Diskussion:Treffen von Pyry/Archiv

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Beleg - POV

Ich habe Deinen umfassenden Artikel mit großem Interesse gelesen. Allein beim letzten Satz habe ich etwas auszusetzen:

  • Ohne diese hätte der Zweite Weltkrieg einen anderen Verlauf genommen[35] und die Welt sähe heute anders aus.

Ich bezweifele nicht, dass insbesondere der U-Boot-Krieg in einigen Monaten einen anderen Verlauf genommen hätte - und eine kriegsverlängernde Wirkung darf man wohl in Rechnung stellen. Die gewählte Formulierung, dass "der Zweite Weltkrieg einen anderen Verlauf genommen" hätte, kann indes so verstanden werden, als ob sogar ein Sieg Hitler-Deutschlands die Folge gewesen wäre oder hätte sein können. Der Nachklapp "und die Welt sähe heute anders aus" rückt diese Möglichkeit sogar als Wahrscheinlichkeit in den Blickpunkt.

Eine derartige monokausale Betrachtungsweise, als habe der Ausgang des Weltkrieg in erster Linie mit der Entschlüsselung der Enigma zu tun, ist m. E. unhistorisch. Diese fragwürdige These auf das Teffen von Pyry herunterzubrechen und dabei außer acht zu lassen, dass den Briten zweimal Enigma-Maschinen in die Hände fiel, ist doppelt kühn.

Zumindest ist es ein starker POV, der höchstens dann hier PLatz haben könnte, wenn diese fragwürdige Aussage mit Beleg namentlich einem bestimmten Autor zugeordnet und zudem dargestellt wird, wie diese Deutung von anderen Autoren/Rezensenten aufgenommen wurde. Optimal wäre dann ein eigener Abschnitt "Deutungen".

Ich schlage ansonsten vor, den oben beanstandeten Satz völlig zu streichen. MfG --H.Parai (Diskussion) 15:34, 16. Apr. 2015 (CEST)

