Grandbrothers

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Grandbrothers bei einem Konzert im Londoner Live-Club Village Underground

Grandbrothers ist ein deutsch-schweizerisches Musikduo, das 2011 in Düsseldorf[1] ins Leben gerufen wurde und stilistisch zwischen Klaviermusik und Electronica[2] verortet wird. Der Sound der Band ist maßgeblich geprägt durch die Mischung von klassischem Klavierspiel und einer selbst entwickelten Apparatur aus elektromechanischen Hämmern, die von einer Software gesteuert auf unterschiedliche Teile des Klaviers klopfen.

Geschichte

Erol Sarp und Lukas Vogel lernen sich 2007 während ihres Studiums am Düsseldorfer Institut für Musik und Medien kennen und gründen 2011 ihr gemeinsames Projekt Grandbrothers. Inspiriert von bedeutenden Vertretern der Neuen Musik wie John Cage oder Alvin Lucier, der Minimal Music eines Steve Reich aber auch zeitgenössischen elektronischen Acts bildet der Konzertflügel den Ausgangspunkt für ihre Musik. Während sich Sarp vornehmlich auf das Klavierspiel konzentriert, entwickelt sich Vogels musikalisches Interesse dagegen in eine elektronische und technische Richtung. Zusammen kreieren sie einen Sound, der klassische Klavierkompositionen mit elektronischer Klangästhetik und innovativen Produktionsmitteln verbindet[3][4]. Spezifisch für den Ansatz von Grandbrothers ist es, dass jeder Ton und jedes Geräusch durch ein einziges Instrument entsteht – einen klassischen Konzertflügel. Die Grenzen der klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten dieses Instrumentes werden allerdings mit Hilfe eines einzigartigen Systems aus elektromechanischen Hämmern verschoben und bis zum Äußersten ausgereizt.[5] Die französische Zeitung Libération fühlte sich von dieser Herangehensweise, die Welten der Akustik und Elektronik zusammenzuführen, gleichermaßen an Aphex Twin wie an Erik Satie erinnert.[6]

Noch bevor die erste Single „Ezra Was Right“ 2014 auf einer ersten EP bei dem Berliner Independent-Label FILM erscheint, findet der Song in der britischen Radiolegende Gilles Peterson einen frühen prominenten Unterstützer, der ihn zunächst in seiner legendären BBC Radioshow spielt[7] und später auf der Compilation „Bubblers 10“ veröffentlicht.[8]

Nach dem für seine musikalische Eigenständigkeit und Innovation von der Presse hochgelobten Debütalbum „Dilation“ (2015, FILM) folgt 2017 die zweite LP „Open“ bei dem Berliner Label City Slang. Auf der an die Veröffentlichung anschließenden ausgedehnten Europatournee spielt das Duo sowohl in klassischen Konzerthäusern wie dem Amsterdamer Concertgebouw[9] als auch auf Festivals wie dem Montreux Jazz Festival[10] oder in Live-Clubs wie dem Village Underground in London.[11]

Von März bis September 2019 setzen Grandbrothers dann ihre selbst gewählte Beschränkung auf den Konzertflügel als einzigen Klangerzeuger temporär außer Kraft und gehen mit einem in enger Zusammenarbeit mit dem russischen Komponisten, Geiger und Performer Mischa Tangian zusammengestellten zehnköpfigen Ensemble auf Konzertreise in Deutschland, die sie u. a. in die Elbphilharmonie in Hamburg[12] und die Bundeskunsthalle in Bonn führte.[13]

Technischer Aufbau

Aufbau von Grandbrothers mit selbstentwickelter Apparatur auf dem Flügel

Um die klanglichen Möglichkeiten des Flügels weit über das von John Cage eingeführte Präparierte Klavier hinaus auszuweiten, haben Erol Sarp und Lukas Vogel ein innovatives, komplexes System entwickelt, welches auch bei sämtlichen Liveshows zum Einsatz kommt: An einem Gestell, das über den Flügel ragt, sind über zwanzig elektromechanische Hämmer befestigt, die zum einen die Saiten anschlagen und zum anderen den Resonanzkörper des Flügels in ein Percussion-Instrument verwandeln. Zudem kommen Induktionsspulen zum Einsatz, sogenannte „Bows“, die die Saiten allein durch ein Magnetfeld in Schwingung versetzen und so synthesizerhafte Pads erzeugen.

