Erpetonyx

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Erpetonyx
Zeitliches Auftreten
Gzhelium
303,7 bis 298,9 Mio. Jahre
Fundorte
  • Prince Edward Island (Kanada)
Systematik
Wirbeltiere (Vertebrata)
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Amnioten (Amniota)
Sauropsida
Parareptilien (Parareptilia)
Erpetonyx
Wissenschaftlicher Name
Erpetonyx
Modesto et al., 2015
Art
  • E. arsenaultorum Modesto et al., 2015

Erpetonyx ist eine relativ basale Gattung der Parareptilien. Die Überreste der bislang einzigen beschriebenen Art, Erpetonyx arsenaultorum, entstammen der Cape-Egmont-Formation des jüngsten Oberkarbons (Gzheliums) von Prince Edward Island im Südosten Kanadas. Mit diesem Alter gilt Erpetonyx als das älteste zurzeit bekannte Parareptil und einer der ältesten bekannten Sauropsiden.

Etymologie

Der Gattungsname Erpetonyx ist zusammengesetzt aus den altgriechischen Wörtern ἑρπετόν (h)erpeton ‚kriechendes Tier, Kriechtier, Reptil‘ und ὄνυξ onyx ‚Kralle‘, bedeutet folglich so viel wie „Reptilkralle“. Das Epithet der Typusart ehrt die Familie Arsenault in Prince County, Prince Edward Island, die das bislang einzige bekannte Exemplar entdeckte und aufsammelte.

Merkmale

Der Holotyp von Erpetonyx arsenaultorum (ROM 55402) ist ein etwa 20 bis 25 cm langes, fast vollständiges und weitgehend im anatomischen Zusammenhang überliefertes Skelett. Der Schädel ist vor der Einbettung im Sediment nahezu komplett in seine Einzelteile zerfallen.

Als diagnostische Merkmale werden neben der eher geringen Körpergröße genannt: eine Anzahl von 29 Präsacralwirbeln (fünf Hals und 24 Rückenwirbel), teilweise ungewöhnlich kleine Handwurzelknochen, ein Winkel des distalen („unteren“) Ende des Femurs (Epicondylarwinkel) von 45° zur Längsachse des Knochens, ein relativ breites distales Ende des Metacarpale IV sowie kräftige, krallenartige terminale Phalangen mit ausgeprägtem Ansatzhöcker (Tuberkel) für den Flexormuskel.

Erpetonyx hat einen ursprünglichen, eidechsen­artigen Habitus. Das Maxillare besaß mindestens 15 spitze, schwach gekrümmte Zähne. Die Zähne zeigen eine Fältelung des Dentins (als ‚Plicidentin‘ bezeichnet), wie sie vom Parareptil Colobomycter bekannt ist. Das Gebiss ist prinzipiell homodont, ohne caniniforme Zähne, wie sie bei einigen anderen basalen Amnioten vorkommen (siehe → Hylonomus und → Paleothyris). Das Gaumendach, einschließlich des Processus quadratus des Pterygoids, ist mit kleinen Dentikeln bestückt. Der als Supratemporale identifizierte Knochen weist an seinem hinteren Ende einen kleinen Fortsatz („Hörnchen“) auf.

Die Gesamtanzahl der Wirbel betrug ungefähr 90. Neben den 29 Präsacralwirbeln sind dies drei Sacralwirbel und ca. 60 Schwanzwirbel. Die Neuralbögen besitzen in dorsaler Ansicht eine auffällige sanduhrartige Form. Die Extremitäten sind prinzipiell sehr ähnlich denen anderer ursprünglicher Reptilien. So lässt das erhaltene Material auf eine Phalangenformel der Hand von 2-3-4-5-3[2] schließen.

