Ein Prozent für unser Land
Ein Prozent für unser Land (auch Ein Prozent) ist ein 2015 gegründeter Verein, der als politisch rechtes Kampagnenprojekt,[1] „Netzwerk äußerst rechter Politiker und Aktivisten“[2] oder neurechte Bürgerinitiative,[3] in den Medien teilweise als rechtsradikal[4][5] und fremdenfeindlich[6][7], vom Verfassungsschutz als Verein von dem Verfassungsfeindliche Bestrebungen ausgehen[8], charakterisiert wird. Maßgeblicher Betreiber ist Philip Stein, ein rechtsextremer Verleger. Die Mitgründer von Ein Prozent sind das Institut für Staatspolitik, das rechtspopulistische, verschwörungsideologische Monatsmagazin Compact, der AfD-Funktionär und Vorsitzende der im September 2018 aufgelösten Patriotischen Plattform, Hans-Thomas Tillschneider, sowie der emeritierte Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider.[9][10]
Organisation
Der Verein wurde 2015 gegründet und warb als „Greenpeace für Deutschland“ um Spenden, um Aktionen gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu unterstützen.[2] Er finanziert sich unter anderem durch Crowdfunding.[11] Vorsitzender ist der völkische[12] Aktivist, Autor und Verleger Philip Stein, der unter anderem als Sprecher der Marburger Burschenschaft Germania fungiert und mehrfach für die Blaue Narzisse schrieb. Sein Stellvertreter ist der Landschaftsgärtner Helge Hilse.[13]
Der Verein, der sich selbst als „Bürgerbündnis“ oder „Bürgerinitiative“ bezeichnet, ist gut vernetzt, beispielsweise mit der deutschen und österreichischen Identitären Bewegung um den Wiener Studenten Martin Sellner. Unterstützt wird die Initiative auch von dem Aktivisten, Verleger und Gründer des neurechten „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), Götz Kubitschek, dem Herausgeber des Querfront-Magazins Compact, Jürgen Elsässer, und dem Vorsitzenden der früheren völkischen „Patriotischen Plattform“ in der AfD, Hans-Thomas Tillschneider.[13]
Der Verein hat seinen Sitz in Oybin.[1]
Name
Auf seiner Website erläutert der Verein zu seinem Namen, es brauche nur ein Prozent der Deutschen – nämlich 800.000 Menschen –, um eine ausreichende Wirkmacht für seine Ziele zu entfalten. Dazu werden Organisationen (Greenpeace mit seinen deutschen Fördermitgliedern, die SPD mit ihren Mitgliedern usw.) angeführt, die mit kleineren Mitgliederzahlen in Deutschland dennoch großen Einfluss haben. Ein Prozent der Deutschen als Mitstreiter sei daher genug („Ein Prozent reicht aus!“) und sei außerdem „machbar“.[14]
Ziele und Ideologie
Als Ziel geben die Aktivisten an, sich für „die Interessen der Deutschen“ und gegen „die illegale Masseneinwanderung“ einzusetzen. Man wolle die „deutschlandweiten Widerstandsbemühungen“ gegen die aktuelle Asylpolitik, die als „Umvolkung“ verstanden wird, vernetzen[15] und so eine Gegenbewegung aufbauen. Kubitschek bezeichnet das Projekt als „eine Art ‚NGO‘ für Deutschland“, ein „Greenpeace für Deutsche“. Man wolle ein Prozent der deutschen Bevölkerung erreichen, um politische Relevanz zu erlangen[16] und rechtes Gedankengut in die Popkultur tragen.[15]
Laut Bundesverfassungsschutz verorte sich die Gruppe im sogenannten „Widerstandsmilieu“. „Ein Prozent“ sehe sich „als ‚organisatorischen Motor‘ in der selbst ernannten ‚Mosaik-Rechten‘, die durch arbeitsteilige Aufgliederung und Entgrenzung im rechtsextremistischen Spektrum gekennzeichnet ist.“ Das Bundesamt für Verfassungsschutz verweist besonders auf die enge Verbindung von „Ein Prozent“ zur IBD. Zum einen ergebe sich dies laut Verfassungsschutz „aus direkten persönlichen Beziehungen, zum anderen umfassen die Kontakte auch die Unterstützung verschiedener Aktionen und Projekte, an denen aktive oder ehemalige Aktivisten der IBD maßgeblich beteiligt sind.“
Die ideologische Ausrichtung von „Ein Prozent“ werde durch Beiträge auf der vereinseigenen Website deutlich, die „pauschale Herabwürdigungen von Migranten und/oder Muslimen“ enthalten. So werde „ein direkter kausaler Zusammenhang“ zwischen Zuwanderung einerseits und Kriminalität sowie der Verbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten andererseits hergestellt. „Flüchtlingen aus arabischen Ländern spricht ‚Ein Prozent‘ grundsätzlich ab, legitime Gründe für ihre Flucht zu besitzen“, und somit „wird jegliche Migrationsbewegung als illegaler Akt dargestellt.“[17]
Aktivitäten
