Internationale Filmfestspiele von Cannes

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Notiz aus dem Jahr 1939 mit der Entscheidung der französischen Regierung, künftig nicht mehr an den Internationalen Filmfestspielen von Venedig teilzunehmen, sondern stattdessen ein eigenes Festival in Biarritz, Cannes oder Nizza auszurichten

Die Internationalen Filmfestspiele von Cannes (französisch le Festival de Cannes) zählen zu den weltweit bedeutendsten Filmfestivals. Sie werden seit 1946 jährlich im Mai an der Côte d’Azur veranstaltet. Hauptveranstaltungsort in Cannes ist das Palais des Festivals et des Congrès. Als Hauptpreis für den besten Film des Internationalen Wettbewerbs wird die Goldene Palme vergeben.

2021 wurde das Festival pandemiebedingt vom 6. bis 17. Juli ausgerichtet. Im Jahr 2022 wurde die 75. Auflage vom 17. bis 28. Mai veranstaltet.

Geschichte

Konzipiert wurden die Filmfestspiele auf Initiative des französischen Bildungs- und Kulturminister Jean Zay. Ursprünglich bereits für das Jahr 1939 geplant, fanden die ersten Internationalen Filmfestspiele von Cannes bedingt durch den Zweiten Weltkrieg erstmals von 20. September bis 5. Oktober 1946 statt.[1] 1948 und 1950 fiel das Festival wegen Finanzierungsschwierigkeiten aus.

1955 wurde der beste Film erstmals mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Die von der französischen Juwelierin Lucienne Lazon entworfene Trophäe löste den bis dahin vergebenen „Grand Prix“ ab.[2]

Infolge der Pariser Mai-Unruhen wurde das Festival 1968 am 19. Mai abgebrochen. Bereits am Vorabend war Louis Malle als Mitglied der Jury zurückgetreten. Malle, François Truffaut, Claude Berri, Jean-Gabriel Albicocco, Claude Lelouch, Roman Polański und Jean-Luc Godard drangen in den Großen Saal des

Palais des Festivals

und forderten die Unterbrechung der Vorführung als Solidaritätsbekundung mit den streikenden Arbeitern und Studenten. Die Aktion wurde auch als Antwort auf die kurz zuvor erfolgte Entlassung von Henri Langlois als Direktor der

gewertet.

Anlässlich der 50. Filmfestspiele von Cannes wurde Ingmar Bergman in Anwesenheit zahlreicher früherer Preisträger mit der „Palme der Palmen“ ausgezeichnet.[1]

Heute gilt Cannes als eines der wichtigsten und prestigeträchtigsten Filmfestivals der Welt.

Wettbewerbe und Preise

Die Filmpreise der Internationalen Filmfestspiele werden von einer jährlich neu zusammengestellten internationalen Jury vergeben, die hauptsächlich aus Filmschaffenden besteht. Der wichtigste Preis ist die Goldene Palme (

Palme d’Or

), mit der der beste Film des Wettbewerbs ausgezeichnet wird. Weitere von der Jury für den Gesamtfilm vergebene Preise sind (in absteigender Ordnung) der Große Preis der Jury (

Grand prix du jury

), der Preis der Jury (

Prix du Jury

) sowie der (nicht zwingend jedes Jahr vergebene) Spezialpreis der Jury. Daneben gibt es Preise in den Einzelkategorien weiblicher Darsteller, männlicher Darsteller, Regie und Drehbuch.

Die Trophäen werden von dem Schweizer Juwelier Chopard in Genf hergestellt und gestiftet. Chopard verleiht ebenfalls den Schmuck für die Prominenten.

Weitere Jurys zeichnen hier ebenfalls Wettbewerbsfilme aus. Am wichtigsten sind der FIPRESCI-Preis der internationalen Filmkritik (

Prix de la FIPRESCI

) sowie der Preis der Ökumenischen Jury (

Prix du Jury oecuménique

). Neben dem Hauptwettbewerb gibt es von Festivalseite noch den Kurzfilm-Wettbewerb mit der Goldenen Palme für Kurzfilme (

Palme d’Or du court métrage

), den Wettbewerb

Cinéfondation

, in dem Arbeiten von Filmstudenten prämiert werden, sowie die Reihe

, in der seit 1998 der

Prix Un Certain Regard

vergeben wird. Schließlich führen im Rahmen der internationalen Filmfestspiele sowohl die Vereinigung der Regisseure

Société des Réalisateurs de Films

mit ihrer

La Quinzaine des Réalisateurs

als auch die Kritikerorganisation

Syndicat français de la critique de cinéma

mit ihrer

La Semaine Internationale de la Critique

eine eigene unabhängige Parallelveranstaltung durch, bei denen ebenfalls eine Reihe von Preisen vergeben werden. Die seit 1978 vergebene Goldene Kamera (

) für ein Erstlingswerk dient dabei als Klammer, da der Preisträger von einer Jury aus Repräsentanten der drei Veranstaltungsträger aus den Wettbewerbsprogrammen aller drei Parallelveranstaltungen ausgewählt wird.

