Friedrich Hilble

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Friedrich Hilble (* 10. Juni 1881; † 4. Juni 1937)[1] war ein Münchener Verwaltungsbeamter und berufsmäßiger Stadtrat.

Zur Person

Friedrich Hilble trat 1917 in die Münchner Stadtverwaltung ein.[2] Er war später bis zu seinem Tod im Jahre 1937 Leiter des Münchner Wohlfahrtsamtes und berufsmäßiger Stadtrat.[3] Bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war er ein Befürworter der Pflichtarbeit für Erwerbslose und von Kürzungen im Sozialbereich, anschließend verfolgte er diese Linie gegen „Asoziale“ und „Schmarotzer“ noch konsequenter.[4] Schließlich profilierte er sich auch bei der Diskriminierung jüdischer Wohlfahrtsempfänger und suchte um Schulung seiner Mitarbeiter in „Rassenpflege“ sowie NS-Ideologie nach. Er war zwar kein Mitglied der NSDAP, trat jedoch der NSV bei. Während der Weimarer Republik war er Mitglied der BVP.[2]

So kam der erste Vorschlag zur Inhaftierung von Erwerbslosen und Fürsorgeempfängern im KZ Dachau aus dem Amt von Hilble, mit dem Ziel, diese abzuschrecken und auszugrenzen.[5] Hilble selbst schrieb dazu 1937:

„Um sich die Erfolge der Arbeitsunterbringung der Unterstützten auch für die Zukunft zu sichern, werden die Gemeinden […] die Methoden fortsetzen, die sie, ohne daß ihnen hierin von den Arbeitsämtern besondere Gefolgschaft geleistet worden wäre, in den letzten Jahren zur Anwendung gebracht haben, und zwar auch sog. aussichtslosen Fällen gegenüber. Diese Methoden heißen: Pflichtarbeit, Fürsorgearbeit, Unterstützungssperre, wenn die Arbeit verweigert wird, schärfstes Vorgehen gegen DRÜCKEBERGER, FAULENZER, Unterhaltsverweigerer usw. Gerade bei dem heutigen Stand der Entwicklung wird man auf solche Einrichtungen nicht verzichten können, wo es gilt, die in Arbeit zu bringen, welche nicht arbeiten wollen und angeblich auch nicht können.“

Friedrich Hilble: „Die Neuregelung der unterstützenden Arbeitslosenhilfe“. In: Der Gemeindetag. Zeitschrift für deutsche Gemeindepolitik. 31. Jahrgang, Nr. 4 vom 15. Februar 1937.[6]

Ab 1934 konnten „arbeitsscheue“ Fürsorgeempfänger tatsächlich in das KZ Dachau eingewiesen werden;[7] das Münchner Wohlfahrtsamt unter Hilble war dabei bayernweit Spitzenreiter. Damit verkörperte Hilble „das schleichende Abgleiten der Sozialpolitik in das völkische Fahrwasser“.[8] Die Politikwissenschaftlerin Claudia Brunner charakterisierte ihn als „Musterbeispiel eines pflichtgetreuen peniblen deutschen Beamten“, dessen „Verdienste“ in der „unbarmherzigen Durchsetzung nationalsozialistischen Gedankenguts“ und der „uneingeschränkten Loyalität gegenüber einem unmenschlichen Regime“ bestanden.[9] Eine stärkere Verstrickung Hilbles in den Nationalsozialismus, so die Überzeugung Brunners, sei nur durch seinen Tod wegen eines Gallenleidens 1937 verhindert worden.[10]

Straßenbenennung nach Hilble

Straßenschild der Hilblestraße, eine Nebenstraße der Dachauer Straße

1956 wurde nach Hilble in Neuhausen-Nymphenburg auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne die Hilblestraße benannt. Sein besonderes Verdienst, so die offizielle Begründung, sei seine Initiative als verdienter Leiter des städtischen Wohlfahrts- und Jugendamtes zum Bau eines Altersheimes (das St.-Josef-Heim, mittlerweile bei der Münchenstift gGmbH) gewesen.[10]

