Hand- und Spanndienste
Hand- und Spanndienste, zeitgemäßer auch (verpflichtende) Gemeindedienste genannt, sind Naturaldienste zur Verminderung barer Gemeindeabgaben. Die Dienste verpflichten die Gemeindebürger zu bestimmten körperlichen Arbeiten, die unter dem historischen Begriff Frondienst zusammengefasst werden können. Sie beruhen in Deutschland auf dem Preußischen Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893.[1]
Arten von Naturaldiensten
Es gibt folgende Dienste:
- Handdienste: Der Dienstpflichtige hat mit seiner eigenen Hand Arbeiten zu verrichten.
- Spann- oder Gespanndienste (im historischen Kontext von Anspannen der Zugtiere): Der Dienstpflichtige hat ein Gespann oder Fuhrwerk (Zugvieh und Geschirr) zu stellen. Aktuell können hierzu natürliche oder justische Personen einer Gemeinde mit den Lastfahrzeugen und Zugmaschinen ihrer landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebe zur Dienstleistung herangezogen werden.[2]
- Schippendienste: Errichtung von Bauwerken, Anlage von Straßen, Wassergräben und Landwehren, Rodungen
Hand- und Spanndienste werden oft im Dienst der Allgemeinheit erledigt. Das kann etwa das Setzen von Feldsteinbrücken auf den Äckern, die Erhaltung von Dämmen oder auch der Bau von Ackerwegen und Landstraßen sein. Die dafür benötigten Materialien (Steine, Holz usw.) stellen meist die Behörden zur Verfügung.
Hand- und Spanndienste heute
Internationale Abkommen
Hand- und Spanndienste bzw. Gemeindedienste sind vom Verbot der Zwangsarbeit ausgenommen. Durch internationale Übereinkommen sind verpflichtende Leistungen und Arbeiten grundsätzlich verboten, innerhalb definierter Grenzen sind bestimmte Pflichtleistungen von diesem Verbot ausgenommen. Sie bildet beispielsweise einen Ausnahmetatbestand im Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 1930[3][4] und in Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Folgende Pflichtdienste gelten nicht als Zwangsarbeit:
- ein Pflichtdienst beim Militär und die damit verbundenen Wehrersatzdienste wie der Zivildienst sowie der bei militärähnlichen oder paramilitärischen Einrichtungen
- übliche Bürgerpflichten wie der verpflichtende Dienst bei einer Pflicht- oder Milizfeuerwehr
- die Arbeit im Strafvollzug[5]
- notwendige Arbeiten in Fällen höherer Gewalt, zum Beispiel verpflichtende Aufräumarbeiten nach Naturkatastrophen (Deichhilfe) oder die zivile Dienstpflicht von bestimmten Berufsgruppen, wie zum Beispiel Ärzten, LKW-Fahrern etc. in wirtschaftlichen Ausnahmesituationen
- Arbeit, die dem unmittelbaren Wohl der Gemeinschaft dient, wie eben Hand- und Spanndienste in kleinen Gemeinden[3][6]
Rechtliche Voraussetzungen in Deutschland
Auch heute sind Hand- und Spanndienste, geregelt von Bestimmungen im Grundgesetz und durch kommunalrechtliche Vorschriften in Deutschland, möglich. Gemeinden können ihre Einwohner unter gewissen Umständen zu Hand- und Spanndiensten bzw. Gemeindediensten, auch Naturaldienste oder „überkommene Pflichten“ genannt,[7] verpflichten (vgl. z. B. § 10 Abs. 5 GemO-BW[8] oder Art. 24 Abs. 1 Nr. 4 GemO-BY.[9])[10] Hierbei handelt es sich um öffentliche Dienstleistungspflichten im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Grundgesetz, die nicht gegen das Zwangsarbeitsverbot verstoßen.[11] Daher setzt das Grundgesetz strenge Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Hand- und Spanndiensten:
- Herkömmlichkeit: die Naturalleistungen sollen die Abgabenleistung der örtlichen Bevölkerung erleichtern
- Allgemeinheit: grundsätzlich ist jeder Gemeindeangehörige verpflichtet, die Gemeindelasten zu tragen
- Gleichheit: Orientierung am „Gerechtigkeitsgedanken“[12]
In den 1950er Jahren waren Hand- und Spanndienste in manchen ländlichen Regionen noch durchaus üblich.[13] Auch heute noch werden Hand- und Spanndienste in wenigen, kleinen Gemeinden ausgeführt,[14] wie zum Beispiel einmal jährlich in der niedersächsischen Gemeinde Winsen (Aller).[15][16]
Siehe auch
- Bürgerarbeit
- Grenzschutzdienstpflicht
- Pflichtfeuerwehr
- Pflichtjahr
- Scharwerk
- Soziales Pflichtjahr
- Wegestein
- Workfare
- Zivile Dienstpflicht
Literatur
- Hand- und Spanndienste – Habe keine Schippe. In: Der Spiegel. Nr. 40, 1954 (online – 29. September 1954).
- Gesetz über die Kriegsleistungen. Vom 13. Juni 1873. (Wikisource)
Weblinks
- Gemeinde Winsen (Aller): Voller Erfolg beim Hand- und Spanndienst für den Ländlichen Wegebau in Wolthausen und Wittbeck 2015. 3. Juli 2015
Einzelnachweise
- ↑ Das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893. Kommentar. Berlin 1894. Textarchiv – Internet Archive
- ↑ https://bad-sobernheim.de/files/pdf/685/sz-langenthal-03.pdf
- ↑ a b Übereinkommen 29 der ILO über Zwangs- und Pflichtarbeit 1930 (Memento vom 4. Juni 2011 im Internet Archive)
- ↑ ILO
- ↑ Timo Stukenberg, Olaya Argüeso: „Made in Germany“ – Wer von der Arbeit in Gefängnissen profitiert. Correctiv vom 21. Juli 2021, abgerufen am 24. Juli 2021
- ↑ GemO
- ↑ Art. 12 GG pdf - Zusammenfassung Öffentliches Recht - StuDocu
- ↑ Gemeindeordnung in der Fassung vom 24. Juli 2000. In: GBl., S. 582, ber. 698
- ↑ Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998. In: GVBl, 1998, S. 796
- ↑ https://www.bundestag.de/resource/blob/407420/5583ee4b1b59e96ab642cf8336224773/wf-iii-039-02-pdf-data.pdf
- ↑ https://www.juraforum.de/lexikon/hand-und-spanndienste
- ↑ Kommunale Finanzen und Kommunale Wirtschaft in der Google-Buchsuche
- ↑ Hand- und Spanndienste – Habe keine Schippe. In: Der Spiegel. Nr. 40, 1954 (online – 29. September 1954).
- ↑ http://www.rechtslexikon.net/d/hand-und-spanndienste/hand-und-spanndienste.htm
- ↑ https://winsenaller.de/wissenswertes/news/news-ansicht/news/hand-und-spanndienst-2019-in-wolthausen-und-wittbeck.html
- ↑ https://winsenaller.de/suchergebnisse.html?tx_indexedsearch_pi2%5Baction%5D=search&tx_indexedsearch_pi2%5Bcontroller%5D=Search&cHash=41e58604990397c93c725ed602a8c745