  • Hallo H.Parai, vielen Dank für dein Interesse am Thema und deinen Diskussionsbeitrag! Es war durchaus meine Absicht, den Leser durch den Schlusssatz des Artikels etwas aufzurütteln und zum Nachdenken anzuregen. Wer weiß schon, was hätte alles anders laufen können, falls es das Treffen von Pyry nicht gegeben hätte? Möglicherweise wäre es den Briten dann nicht gelungen, die ENIGMA zu entziffern. Und welche Konsequenzen das auf den Kriegsverlauf und auf eine mögliche andere Nachkriegsordnung gehabt hätte, darüber ließe sich trefflich spekulieren. Im Artikel möchte ich aber, anders als du hier in deinem Kommentar, nicht auf mögliche Details eingehen und schon gar nicht spekulieren. Deshalb erwähne ich den von dir hier angesprochenen U-Boot-Krieg auch nicht. Täte ich es doch, dann könnte ich leicht Belege, wie von dir eingefordert, bringen. Beispielsweise äußerte sich der auch im Artikel genannte Ralph Erskine einfach und klar: Der Einbruch in die Marine-ENIGMA „rettete Großbritannien vor der Niederlage im U-Boot-Krieg“.[1] Wie sich die Geschichte insgesamt in einem solchen Fall tatsächlich weiterentwickelt hätte, kann niemand sagen, denn die Geschichte verrät uns ihre Alternativen nicht. Die von dir hier angesprochene Alternative ist eine mit der denkbaren Extrem-Folge, dass wir nun auf einem „Nazi-Planeten“ leben würden. Nur nebenbei: Den gibt es tatsächlich, aber nur in einer Enterprise-Folge (Patterns of Force), und das ist Science-Fiction. Diese „Nazi-Variante“ ist aber hier von dir eingebracht worden und wird von mir mit keinem Wort angesprochen. Eine andere Alternative, die du hier nicht beschreibst und die ich für eher wahrscheinlich halte, wäre der Abwurf der ersten Atombombe statt auf Hiroshima auf das Ruhrgebiet gewesen. Dieses hypothetische Szenario beschreibt übrigens der im Artikel ebenfalls genannte David Kahn.[2] So hätte es nach Ansicht mehrerer Historiker kommen können, wenn der Krieg nur wenige Monate länger gedauert hätte, und wir hier in Europa beziehungsweise unsere Eltern oder Großeltern nicht das Glück gehabt hätten, kurz vor der Fertigstellung der Atombombe das Kriegsende zu erleben. Mich beispielsweise (als geborenen Nachkriegs-Bochumer) würde es dann vermutlich nicht geben. Zum Glück für uns Lebenden ist der Zweite Weltkrieg so ausgegangen, wie wir es wissen. Daran ändert auch unsere Diskussion oder der Artikel nichts. Deine Vorwürfe „monokausale Betrachtungsweise“, „doppelt kühn“, „starker POV“, „fragwürdige Aussage“ sind sämtlich unangemessen. Wenn du Wert darauf legen solltest, widerlege ich dir jeden einzelnen. Aber vielleicht hilft ein Blick in die Wikiquette und möglicherweise die nähere Betrachtung der historischen Tatsachen, denn die Entzifferung der ENIGMA beruhte, anders als von dir hier formuliert eben nicht darauf, „dass den Briten zweimal Enigma-Maschinen in die Hände fiel[en]“. Den von dir hier vorgeschlagenen neuen und eigenen Abschnitt „Deutungen“ halte ich für überflüssig. Falls dich dieses Thema interessiert, empfehle ich dir einen Blick in das im Schlusssatz des Kapitels Folgen bereits verlinkte Kapitel Geschichtliche Konsequenzen im Hauptartikel zur ENIGMA. Gruß von --OS (Diskussion) 08:31, 17. Apr. 2015 (CEST)
Ich wollte nicht gegen selbstverständliche Gebote der Höflichkeit verstoßen oder Deine Arbeit herabsetzen. Aber meine Einwände ) („monokausale Betrachtungsweise“, „doppelt kühn“, „starker POV“, „fragwürdige Aussage“ halte ich nach wie vor der Sache angemessen - auch nachdem ich dem Link Geschichtliche Konsequenzen gefolgt bin. Dort fällt mir als unausgewogen auf, dass den spekulativen Einschätzungen (zwei Jahre kriegsverlängernd, Atombombenabwurf, ungewisser Sieg) keine einzige Gegenposition gegenübergestellt ist. Sollte es wirklich keine Rezension geben, die solche hochspekulativen Folgerungen anzweifelt, zurechtrückt oder zurückweist?
Der wertende Satz Ohne diese hätte der Zweite Weltkrieg einen anderen Verlauf genommen[35] und die Welt sähe heute anders aus. muss m. E. zwingend als eine einem bestimmten Autor zuzuordnende Aussage gekennzeichnet werden. ("XYZ schätzt die Bedeutung des Treffens von Pyry so ein, dass der Zweite Weltkrieg...). Besser noch - vielleicht aber hier den Rahmen sprengend - auch relativierende Deutungen anderer Autoren einbringen. MfG --H.Parai (Diskussion) 14:48, 19. Apr. 2015 (CEST)
Ich möchte H.Parai beipflichten. Solche "ohne XY sähe die Welt anders aus"-Aussagen sind immer sehr schwierig. Ich würde ebenfalls anregen, den Schlusssatz um ein "nach Einschätzung von..." zu ergänzen, dann ist die Wirkung des Satzes immer noch die, die Du, Benutzer:OS, beschreibst, zugleich ist er aber unzweifelhaft neutral und vermeidet POV-Probleme. Gruß, --Wdd (Diskussion) 10:42, 9. Jun. 2015 (CEST)

Als Referenz am Ende dieses Satzes wird bereits auf Francis Harry Hinsley & Alan Stripp hingewiesen, deren Einschätzung übrigens von vielen namhaften Persönlichkeiten geteilt wird (siehe auch: Enigma (Maschine)#Geschichtliche Konsequenzen). Gruß von --OS (Diskussion) 10:52, 9. Jun. 2015 (CEST)

Fußnoten werden leider meist nicht wirklich gewürdigt und wahrgenommen (außer auf WP:KALP ;-)), daher würde ich Hinsley und Stripp als Vertreter dieser auch für mich durchaus plausiblen Theese dennoch direkt im Text namentlich nennen. Das habe ich bspw. in „meinem“ Artikel zu Julius Dorpmüller mit einigen der Einschätzungen zu seiner Rolle so gemacht, siehe Julius Dorpmüller#Geschichtswissenschaftliche Rezeption. --Wdd (Diskussion) 15:04, 9. Jun. 2015 (CEST)
  • Hallo Wdd, danke für deine freundliche und geduldige Ansprache. Hab den Schlusssatz nun völlig umformuliert, sozusagen weichgekocht, und hoffe, dass sich nun wirklich kein Leser mehr daran anstößt, obwohl der ursprüngliche Schlusssatz nach meiner Auffassung besser geeignet war, die Bedeutung des Treffens von Pyry zu unterstreichen und zu würdigen und den Leser zum Nachdenken anzuregen. Gruß von --OS (Diskussion) 06:45, 10. Jun. 2015 (CEST)