Die auf diese Weise generierten Klänge werden wiederum aufgenommen und von Vogel in Echtzeit mit Effekten weiterverarbeitet oder verfremdet (Live-Sampling). Die gesamte Apparatur, die mit ihren vielfach verkabelten Hämmern und Bows beim britischen Musikmagazin Mojo Assoziationen an eine Nasa-Mission hervorrief[14], aber auch die Software zur Steuerung baute und programmierte Vogel in Ermangelung passender industriell gefertigter Teile selbst. Der Vorteil dieser computergesteuerten Technik liegt darin, dass anders als bei menschlich erzeugten perkussiven Elementen so exakt und präzise wie mit einem Sampler oder einem Drumcomputer gearbeitet werden kann, aber dennoch ein organischer, vollkommen eigenständiger analoger Sound erzeugt wird.

Filmkompositionen

Ab 2019 beginnen Grandbrothers zudem mit der Komposition von Filmmusiken. So steuern sie den Soundtrack zum Film „Hors normes“ („The Specials“) von Olivier Nakache & Éric Toledano bei, der im Mai 2019 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes Premiere feierte.[15] Ebenso schufen sie die Musik für Bettina Oberlis Filmdrama Wanda, mein Wunder.

Veröffentlichungen

Chartplatzierungen
Erklärung der Daten
Alben[16]
All the Unknown
  DE 72 09.04.2021 (1 Wo.)

LPs

  • 2015: Dilation (FILM)
  • 2017: Open (City Slang)
  • 2021: All the Unknown (City Slang)

EPs

  • 2014: Ezra EP (FILM)
  • 2016: Dilation Remixes (FILM)
  • 2018: Open Remixes (City Slang)

Filmmusik

Weblinks

Einzelnachweise

  1. von Markus Thiel: Interview mit den Grandbrothers. In: Keyboards Magazin. 1. Januar 2018, abgerufen am 10. Oktober 2019 (deutsch).
  2. Grandbrothers - Dilation. In: Musikblog.de. 19. März 2015, abgerufen am 10. Oktober 2019 (deutsch).
  3. Felix-Emeric Tota: Die Spannweite eines einzelnen Flügels. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27. März 2015, abgerufen am 10. Oktober 2019.
  4. Susanne Schramm: Grandbrothers spielen auf der „c/o pop“ in Köln: Steil nach oben. In: General-Anzeiger Bonn. Abgerufen am 10. Oktober 2019.
  5. Carsten Rochow: Grandbrothers - Gehämmerte Klaviermusik. In: Deutschlandfunk Kultur. Abgerufen am 10. Oktober 2019 (deutsch).
  6. Patrice Bardot: Claviers pas tempérés. In: Libération. 3. November 2017, abgerufen am 10. Oktober 2019 (französisch).
  7. Playlist Gilles Peterson. In: BBC 6 Music. Abgerufen am 10. Oktober 2019 (britisches Englisch).
  8. Website des online Plattenladen HHV. Abgerufen am 10. Oktober 2019.
  9. ADE: Kiasmos (live), special guests: Grandbrothers. In: Website des Konzerthauses 'Concertgebouw' in Amsterdam. Abgerufen am 10. Oktober 2019 (niederländisch).
  10. 52. Montreux Jazz Festival lockt mit über 250 Gratiskonzerten, Poolparties, Workshops und DJ-Sets. In: Ulm-News.de. Abgerufen am 10. Oktober 2019 (deutsch).
  11. Grandbrothers at Village Underground. In: Website des Konzertveranstalters Bird On The Wire. Abgerufen am 10. Oktober 2019.
  12. So, 1.9.2019 21 Uhr Grandbrothers & Ensemble. In: Website der Elbphilharmonie. Abgerufen am 10. Oktober 2019.
  13. Grandbrothers & Ensemble - Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland - Bonn. In: Website der Bundeskunsthalle in Bonn. Abgerufen am 10. Oktober 2019.
  14. Plattenkritik im britischen Mojo Magazin. (Ausgabe 11-2017)
  15. HORS NORMES. In: Website der Internationalen Filmfestspiele in Cannes. Abgerufen am 10. Oktober 2019 (französisch).
  16. Chartquellen: DE