Aktivitäten des Vereins sind unter anderem „Mahnwachen“ und Demonstrationen sowie das Anbringen von Plakaten und das Verschicken von Flugblättern.[18][19] Er unterstützt mehrere aktivistische rechte Gruppen,[19] beispielsweise die vom deutschen Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung,[20] wie Philip Stein der Welt am Sonntag bestätigte. Man habe bereits mehrere Aktionen der Identitären Bewegung finanziell unterstützt. Auch werde man im Januar 2017 der Identitären Bewegung Österreich 10.000 Euro Prozesskostenhilfe zukommen lassen. Laut Verfassungsschutz nimmt der Verein für die Identitären eine immer wichtigere Rolle ein: Er wolle „finanzielles, juristisches, publizistisches und emotionales Auffangbecken für Aktivisten der Bewegung sein“. Noch werde „Ein Prozent“ jedoch nicht vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet.[21] Im Januar 2017 wurde bekannt, dass „Ein Prozent“ die Gustav-Stresemann-Stiftung finanziell unterstützen wolle, sollte diese von der AfD als parteinahe Stiftung anerkannt werden.[22]
Im März 2017 löste ein Beitrag auf der Vereinswebsite eine Welle von Hasstiraden bis hin zu Morddrohungen gegen den Sohn von SPD-Vize Ralf Stegner aus, die „Ein Prozent“ nach einem Hinweis des MDR löschen ließ. Laut Jochen Hollmann, Leiter des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalt, nehme man „Ein Prozent“ seit Ende 2015 wahr, Götz Kubitschek gebe sich mittlerweile öffentlich als deren Financier.[23]
Nach Angaben von Belltower.News ziehe der Verein keine klare Abgrenzung zu gewaltbereiten Neonazis,[24] nach Angaben des seit 2016 tätigen Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) der Amadeu-Antonio-Stiftung sei er „Schnittstelle zwischen der AfD, der „Neuen Rechten“ und dem klassischen Neonazi-Spektrum“.[25] Er unterstützte die Initiative des asylrechtsfeindlichen „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“, in der neben der Göttinger Hochschulgruppe der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative auch die NPD agiert.[16] Nach Angaben der Zeitschrift Vice unterstützte das Kampagnenprojekt zudem in Ostthüringen das „Altenburger Bürgerforum“, in dem sich auch bekannte Neonazis und Hooligans engagierten.[26]
Die Auftritte von Ein Prozent wurden im September 2019 bei Facebook und Instagram gesperrt. Eine Klage von Ein Prozent dagegen wurde abgewiesen.[27] Anfang Dezember 2020 sperrte YouTube das Konto von Ein Prozent.[28]
Literatur
- Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2020. Fakten und Tendenzen. – Kurzzusammenfassung –. Berlin 9. Juni 2021, Kap. Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus; Abschnitt Neue Rechte, S. 10, 18 (verfassungsschutz.de [PDF; 1,5 MB] Datei ist nicht barrierefrei): „Erstmalig wird die Neue Rechte mit mehreren Akteuren und Gruppierungen im Verfassungsschutzbericht aufgeführt. […] Dazu zählen unter anderem: Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD), die „Compact-Magazin GmbH“ (Verdachtsfall), das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) (Verdachtsfall) und „Ein Prozent e.V.“ (Verdachtsfall).“
Weblinks
- Ein Prozent
- Christian Fuchs, Paul Middelhoff: Die Wutmacher. Wie der kleine Verein „Ein Prozent“ versucht, radikal rechtes Gedankengut in die deutsche Gesellschaft zu mischen. In: Zeit online. 13. März 2019
- Das rechte „Ein Prozent“-Netzwerk. In: Antifaschistisches Infoblatt (AIB), 29. August 2019
Einzelnachweise
- ↑ a b Andreas Speit (Hrsg.): laut Volker Weiß: Das Netzwerk der Identitären: Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten. Ch. Links, Berlin 2018, ISBN 978-3-96289-008-7, S. 14, 32–35, 76–77, 137, 151.
- ↑ a b Volker Weiß: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Klett-Cotta, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-608-94907-0, S. 24 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Karina Becker, Klaus Dörre, Peter Reif-Spirek: Arbeiterbewegung von Rechts? Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2018, ISBN 978-3-593-50971-6, S. 112 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ apr/sev: AfD-Fraktionschef: Gauland beschäftigt offenbar weiteren Neonazi. In: Spiegel Online. 21. März 2018, abgerufen am 11. Dezember 2018.
- ↑ „Ein Prozent“ war Thema im Terror-Abwehrzentrum. Abgerufen am 11. Dezember 2018 (Von RND).
- ↑ AfD-Landtagskandidat mit rechtsextremen Kontakten. In: hessenschau.de. 28. Mai 2018, abgerufen am 16. August 2018.
