Griedel

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Griedel
Stadt Butzbach
Koordinaten: 50° 26′ 20″ N, 8° 42′ 24″ O
Höhe: 150 (148–168) m ü. NHN
Fläche: 8,85 km²[1]
Einwohner: 1592 (31. Dez. 2016)[2]
Bevölkerungsdichte: 180 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. August 1972
Postleitzahl: 35510
Vorwahl: 06033
Im gesamten Ort „rechts vor links“

Griedel ist ein Stadtteil von Butzbach im hessischen Wetteraukreis. Der Ort liegt an der Wetter.

Geschichte

Allgemeines

Am Osthang des Galgenberges ist aufgrund von Lesefunden ab 1991 ein Erdwerk (Erdwerk Galgenberg-Ost) der Michelsberger Kultur nachgewiesen. Durch die Nähe zu den Sandgruben ist die Fundstelle heute vermutlich zerstört. Dabei konnte eine vielfältige Keramik und Nutzgegenstände nachgewiesen werden, u. a. Tulpenbecher, geschweifte Becher vom „Munzinger Typ“, Knickwandschüsseln, Töpfe mit geschweifter Wandung und kurzem Hals, Schälchen, Schöpfer, stichverzierte Keramik und eine Ösenleistenflasche.[3] Weitere vielfältige Funde der Frühzeit finden sich westlich des Galgenberges bis Butzbach.

Bereits im 6. Jahrhundert soll eine Siedlung gegründet worden sein. Griedel wird aber erst 768 erstmals urkundlich unter dem Namen Gredila im Lorscher Codex erwähnt.

Die Griedeler Kirche gehörte früher zur Pfarrei Nieder-Weisel. Nach den Herren von Münzenberg wurden die Johanniter Patronatsherren. Ihnen folgten die Landgrafen von Hessen. Bereits im 14. Jahrhundert bestand eine Basilika, die dem hl. Peter geweiht war. Die heutige evangelische Kirche wurde 1911 erbaut.

Seit dem 17./18. Jahrhundert bis zum Jahr 1938 bestand eine jüdische Gemeinde in Griedel mit jüdischer Schule, jüdischem Bad und Synagoge.[4] Noch heute weisen ein jüdischer Friedhof (Griedel) mit 38 Grabsteinen sowie neun Stolpersteine auf das ehemals rege Gemeindeleben hin. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA-Leute angezündet. 1939 lebten noch acht jüdische Personen am Ort. Bis Mai 1940 hatten alle jüdischen Einwohner Griedel verlassen.

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die Gemeinde Griedel zeitgleich mit anderen Nachbargemeinden kraft Landesgesetzes am 1. August 1972 in die Stadt Butzbach eingegliedert.[5][6] Gegen diese Eingemeindung gab es in Griedel erhebliche Widerstände. Für Griedel wurde wie für die übrigen Stadtteile ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher eingerichtet.[7]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten, in denen Griedel lag, sowie deren Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][8][9]

Gerichte seit 1803

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das „Hofgericht Gießen“ eingerichtet. Es war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen, und somit war für Griedel ab 1806 das „Patrimonialgericht der Fürsten Solms-Braunfels“ in Gambach und später Wölfersheim zuständig.

Nach der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurden die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übertragen. Ab 1822 ließen die Fürsten Solms-Braunfels ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Hungen“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht das für Griedel zuständig war. Auch auf sein Recht auf die zweite Instanz, die durch die Justizkanzlei in Hungen ausgeübt wurde verzichtete der Fürst 1823.[14] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[15] Der Landgerichtsbezirk Hungen musste am 1. November 1848 Griedel an den Landgerichtsbezirk Butzbach abgeben.[16]

Aufgrund des Gerichtsverfassungsgesetzes wurden zum 1. Oktober 1879 die Landgerichte aufgehoben. An ihre Stelle traten Amtsgerichte und neu geschaffenen Landgerichte fungierten nun als Obergerichte. Der Bezirk des neuen Amtsgerichts Butzbach gehörte zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[17] 2004 wurde das Amtsgericht Butzbach aufgelöst und dessen Amtsbereich dem Amtsgericht Friedberg zugeschlagem.