Eisenbahntechnisches Detail

Faszinierender Artikel, bei dem mir allerdings ein eisenbahntechnischer kleiner Fehler aufgefallen ist. Da wird ein "Paris-Moskau-Express" erwähnt. Einen Zug diesen Namens gab es 1939 allerdings nicht, egal was manche eisenbahnfremden Quellen für Zugnamen so erwähnen. Durchgehende Züge zwischen Paris und Moskau wurden erst lange nach dem Krieg eingeführt. Der einschlägigen Tabelle der Kursbuchstrecke 122c im Sommerfahrplan 1939 ist zu entnehmen, dass es über den Bahnhof Neu Bentschen damals zwei Züge zwischen Paris und Warschau (weitere über andere Übergänge existierten nicht) gab, den Nord-Express (L11/12) und den D23/24. Einer der beiden Züge wird von den Franzosen benutzt worden sein, wahrscheinlich der nur aus Schlafwagen bestehende Nord-Express, der deutlich schneller war und zudem als Zug der CIWL zwar nicht exterritorial war, aber zumindest durch seine internationalen Fahrgäste durch die deutschen Grenzbehörden weniger intensiv kontrolliert wurde. --Wdd (Diskussion) 10:35, 9. Jun. 2015 (CEST)

  • Hallo Wdd, vielen Dank für den Hinweis und deine Erläuterungen! Bin selbst schon einmal vor vielen Jahren mit dem "Paris-Moskau-Express" nach Warschau gefahren und hatte – offensichtlich irrtümlich – angenommen, es hätte ihn auch schon vor dem Krieg unter diesem Namen gegeben. Werde es korrigieren. Gruß von --OS (Diskussion) 10:57, 9. Jun. 2015 (CEST)
  • Hallo Wdd, als Zusatz-Info hier nur für dich der Originalsatz aus Kahns Buch (David Kahn: Seizing the Enigma – The Race to Break the German U-Boat Codes, 1939 –1943. Naval Institute Press, Annapolis, MD, USA, 2012, S. 92. ISBN 978-1-59114-807-4): „On the morning of Monday, July 24, Bertrand and the cryptologist Braquenié arrived in Warsaw by the overnight Nordexpress, which linked Paris and Moscow.“ Offensichtlich irrt Kahn hier (wie im Artikel erwähnt) bezüglich Zeitpunkten und Verkehrsmitteln, denn laut mehrerer anderer untereinander konsistenter Quellen, kamen die Franzosen erst später und zwar mit dem Flugzeug. Du hattest Recht mit deiner Einschätzung, dass es sich um den „Nordexpress“ gehandelt hätte. Den haben aber, wie gesagt, nicht die Franzosen benutzt, sondern möglicherweise oder sehr wahrscheinlich Denniston und Knox, die, im Gegensatz zu den Franzosen und zu Sandwith, unstrittig mit dem Zug (egal mit welchem genau) durch Deutschland reisten, „da wir Deutschland vermutlich zum letzten Mal sehen wollten“ und nicht wie Kahn es zusätzlich falsch darstellt, nämlich, dass die „drei britischen Delegierten mit dem Flugzeug anreisten“. Habe übrigens gestern noch sehr schöne Belege zur Zugreise entdeckt, nämlich Seiten aus Dennistons Reisepass, und diese wichtige Zusatz-Info gleich in den Artikel eingebaut. Auch dein Hinweis zum Grenzbahnhof Neu Bentschen (im Reisepass übrigens „Neu-Bentschen“ mit Bindestrich gestempelt) war somit völlig zutreffend. Danke und Gruß von --OS (Diskussion) 07:04, 10. Jun. 2015 (CEST)
  1. Ralph Erskine: Der Krieg der Code-Brecher. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Akademie aktuell, München, November 2002, S. 5.
  2. David Kahn: Das nicht geknackte Rätsel. In Robert Cowley (Hrsg.) Was wäre geschehen wenn? Knaur, 2006, S. 411. ISBN 3-426-77887-4 (Kontrafaktische Geschichte unter der Annahme, den Alliierten gelingt es nicht, die ENIGMA zu knacken)