Die wichtigsten Auszeichnungen im Überblick:

Kategorie Originalbezeichnung verliehen seit
Goldene Palme Palme d’or 1955
Großer Preis der Jury Grand Prix 1959
Beste Darstellerin Prix d’interprétation féminine 1946
Bester Darsteller Prix d’interprétation masculine 1946
Beste Regie Prix de la mise en scène 1946
Bestes Drehbuch Prix du scénario 1969
Preis der Jury Prix du Jury 1952
Goldene Palme – Bester Kurzfilm Palme d’or du court métrage 1953
Goldene Kamera – Bester Debütfilm Prix de la Caméra d’or 1978
Ehrenpalme Palme d’honneur 2011

Ehrungen

In Cannes werden auch große Künstler geehrt. So 1985 der Meisterregisseur François Truffaut, der 1958 als Kritiker in Cannes ausgeschlossen wurde, da seine Berichte als zu kritisch empfunden wurden. Ein Jahr darauf erhielt er den Regie-Preis für sein Erstlingswerk Sie küßten und sie schlugen ihn. Nach den Pariser Mai-Unruhen boykottierte Truffaut mit Kollegen die Filmfestspiele, die deshalb 1968 nicht stattfinden konnten. Ein Jahr nach Truffauts Tod versammelte Jeanne Moreau in Cannes seine Stars (Jean-Pierre Léaud, Claude Jade, Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fanny Ardant) auf der Bühne und präsentierte eine

Hommage à François Truffaut

, die Claude de Givray als

Vivement Truffaut

verfilmt hat.

Ein weiterer Ehrenpreis ist der Prix Orange, der seit 1960 alljährlich von der Presse an einen Schauspieler oder eine Schauspielerin vergeben wird. Preisträger waren u. a. Annie Girardot (1961), Fernandel (1964), Philippe Noiret (1972), Claude Jade (1975) und Jean Marais (1998). Die Commission Supérieure Technique de l’Image et du Son (CST) verleiht für herausragende künstlerisch-technische Errungenschaften seit 1951 den Prix Vulcain de l’artiste technicien.

2018 vergab die Jury unter der Präsidentin Cate Blanchett zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals eine Palme d'Or spéciale an den französischen Regisseur Jean-Luc Godard, dessen Film Le Livre d'Image im Wettbewerb lief, aber keinen regulären Preis gewann. Mit dem neu geschaffenen Preis sollte sowohl der Film als auch Godards Leistungen für das Kino gewürdigt werden.[3]

Auseinandersetzung mit Netflix

Die Einladung der Netflix-Eigenproduktionen The Meyerowitz Stories und Okja 2017 rief kontroverse Diskussionen hervor. Grundsätzlich war diese konform der Statuten, es missfiel jedoch, dass Netflix die übliche Reihenfolge der Filmauswertung nicht einhält, sondern statt im Kino direkt via Video-on-Demand veröffentlicht. Daraufhin wurden die Statuten mit Wirkung ab 2018 geändert. Seitdem muss jeder Film für die Nominierung eine Kinoauswertung in Frankreich nachweisen.[4] Eine Kinoauswertung in Frankreich lehnt Netflix ab, da damit eine dreijährige rechtliche Sperrfrist für die SVOD-Veröffentlichung (Video-on-Demand per Abonnement) einhergeht.[5][6]

Literatur

  • Christian Jungen: Hollywood in Cannes: Die Geschichte einer Hassliebe, 1939–2008. Schüren, Marburg 2009, ISBN 978-3-89472-521-1
  • Enno Patalas: Cannes. Eine Ordnung im Verfall. In: Filmkritik, Nr. 7, 1966, ISSN 0015-1572, S. 367–368 (Patalas zeigt auf, wie schon damals eigentlich drei Festivals koexistierten: das offizielle, die Filmmesse als Treffen der Händler und Produzenten und das Festival als Treffpunkt der Cinephilen)
  • Kenneth Turan: Sundance to Sarajevo. Film festivals and the world they made. University of California Press, Berkeley 2002, ISBN 0-585-46625-4, Kap. Cannes, S. 13–30.

Weblinks

Commons: Internationale Filmfestspiele von Cannes – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b History of the Festival festival-cannes.fr, abgerufen am 5. April 2013 (englisch)
  2. A brief history of the Palme d'or festival-cannes.fr, abgerufen am 5. April 2013 (englisch)
  3. Film director Godard scoops special award in Cannes swissinfo.ch, abgerufen am 22. Mai 2015 (englisch)
  4. Hannah Pilarczyk: Filmfestspiele: Cannes 2017 - was Kinofans wissen müssen. In: Spiegel Online. 17. Mai 2017 (spiegel.de [abgerufen am 13. April 2018]).
  5. Europarat: IRIS Plus - Rechtliche Rundschau der europäischen audiovisuellen Informationsstelle. Abgerufen am 13. April 2018.
  6. Hannah Pilarczyk: Cannes-Programm 2018: Politisches unter Palmen. In: Spiegel Online. 12. April 2018 (spiegel.de [abgerufen am 13. April 2018]).