Freundschaftsgesellschaft

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Unter Freundschaftsgesellschaft, auch Auslandsgesellschaft versteht man Vereine, die sich um die Völkerverständigung, den interkulturellen Dialog und den Kulturaustausch zweier Länder bemühen. Obwohl es sich durchwegs um reine Interessengruppen handelt, spielen sie neben der staatlichen Auslandskulturpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit traditionell auch in der hohen Diplomatie eine wichtige Rolle, da über solche Verbindungen informelle Verfahren abgewickelt werden können. Die Freundschaftsgesellschaften sind typische NGOs (Non-Governmental Organizations).

Grundlegendes

Geschichte

Netzwerksorganisationen für jeweilige Auslandsbürger gibt es seit dem Mittelalter, für Reiseaufenthalte etwa die Fondaco dei Tedeschi als Handelsniederlassung in Venedig (um 1200), im kirchlichen Umfeld die Animabruderschaft (1350) für Reichsdeutsche in Rom, die Landsmannschaften des frühen Studentenwesens, oder entstanden aus der Diaspora gewisser Volksgruppen (exilkirchlich Auslandsgemeinden, Vertriebenenorganisationen, und ähnliches). Umgekehrt entstanden beispielsweise im Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie schon im 19. Jahrhundert in Wien Interessensvereine der meisten Volksgruppen (wie Ungarn, Tschechen), und aus diesen entwickelten sich nach dem Zerfall der Monarchie Auslandsgesellschaften der Nachfolgestaaten in Österreich.[1] Dadurch bekamen sie zwangsläufig einen politischen, zumindest aber einen lobbyistischen Aspekt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden dann im Geiste der Völkerfreundschaft Organisationen, die sich primär um Abbau von Ressentiments durch gegenseitige Kontakte bemühten, also Kulturaustauschorganisationen im eigentlichen Sinne. Diese erhielten dann durch den weltweiten Tourismus einen weiteren Schub, als auch „exotische“ Länder kennenlernenswert wurden, und im Zuge der Globalisierung gibt es heute Freundschaftsgesellschaften zwischen vielen der um die 200 Staaten, und auch zusätzlich diverser Gruppen dieser Länder, etwa ethnischen, sprachlichen oder politischen Gruppierungen, sowie gänzlich internationale Gesellschaften. So

„[…] wurde Schritt für Schritt, durch die Bildung einer Vereinigung nach der anderen, ein unterstützendes und hochkarätig besetztes Netzwerk ‚stiller Diplomatie‘ installiert und behutsam erweitert; es arbeitete als gut positionierter Lobbyist und Sympathieträger […], die gewählten Vereinsstrukturen waren unverdächtige Organisationen.“

über die Jahre 1946 bis 1956 in Österreich[2]

International finden sich Bezeichnungen wie englisch Friendship Association, Friendship Society, International Society, französisch Association d’amitié.

Funktionen

Die Freundschaftsgesellschaften sind nicht-staatlicher Akteure der internationalen Beziehungen und der Außenpolitik, und damit charakteristische Nichtregierungsorganisationen (NGO), auch wenn sie sich als klein und oft ehrenamtlich organisiert deutlich von Global Playern wie Greenpeace oder amnesty international unterscheiden.[3] Der Ausdruck nicht-staatliche Organisation (NSO) beschreibt dabei einen etwas umfassenderen Begriff als NGO, insbesondere ist „nicht gänzlich ausgeschlossen, dass eine Verbindung zwischen den jeweiligen Akteuren und der Regierung besteht“, also „diese Organisationen [nicht] vollkommen unabhängig vom Staat agieren (können).“[4] Der Einfluss kann auch extremere Formen annehmen, so waren beispielsweise die Freundschaftsgesellschaften in kommunistischen Ländern, aus dem sozialistischen Gedanken der Internationale entstanden, sehr bald politisch instrumentalisierte Organisationen.[5] Ein Sonderfall ist beispielsweise auch Schweden, wo viele Freundschaftsgesellschaften im Rahmen des Parlaments (Riksdag) entstanden, und dieses selbst noch in 50 „international friendship associations and networks“ involviert ist.[6] Sonst sind die Gesellschaften aber meist adhoc unpolitisch, und nur idurch die Teilnahme hoher politischer oder diplomatischer Akteure als Person verflochten.

Gerade kleinere, weit voneinander entfernte Länder, die kein aufwändiges diplomatisches Netz haben, pflegen ihre bilateralen Kontakte gerne durch solche Freundschaftsgesellschaften, in denen dann meist einige hochrangigere politische oder wirtschaftliche Persönlichkeiten vertreten sind. Daneben gibt es aber auch kleine Gesellschaften, die aus rein privatem Enthusiasmus entstanden.

Typische Agenden von Freundschaftsgesellschaften sind neben der sozialen Kontaktpflege und der Lobbyarbeit für die gegenseitigen Interessen die Betreuung und Hilfestellung von Landesgenossen, in rechtlichen wie in wirtschaftlichen Angelegenheiten, aber auch Bildungsanliegen wie landeskundliche Vorträge und Publikationen, regionalkulturelle Veranstaltungen, oder die Vermittlung von Auslandsaufenthalten und Stipendien, bei ärmeren Ländern insbesondere auch die Hilfe in der Entwicklung – allesamt Aufgaben, die auch das staatliche Konsularwesen und die staatliche Auslandskulturpolitik verfolgt, wie sie auch an den Botschaften gepflegt wird.