2012 publizierte die Geschichtswerkstatt Neuhausen das Buch Von der „Aiblingerstraße“ bis „Zum Künstlerhof“, in dem die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg erläutert werden. Zur Hilblestraße heißt es darin: „Rund zehn Jahre nach der NS-Herrschaft eine Straße nach einem Mann zu benennen, der das System der Nazis und damit den verordneten Antisemitismus stützte und diesen in die Tat umsetzte, ist eigentlich unverständlich.“ Der Verein forderte die Stadt auf, diesen „unhaltbaren Zustand“ zu ändern.[10] Der Bezirksausschuss von Neuhausen-Nymphenburg beantragte daraufhin beim Münchner Stadtrat eine Überprüfung der Namensgebung dieser Straße. Der Kommunalausschuss entschied, diesbezüglich erst die Ergebnisse einer vom Stadtrat in Auftrag gegebenen Studie abzuwarten[11]: Seit 2010 wird an der Ludwig-Maximilians-Universität die Rolle der Münchner Stadtverwaltung in der NS-Zeit untersucht. Mögliche Straßenumbenennungen sollen erst nach der Veröffentlichung dieser Studie erfolgen, was in einem Zeitraum von 15 Jahren geschehen soll.[12]

Die Hilblestraße war Thema im Rahmen des Kunstprojektes Memory Gaps – Erinnerungslücken der Malerin Konstanze Sailer. Dabei wurde auf die „verwaltungstechnische Geschmacklosigkeit“ hingewiesen, dass die Hilblestraße eine Nebenstraße der Dachauer Straße ist.[13] Im Rahmen ihres Projektes benannte die Künstlerin die Hilblestraße nach einer in der Tötungsanstalt Bernburg ermordeten jüdischen Widerständlerin vorübergehend in Henriette-Rothkirch-Straße um.[14] 2022 soll die Straße nach Plänen der Stadt in Maria-Luiko-Straße umbenannt werden, nach der 1941 deportierten und ermordeten jüdischen Künstlerin Maria Luiko.[15]

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. Hilble, Friedrich, in: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929), Biographie Nr. 4197, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutsches Historisches Institut in Rom, 18. September 2015, abgerufen am 3. April 2016.
  2. a b Wolf Gruner: Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung. Oldenbourg Verlag, München 2002, ISBN 978-3-486-56613-0, S. 35.
  3. Zu seiner Tätigkeit in der NS-Zeit vgl. ausführlich: Florian Wimmer: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014.
  4. Wolf Gruner: Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung. Oldenbourg Verlag, München 2002, ISBN 978-3-486-56613-0, S. 312 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Rudolf Stumberger: Perfide Perfektion. In: neues-deutschland.de. 14. Dezember 2013, abgerufen am 11. Februar 2016.
  6. Zitiert nach: ZUM-Wiki: Soziale Frage als politische Frage. In: wikis.zum.de. Abgerufen am 11. Februar 2016 (Es ist nicht geklärt, ob die Hervorhebungen im Originaltext stattgefunden haben.).
  7. Der einschlägige Erlass des bayerischen Innenministers hierzu ist abgedruckt bei Wolfgang Ayaß (Bearb.): "Gemeinschaftsfremde". Quellen zur Verfolgung von "Asozialen" 1933–1945, Koblenz 1998, Nr. 31.
  8. Bernhard Gotto: Nationalsozialistische Kommunalpolitik. Oldenbourg Verlag, München 2006, ISBN 978-3-486-59636-6, S. 191 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Claudia Brunner: Bettler, Schwindler, Psychopathen. Die „Asozialen“-Politik des Münchner Wohlfahrtsamtes in den frühen Jahren der NS-Zeit (1933 bis 1936). Regenbogen Bayern, München 1993. Zitiert nach: Rudolf Stumberger: Dunkle Vergangenheit eines „Wohl“-Täters. In: bayerische-staatszeitung.de. 24. August 2012, archiviert vom Original am 11. Februar 2016; abgerufen am 11. Februar 2016.
  10. a b c Rudolf Stumberger: Dunkle Vergangenheit eines „Wohl“-Täters. In: bayerische-staatszeitung.de. 24. August 2012, archiviert vom Original am 11. Februar 2016; abgerufen am 11. Februar 2016.
  11. BA-Antrag Nr. 08-14 / B 02800 des Bezirksausschusses des 9. Stadtbezirkes Neuhausen-Nymphenburg vom 15. Februar 2011 (PDF-Datei)
  12. Caroline Wörmann, Rudolf Stumberger: Wem keine Ehre gebührt. In: merkur.de. 25. November 2012, abgerufen am 11. Februar 2016.
  13. Uwe Frank: Vielschichtiges digitales Gedenken. In: freitag.de. 7. September 2015, abgerufen am 11. Februar 2016.
  14. Konstanze Sailer: „Rothkirch“ – Ausstellung 01.–30. September 2015. Gap September 2015 – Erinnerungslücken. In: memorygaps.eu. 30. September 2015, abgerufen am 11. Februar 2016.
  15. Süddeutsche Zeitung vom 14. Januar 2022,https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-neuhausen-hilblestrasse-umbenennung-1.5506762