Gynaikokratie

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Gynaikokratie (deutsch „Frauenherrschaft“) ist ein heute kaum verwendeter Begriff für die Herrschaft der Frau nicht nur in der Familie, sondern auch im Staat.

Allgemeines

Das Wort setzt sich zusammen aus altgriechisch γυνή (gyné) für „Frau“ und altgriechisch κρατεῖν (kratein) für „herrschen“. Der heute benutzte Begriff Matriarchat („Mutterherrschaft“) wurde nach 1880 in Abgrenzung zur „Gynaikokratie“ eingeführt,[1] Gynaikokratie und Matriarchat sind allerdings keine Synonyme, denn Mütter stellen lediglich einen Teil der Frauen dar. Im Jahre 1816 erschien das Buch „Gynaikokratie oder die Regierung der Frauen und Jungfrauen“, das die Gynaikokratie als Regierungsform begriff.[2] Erst unter einer Gynaikokratie könne die Ehe „die engste Verbindung einer tugendhaften Jungfrau mit einem tugendhaften Jüngling werden“.[3]

Geschichte

Der Begriff der Gynaikokratie stammt bereits aus der Antike, wo er im philosophischen Schrifttum des 4. Jahrhunderts vor Christus auftauchte.[4] Aristoteles verstand den Begriff bei seiner Kritik an den politischen Verhältnissen in Sparta als einen Kontrollverlust über Frauen und Sklaven und verband ihn mit einer mangelnden Gemeinwohlorientierung.[5] In der Spätantike diffamierte man mit Gynaikokratie das Machtstreben einzelner Frauen des römischen Kaiserhauses.[6] Die Völlerei am Hof der Ptolemäer durch Marcus Antonius soll zur Gynaikokratie der Kleopatra geführt haben.[7]

Als Begründer der modernen Geschichte der Matriarchatslehre gilt Johann Jakob Bachofen, der 1861 das Buch „Das Mutterrecht: Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur“ veröffentlichte. „Das Weib wählt sich den Mann, über den sie in der Ehe zu herrschen berufen ist“.[8] Er benutzte jedoch nie das Wort Matriarchat,[9] sondern sprach von Muttertum, Mutterrecht oder Gynaikokratie.

Inhalt und heutige Bedeutung

Für Bachofen war die Gynaikokratie die Herrschaft der Frau in Familie und Staat, das alleinige Erbrecht der Töchter und das Recht der Frau in der Partnerwahl.[10] Dies war nach seiner Auffassung stets mit einem politischen Übergewicht in der Gesellschaft mit einer Herrschaft der Frauen über die Männer verbunden.[11]

Die Gynaikokratie findet sich noch heute bei vielen Naturvölkern der außereuropäischen Welt, und ihre Spuren reichen unter den Kulturvölkern der alten Welt bis in die graue Vorzeit zurück.[12] „Bachofen entwarf eine – heute verworfene – Theorie der drei Entwicklungsstufen der Menschheit: die hetärische Gynäkokratie (Hetärismus), die eheliche Gynäkokratie und das Vaterrecht.“[13]

Literatur

  • Heide Wunder, Gynäkokratie. Auf der Suche nach einem verloren gegangenen Begriff der frühneuzeitlichen politischen Sprache. In: zeitenblicke 8, 2009, Nr. 2.

Einzelnachweise

  1. Beate Kortendiek/Birgit Riegraf/Katja Sabisch (Hrsg.), Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung, 2019, S. 211 f.
  2. Carmen Schiede, Gynaikokratie oder die Regierung der Frauen und Jungfrauen, 1816, S. 76
  3. Carmen Schiede, Gynaikokratie oder die Regierung der Frauen und Jungfrauen, 1816, S. 76
  4. Beate Kortendiek/Birgit Riegraf/Katja Sabisch (Hrsg.), Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung, 2019, S. 212
  5. Aristoteles, Politiká, 1269b, 23–34
  6. Prokopios von Caesarea, H.A. 5, 26
  7. Plutarch, Antonius, 10
  8. Johann Jakob Bachofen, Das Mutterrecht: Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur, 1861, S. 92
  9. das erst nach 1880 als Neologismus auftauchte
  10. Johann Jakob Bachofen, Das Mutterrecht: Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur, 1861, S. 397
  11. Uwe Wesel, Der Mythos vom Matriarchat: über Bachofens Mutterrecht und die Stellung von Frauen in frühen Gesellschaften vor der Entstehung staatlicher Herrschaft, 1980, S. 33
  12. Geschlecht und Gesellschaft (Hrsg.), Gestalten und Gesechlechten, Band 6, 1911, S. 531
  13. Hannelore Vonier: Frauenherrschaft existiert nicht (Verwechslung mit Matriarchat). In: matriarchat.info. Archiviert vom Original am 31. Juli 2015; abgerufen am 27. November 2019.