Damit stehen sie nicht in Konkurrenz, sondern in Ergänzungen zum offiziellen staatlichen Vertretungswesen. Die etwas abwertende Bezeichnung „Bindestrich-Gesellschaften“[7] seitens der hohen Diplomatie charakterisiert die Beziehung der beiden.

Nationales

Österreich

Älteste der heutigen Auslandsgesellschaften ist die 1892 noch nach Art der Landsmannschaften gegründet Schweizer Gesellschaft Wien. Die Freundschaftsgesellschaften[8] beginnen dann unmittelbar Anfang der Besatzungszeit 1946 mit der Gründung der Österreichisch-Amerikanischen, Österreichisch-Sowjetischen und Österreichisch-Schwedischen Gesellschaft. Schon 1956/59 entstand im Rahmen des Österreich-Hauses im Palais Pálffy die Arbeitsgemeinschaft der österreichisch-ausländischen Gesellschaften,[9][8] zwischenzeitlich VÖAG, heute Dachverband aller österreichisch-ausländischen Gesellschaften – PaN (Partner aller Nationen) genannt. Diese akzeptiert für jeden Staat nur einen Vertreter, und gilt als die anerkannte Instanz der bilateralen und multilateralen Vereinigungen für Österreich. Sie vertritt mit um die 120 ordentlichen Mitgliedern an die 60 % aller Staaten weltweit.[9]

Von Seiten der Politik wurden die Freundschaftsgesellschaften „wegen des kulturellen und damit unverfänglichen Schwerpunktes der Aktivitäten“ unterstützt, anfangs vom Unterrichtsministerium, seit 1976 von dessen Kunstsektion, und in Folge vom jeweiligen Kulturministerium.[9]

Dachverbände

Auswahl:

Siehe auch

Literatur

  • Michael Wögerer: Einfluss nicht-staatlicher Organisationen auf die österreichische Außenpolitik am Beispiel der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft. Wien 2012 (othes.univie.ac.at [PDF; 3,4 MB; abgerufen am 25. August 2021] Diplomarbeit, Universität Wien).

Einzelnachweise

  1. Vergl. als Beispiel: Richard Basler: Ein kurzer Überblick über die Lage der Wiener Tschechen. In: integratio, Ernö Deak (Hrsg.): Von Minderheiten zu Volksgruppen. Wien 2004, Ein kurzer historischer Rückblick, S. 85/86 (kulturklub.at dort S. 3 f. [PDF] ganzer Artikel S. 83–99).
  2. Claus Walter (Hrsg.): Dachverband aller Österreichisch-Ausländischen Gesellschaften – PaN: Rot-weiß-rote PaN-Geschichten: 1945–2005. Wien 2005, OCLC 895161582, S. 7 f; zitiert nach Michael Wögerer: Einfluss nicht-staatlicher Organisationen auf die österreichische Außenpolitik. 2012, S. 91.
    „Unverdächtig“ bezieht sich hier insbesondere auf die Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg und im beginnenden Kalten Krieg (Fußnote 420 ebd.). Die Aussage ist aber für andere geopolitische Spannungsgebiete und Länder im Aufbau übertragbar.
  3. „NGO-Forschung auf Mikro-Ebene“, Michael Wögerer: Einfluss nicht-staatlicher Organisationen auf die österreichische Außenpolitik. 2012, S. 5 (ausführliche Diskussion dessen: 1.3.1. Nicht-staatliche Organisationen und bilaterale Solidaritätsgesellschaften. S. 7 ff und 1.4.1. Grundlegende Überlegungen zum Forschungsdesign S. 17 ff).
  4. Zitate Michael Wögerer: Einfluss nicht-staatlicher Organisationen auf die österreichische Außenpolitik. 2012, S. 7.
  5. Vergl. dazu etwa Hans-Georg Golz: Verordnete Völkerfreundschaft: das Wirken der Freundschaftsgesellschaft DDR-Grossbritannien und der Britain-GDR Society: Möglichkeiten und Grenzen. Leipziger Universitätsverlag, 2004, ISBN 3-937209-25-5, insb. Die Partei und ihr Staat. S. 21 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Friendship associations and networks. riksdagen.se, abgerufen 4. März 2015.
  7. Claus Walter: Rot-weiß-rote PaN-Geschichten. 2005, S. 10
  8. a b History: A red-white-red success story of recent and current Austrian history. (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dachverband-pan.org dachverband-pan.org.
  9. a b c Wögerer: Einfluss nicht-staatlicher Organisationen auf die österreichische Außenpolitik. 2012, 2.6.: Exkurs: PaN – Partner aller Nationen, S. 91 ff.
  10. ysl.fi Union of Friendship Associations in Finland – expat-finland.com International Friendship Associations and Societies in Finland
  11. haufo.org.vn – Hanoi Union of Friendship Organizations.