zentralfriedhof

Lingen kollabierte im Oktober 1978 infolge einer Krebserkrankung und starb am 10. November 1978 in einem Krankenhaus in Wien. Die Stadt widmete dem Wahl-Wiener Theo Lingen ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 C, Nummer 46).[6] Auf seiner Grabplatte stand aus unbekannten Gründen das Sterbejahr 1979; das Datum wurde im Frühjahr 2012 korrigiert.

Lingens schriftlicher Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.[7] 2006 widmete die Gemeinde Strobl dem Schauspieler eine von der Künstlerin Eva Mazzucco gestaltete Skulptur, die auf dem eigens benannten Theo-Lingen-Platz aufgestellt wurde. In Lingen, dem Wohnort seiner Eltern, wurde 2007 ein neu geschaffener Platz vor einer ebenfalls neuen Unterführung nach ihm benannt. Seine Tochter Ursula Lingen (1929–2014) war ebenfalls Schauspielerin.

Lingen stand Pate für den bei bei Medizinstudenten beliebten Merkspruch für die Abgänge der Arteria carotis externa: „Theo Lingen fabriziert phantastische Ochsenschwanzsuppe aus toten Mäusen“.

Werke

  • Johann. Lustspiel in 3 Akten. Ahn & Simrock, Berlin 1942. – Als Manuskript gedruckt
  • Ich über mich. Interview eines Schauspielers mit sich selbst. Velber (Friedrich-Verlag) 1963, 76 Seiten
  • Theophanes. Hörspiel (Komödie); Regie: Walter Jokisch. Radio Bremen, 1949.
  • Eine Minute vor sieben. Krimihörspiel; Regie: Heinz-Günter Stamm. Bayerischer Rundfunk, München 1972 – Mehrfach gesendet.
  • Fein gegen Fein. Hörspiel in Briefen; Regie: Heinz-Günter Stamm. Bayerischer Rundfunk, München 1974.
  • Kidnapping. Krimihörspiel; Regie: Heinz-Günter Stamm. Bayerischer Rundfunk, München 1974 – Mehrfach gesendet.

Filmografie (Auswahl)

Filme

Fernsehserien

Hörspiele

  • 1949: Theo – Regie: Kurt Wilhelm
  • 1950: Ein Sommernachtstraum (nach William Shakespeare) – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1953: Romanze in Doll – Regie: Hanns Korngiebel
  • 1953: Der Apollo von Bellac – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1953: Eins, zwei, drei – Regie: Peter Hamel
  • 1954: Rendez-vous mit dem Erfolg – Regie: Peter Hamel
  • 1954: Minna von Barnhelm (nach Gotthold Ephraim Lessing) – Regie: Willi Schmidt
  • 1959: Seien Sie versichert (Sie können versichert sein) – Regie: Peter Hamel
  • 1962: Lily Dafon – Eine Pariser Komödie – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1963: Memoiren eines Butlers – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1964: Brave Diebe – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1965: Duell um Aimée – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1972: Eine Minute vor sieben (auch Autor) – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1974: Fein gegen Fein (auch Autor) – Regie: Heinz-Günter Stamm
  • 1974: Kidnapping (auch Autor) – Regie: Heinz Günter Stamm

Literatur

  • Rolf Aurich, Susanne Fuhrmann, Pamela Müller (Red.): Lichtspielträume. Kino in Hannover 1896–1991. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Theater am Aegi vom 6. Oktober bis zum 24. November 1991. Gesellschaft für Filmstudien, Hannover 1991, S. 166f.
  • Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen: Theo Lingen. Das Spiel mit der Maske. Aufbau-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-351-02668-4.
  • Rolf BadenhausenLingen, Theo. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 622 f. (Digitalisat).
  • Jörg Schöning: Theo Lingen. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, mit Essay von Georg Seeßlen, Lg 11, 1988
  • C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 435 f.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 5: L – N. Rudolf Lettinger – Lloyd Nolan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 49 ff.

Weblinks

Commons: Theo Lingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jörg Magenau: Brüder unterm Sternenzelt. Friedrich Georg und Ernst Jünger. Eine Biographie. Stuttgart 2012, S. 94.
  2. Lingen, Theo, in: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main : S. Fischer, 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 370
  3. Theo Lingen im Salzburgwiki abgerufen am 4. August 2013
  4. Wie österreichische Publikumslieblinge sich mit dem NS-Regime arrangierten In: profil vom 23. Februar 2010.
  5. Das alte Hotel. In: wunschliste.de. Abgerufen am 18. April 2020.
  6. Das Grab von Theo Lingen. In: knerger.de. Klaus Nerger, abgerufen am 8. September 2019.
  7. Theo-Lingen-Archiv Bestandsübersicht auf den Webseiten der Akademie der Künste in Berlin.