Systematik

Erpetonyx ist zwar das knapp älteste aber nicht das basalste Parareptil. Sie ist das Schwestertaxon der Bolosauriden, deren älteste Vertreter, Belebey augustodunensis aus dem erweiterten Karbon-Perm Grenzbereich des Autun-Beckens (Zentral-Frankreich)[1] sowie Bolosaurus striatus und „Bolosaurus traati“ aus dem untersten Perm (Asselium) von Nord-Texas (USA)[2] bzw. der Komi-Republik (Russland),[3] sich bis zur Entdeckung von Erpetonyx den Status des ältesten Parareptils teilten. Für die gemeinsame Klade von Bolosauridae (in der entsprechenden Analyse repräsentiert durch Belebey und Eudibamus) und Erpetonyx wurde der Name Bolosauria reaktiviert und neu definiert. Diese Bolosauria sind das basalste Taxon einer Procolophonomorpha genannten Klade, in der auch die „höheren“, mittel- und oberpermischen sowie triassischen Parareptilien, wie die Pareiasaurier und die Procolophoniden stehen.

Bedeutung

Die Entdeckung von Erpetonyx bestätigt nunmehr sicher die aus den kladistischen Analysen der basalen Sauropsiden[4][5] (= Reptilia im Sinne von Modesto & Anderson, 2004[6]) abgeleitete Hypothese, dass Parareptilien, als Schwestergruppe der Eureptilien, bereits im Oberkarbon gelebt haben müssen. Die phylogenetische Stellung von Erpetonyx erweitert innerhalb der Parareptilien zudem die Anzahl der Ghost Lineages ins höchste Karbon auf vier: Mesosauridae, Millerosauria (Millerettidae + Eunotosaurus), Bolosauridae und Australothyris + Ankyramorpha (Procolophonidae, Pareiasauria etc.).

Literatur

  • Sean P. Modesto, Diane M. Scott, Mark J. MacDougall, Hans-Dieter Sues, David C. Evans, Robert R. Reisz: The oldest parareptile and the early diversification of reptiles. Proceedings of the Royal Society B. Bd. 282, Nr. 1801, 2015, doi:10.1098/rspb.2014.1912.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jocelyn Falconnet: First evidence of a bolosaurid parareptile in France (latest Carboniferous-earliest Permian of the Autun basin) and the spatiotemporal distribution of the Bolosauridae. Bulletin de la Société Géologique de France. Bd. 183, Nr. 6, 2012, S. 495–508, doi:10.2113/gssgfbull.183.6.495
  2. P. Martin Sander: Early Permian Depositional Environments of Pond Bonebeds in Central Archer County. Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Bd. 69, Nr. 1–2, 1989, S. 1–21, doi:10.1016/0031-0182(89)90153-3 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate)
  3. Sean P. Modesto, Natalia Rybczynski: The amniote faunas of the Russian Permian: implications for Late Permian terrestrial vertebrate biogeography. S. 18–34 in: Michael J. Benton, Mikhail A. Shishkin, David M. Unwin, Evgenii N. Kurochkin (Hrsg.): The Age of Dinosaurs in Russia and Mongolia. Cambridge University Press, Cambridge UK 2000, ISBN 0-521-55476-4
  4. Jacques A. Gauthier, Arnold G. Kluge, Timothy Rowe: The early evolution of the Amniota. S. 103–155 in: Michael J. Benton (Hrsg.): The phylogeny and classification of the tetrapods, Volume 1: amphibians, reptiles, birds. Clarendon Press, Oxford 1988.
  5. Michel Laurin, Robert R. Reisz: A reevaluation of early amniote phylogeny. In: Zoological Journal of the Linnean Society. Bd. 113, Nr. 2, 1995, S. 165–223, doi:10.1111/j.1096-3642.1995.tb00932.x (alternativer Volltextzugriff: IUCN/SSC Tortoise and Freshwater Turtle Specialist Group).
  6. Sean P. Modesto, Jason S. Anderson: The Phylogenetic Definition of Reptilia. Systematic Biology. Bd. 53, Nr. 5, 2004, S. 815–821, doi:10.1080/10635150490503026 (alternativer Volltextzugriff: IUCN/SSC Tortoise and Freshwater Turtle Specialist Group PDF 552 kB).