- ↑ Konrad Litschko: Rechtes Netzwerk „Ein Prozent“: Die ungestörten Handwerker. In: Die Tageszeitung: taz. 27. Februar 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 16. August 2018]).
- ↑ Rechter Verein „Ein Prozent“ ist Verdachtsfall. Spiegel Online, 29. Juni 2020, abgerufen am 29. Juni 2020.
- ↑ Trude Brinker, Miro Dittrich: NGO der „neuen“ Rechten. „Ein Prozent für unser Land“. In: Belltower.News. 31. Mai 2016, abgerufen am 15. Juni 2021.
- ↑ János Neumann: Das »Ein Prozent« Recherchenetzwerk. Zwischen Hetze und peinlicher Inszenierung. In: Magazin der rechte rand. Ausgabe 169 – November 2017, abgerufen am 15. Juni 2021.
- ↑ Andreas Speit: Rechte Szene in Chemnitz: Sie wollen den Volksaufstand. In: Die Tageszeitung: taz. 30. August 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 11. Dezember 2018]).
- ↑ Annelie Naumann: AfD lädt völkischen Strategen in den Bundestag ein. In: DIE WELT. 4. Juli 2018 (welt.de [abgerufen am 16. Dezember 2018]).
Malene Gürgen: AfD lädt völkischen Aktivisten ein: Rechter Besuch im Bundestag. In: Die Tageszeitung: taz. 4. Juli 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 16. Dezember 2018]). - ↑ a b „Ein Prozent“ und die Neuen Rechten: Im Hinterland, rechts außen. In: mdr.de. 28. September 2016, archiviert vom Original am 9. August 2017; abgerufen am 9. August 2017.
- ↑ Über uns. In: einprozent.de, abgerufen am 15. Juni 2021;
siehe auch: Andreas Speit: NGO für Rechte in Deutschland: Wie Greenpeace, nur rechts. In: taz.de. 22. Januar 2016, abgerufen am 15. Juni 2021. - ↑ a b Rechte trauern mit Kalkül. In: n-tv. 21. Dezember 2016, abgerufen am 6. August 2017.
- ↑ a b Andreas Speit: NGO für Rechte in Deutschland: Wie Greenpeace, nur rechts. In: taz. 22. Januar 2016, abgerufen am 6. August 2017.
- ↑ Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2020. Juni 2021, ISSN 0177-0357, Kap. Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus. IV. Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten. 3. Verdachtsfall „Ein Prozent e. V.“, S. 83 (verfassungsschutz.de [PDF; 4,5 MB; abgerufen am 16. Juni 2021] Datei ist barrierefrei/barrierearm).
- ↑ Benjamin Breitegger: Anschlag am Breitscheidplatz: Ein Häufchen Wut. AfD-Politiker, ein Pfarrer und Herr Rosenkranz: In Berlin wollten rechte Bewegungen politisches Kapital aus dem Anschlag schlagen. Doch ihr Hass verhallt. In: zeit.de. 22. Dezember 2016, abgerufen am 6. August 2017.
- ↑ a b Neu-rechte Aktion in der Stadt: „Der Schild“ hängt Plakat an Denkmal. In: mz-web.de. 28. Januar 2017, abgerufen am 6. August 2017.
- ↑ Jan-Henrik Wiebe: Einprozent, IB und Bürger für Erfurt: Wer sind die neuen Rechten in Thüringen? In: thueringen24.de. 7. März 2017, abgerufen am 6. August 2017.
- ↑ Dirk Banse: Verfassungsschutz: Neurechte Identitäre planen schon die nächsten PR-Coups. In: welt.de. 18. Dezember 2016, abgerufen am 6. August 2017.
- ↑ AfD-Stiftung: Rechte Strippenzieher hinter Projekt „Stresemann“. In: tagesschau.de. Abgerufen am 1. Januar 2021.
- ↑ Wirbel um Drohungen gegen Politiker-Sohn. (Memento vom 9. August 2017 im Internet Archive) In: mdr.de, 9. März 2017.
- ↑ Trude Brinker, Miro Dittrich: „Ein Prozent für unser Land“ – NGO der Neuen Rechten. In: belltower.news. 13. November 2015, abgerufen am 6. August 2017.
- ↑ „Ein Prozent“ – Eine extrem rechte Organisation im Kampf um „kulturelle Hegemonie“. Abgerufen am 11. Dezember 2018.
- ↑ Björn Höcke und seine Freunde fordern jetzt Artenschutz für Deutsche. In: Vice. 27. Mai 2016 (vice.com [abgerufen am 2. Juni 2018]).
- ↑ Steffi Suhr: „Ein Prozent“ gesperrt: Rechtes Netzwerk verliert Prozess gegen Facebook. In: tag24.de, 29. November 2019, abgerufen am 10. Dezember 2020.
- ↑ Youtube sperrt Konto von rechtsextremem Verein „Ein Prozent“. In: DerStandard.at. 9. Dezember 2020, abgerufen am 10. Dezember 2020.