Einigung

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Die Einigung (lateinisch consensus) bezeichnet in der Rechtswissenschaft die inhaltliche Übereinstimmung mindestens zweier aufeinander bezogener Willenserklärungen. Auch umgangssprachlich versteht man hierunter mindestens zwei übereinstimmende Erklärungen oder Aussagen.

Allgemeines

Im Alltag bedarf es zu den verschiedensten Anlässen einer juristisch relevanten, rechtserheblichen Einigung. Diese setzt voraus, dass mindestens zwei rechtsfähige Rechtssubjekte zusammentreffen und dabei gegenseitig rechtsgeschäftliche Willenserklärungen austauschen, die aufeinander bezogen sein müssen. Diese Willenserklärungen müssen schließlich auch inhaltlich übereinstimmen, also deckungsgleich sein und einen Konsens bilden. Wenn Vertragsparteien entgegengesetzte Vertragsziele verfolgen (der Verkäufer möchte etwas verkaufen, der Käufer möchte etwas kaufen), müssen die Willenserklärungen spiegelbildlich deckungsgleich sein. Sie müssen ein gegenseitiges Einvernehmen über die gewünschten Rechtsfolgen herbeiführen.[1] Durch Einigung ist ein Vertrag erst geschlossen, wenn sich die Vertragspartner über alle Punkte geeinigt haben, die auch nur einer von ihnen geregelt wissen will.[1] Ein einziger strittiger oder ungeregelter Nebenpunkt bringt einen Vertrag zum Scheitern (siehe Punktation).

Einigung im Schuld- und im Sachenrecht

Einigung im Schuldrecht

Im Schuldrecht stellt die Einigung regelmäßig die einzige Voraussetzung für einen Vertrag dar (etwa beim Kaufvertrag oder bei der Abtretung). Der schuldrechtliche Vertrag ist folglich nichts anderes als eine freiwillige Einigung.[2]

Im deutschen Recht ist § 311 Abs. 1 BGB die zentralen Vorschrift für die Entstehung eines Schuldverhältnisses aufgrund einer vertraglichen Einigung.[2] Da durch ein Schuldverhältnis nicht nur Rechte entstehen, sondern jede der Vertragsparteien auch Pflichten zu übernehmen hat, müssen sie das Einverständnis zu diesem Vertrag meist mit ihrem ausdrücklichen rechtsgeschäftlichen Willen bekunden. Doch muss eine Einigung nicht immer ausdrücklich erfolgen. Gibt es keine besonderen gesetzlichen Regelungen, kann die Einigung auch durch schlüssiges Handeln herbeigeführt werden, etwa wenn der Käufer wortlos auf eine Ware zeigt und der Verkäufer sie ihm übergibt. Eine derartige konkludente Einigung liegt immer dann vor, wenn eine Vertragspartei mit ihrer Leistung einen bestimmten Erfolg bezweckt, die andere Partei dies erkennt und durch die Annahme der Leistung zu verstehen gibt, dass die Zweckbestimmung gebilligt wird.[3]

Einigung im Sachenrecht

Im Sachen- und Immaterialgüterrecht wird für einen Vertrag neben der Einigung regelmäßig noch eine Verlautbarung der Rechtsänderung (nach dem Publizitätsgrundsatz) verlangt, etwa bei der Übertragung des Eigentums durch die Übergabe oder bei der Übertragung des Patents durch die Änderung im Patentregister (§ 30 Abs. 3 PatG). Solche Einigungen werden, da sie auf Verfügungen über Rechte an Gegenständen gerichtet sind, auch als dingliche Einigungen bezeichnet.

Mangelnde Eindeutigkeit

Sind die einer Einigung zugrunde liegenden Erklärungen nicht eindeutig, bedürfen sie der Auslegung. Erklärungen sind auslegungsfähig, wenn sie mehrdeutig sind und auslegungsbedürftig, wenn die Erklärenden unterschiedliche Verständnisse für sich beanspruchen. Auslegung soll den Sinn und Inhalt von Erklärungen ermitteln und das wirklich Gewollte erforschen. Dazu ist das Ziel beider Einigungen, etwa der angestrebte Vertrag, von Bedeutung.

Einigungsmängel

Stimmen die aufeinander bezogenen Willenserklärungen nicht überein oder sind nicht alle Punkte eines Vertrages abschließend geregelt, liegt ein Einigungsmangel vor. Hierzu gehören der offene (§ 154 BGB) und der versteckte Dissens (§ 155 BGB). Da für die einer Einigung zugrunde liegenden Willenserklärungen Geschäftsfähigkeit des Erklärenden erforderlich ist, gibt es auch mehrere Unwirksamkeitsgründe. Eine Willenserklärung und damit eine Einigung können nichtig sein wegen Geschäftsunfähigkeit§ 104 ff. BGB), Formmangel (§ 125 BGB), Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB), Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB), Wucher (§ 138 Abs. 2 BGB), Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB) oder (Teil-)Unwirksamkeit von AGB§ 305 ff. BGB).

Übergang zur dinglichen Einigung

Schuldrechtliche Einigungen zielen oft auf sachenrechtliche Rechtsfolgen ab, können jedoch die dingliche Rechtsänderung nicht selbst herbeiführen. So einigen sich beim Kaufvertrag Verkäufer und Käufer schuldrechtlich auf einen Kaufgegenstand und einen Kaufpreis und verpflichten sich im Verpflichtungsgeschäft, die Ware zu übereignen und zu übergeben (§ 433 Abs. 1 BGB), den Kaufpreis zu zahlen und die Ware abzunehmen (§ 433 Abs. 2 BGB). Die Erfüllung erfolgt wegen des Trennungsprinzips durch gesonderte Erfüllungsgeschäfte, bei denen der Verkäufer die Ware übereignet und den Kaufpreis übernimmt und der Käufer den Kaufpreis übergibt und die Ware annimmt. Diese Übereignung der Ware und des Kaufpreises nach § 929 BGB erfordert neben der Übergabe eine dingliche Einigung. Bei Grundstücken heißt diese dingliche Einigung Auflassung. Die Gesetzesterminologie spricht anstatt von einem Vertrag von einer Einigung (z. B. § 873 BGB) und verdeutlicht damit, dass es sich bei der Übereinstimmung der auf eine dingliche Rechtsänderung ausgerichteten Willenserklärungen um eine besondere Art des „Einigseins“ handelt.[4]

Einzelnachweise

  1. a b Kurt Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 2011, S. 1059
  2. a b Jacob Joussen, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, Band 1, 2008, S. 20.
  3. BGHZ 44, 321, 323.
  4. Karl Heinz Schwab/Hanns Prütting, Sachenrecht, 23. Auflage, 1991, S. 13.