Bevölkerung

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Griedel 1581 Einwohner. Darunter waren 69 (4,4 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 284 Einwohner unter 18 Jahren, 630 zwischen 18 und 49, 327 zwischen 50 und 64 und 360 Einwohner waren älter.[18] Die Einwohner lebten in 672 Haushalten. Davon waren 192 Singlehaushalte, 204 Paare ohne Kinder und 216 Paare mit Kindern, sowie 48 Alleinerziehende und 12 Wohngemeinschaften. In 147 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 420 Haushaltungen lebten keine Senioren.[18]

Einwohnerentwicklung

Griedel: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2015
Jahr  Einwohner
1834
  
724
1840
  
743
1846
  
743
1852
  
751
1858
  
786
1864
  
815
1871
  
800
1875
  
792
1885
  
804
1895
  
773
1905
  
839
1910
  
852
1925
  
928
1939
  
884
1946
  
1.363
1950
  
1.342
1956
  
1.279
1961
  
1.366
1967
  
1.460
1970
  
1.501
1980
  
?
1990
  
?
2008
  
1.607
2011
  
1.581
2015
  
1.610
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1][2]; nach 1970: Stadt Butzbach; Zensus 2011[18]

Historische Konfessionsstatistik

Im Jahr 1961 lebten 1060 evangelische (= 77,60 %) und 263 katholische (= 19,25 %) Einwohner[1] in Griedel.

Wappen

Am 30. Juli 1971 wurde der Gemeinde Griedel im damaligen Landkreis Friedberg ein Wappen mit folgender Blasonierung verliehen: In Blau ein goldenes Spiegelmonogramm (GR) um eine silberne sechsblättrige Rosette mit rotem Butzen.[19]

Sehenswürdigkeiten

Denkmalgeschütztes Empfangsgebäude des Bahnhofs Griedel an der nur noch im Museumsbetrieb durch die Eisenbahnfreunde Wetterau genutzten Butzbach-Licher Eisenbahn
  • Mikwe aus dem 19. Jahrhundert

Infrastruktur

Anmerkungen

  1. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Hungen; 1822 gingen die Rechte des „standesherrlichen Amts Wölfersheim“ an das Landgericht über, wo sie im Namen der Standesherren ausgeübt wurden) und Verwaltung.

Einzelnachweise

  1. a b c d Griedel, Wetteraukreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 17. April 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. a b Einwohnerzahlen der einzelnen Stadtteile. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Internetauftritt. Stadt Butzbach, archiviert vom Original; abgerufen am 22. Mai 2018. (archivierte Zahlen)
  3. Sandra Fetsch: Die Michelsberger Kultur in Hessen. Eine Analyse chronologischer und räumlicher Entwicklungen. Teil II, Dissertation an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Landau/Pf. und Graz 2017, S. 487 f.
  4. Information zur ehemaligen jüdischen Gemeinde und Synagoge Griedel
  5. Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Büdingen und Friedberg (GVBl. II 330-19) vom 11. Juli 1972. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1972 Nr. 17, S. 230, § 1 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,2 MB]).
  6. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 361.
  7. Hauptsatzung. (PDF; 103 kB) § 5. In: Webauftritt. Stadt Butzbach, abgerufen im Februar 2019.
  8. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: treemagic.org.
  9. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause's Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, DNB 013163434, OCLC 162730471, S. 12 ff. (google books).
  10. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 21, 428 (Online bei google books).
  11. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 424 (online bei Google Books).
  12. Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 135 (online bei Google Books).
  13. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  14. Theodor Hartleben (Hrsg.): Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Teil 1. Band 2. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S. 271 (online bei Google Books).
  15. Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
  16. Bekanntmachung, verschiedene Veränderungen in der Bezirkseintheilung der Landgerichte Laubach, Hungen, Lich und Butzbach betreffend vom 5. Oktober 1848 (Hess. Reg.Bl. S. 366)
  17. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  18. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 50 und 104;.
  19. Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Griedel, Landkreis Friedberg vom 30. Juli 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 33, S. 1350, Punkt 1168 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 2,9 MB]).

Weblinks

Commons: Griedel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien