Handelskammer

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Siegelmarke Handelskammer Bremen
Siegelmarke Handelskammer Hamburg

Handelskammern oder Gewerbekammern (auch Kommerzkammern, Handelsdeputationen, kaufmännische Ältestenkollegien) sind Organe zur (Selbst-)Vertretung der kaufmännischen und industriellen Interessen in einem Bundesland oder einer bestimmten Region.

Geschichte

Kaufmannschaft ab dem Mittelalter

Die Idee der Selbsthilfe der Kaufleute durch Zusammenschluss geht bis ins Mittelalter zurück. 1451 hatten sich beispielsweise die Elterleute (Olderlüde des Koopmanns) der bremischen Kaufmannschaft eine Satzung gegeben. Sie war die schon vorher anerkannte Interessenvertretung gegenüber dem Rat der Stadt Bremen und aus diesem Gremium, das später dann auch Collegium Seniorum hieß, wurde 1849 die Handelskammer Bremen als „Staatsanstalt zur Förderung des Handels und der Schifffahrt“. Als Interessenvertretungen von Kaufleuten wurde in Hamburg 1665 die Commerz-Deputation gegründet, die 1867 dann den Namen Handelskammer Hamburg erhielt. 1675 gründete sich das Lübecker Kommerzkollegium und dieses Kaufmannskollegium wurde 1853 zur Kaufmannschaft zusammengefasst. Gleichzeitig entstand eine erste Handelskammer und erst 1937 wurden die beiden Gremien in einer preußischen Industrie- und Handelskammer zusammengefasst.

Die Bildung einer Handelskammer für den Regierungsbezirk Unterfranken und Aschaffenburg mit Sitz in Würzburg genehmigte 1843 König Ludwig I. von Bayern.[1]

Frankreich

In Frankreich entstand die erste Handelskammer 1599 in Marseille frei aus dem Handelsstand heraus, 1700 und 1701 wurden seitens der französischen Regierung mehrere solcher Institute eingerichtet. Während der Revolution 1791 aufgehoben, wurden sie unter Napoleon I. 1803 wiederum organisiert. Ihre Funktionen wurden durch spätere Regierungserlasse und Gesetze des Weiteren ergänzend festgestellt. Danach bestehen in Frankreich die Chambres de commerce, die Handelsräte, und die Chambres consultatives des arts et des manufactures, die Gewerbe- und Fabrikräte. Die ersteren umfassen größere und industriell wie kommerziell mannigfaltige Bezirke; ihre Kosten werden von sämtlichen Patentierten der einzelnen Bezirke bestritten, wogegen die Chambres consultatives des arts et des manufactures von den Städten, welche sie besitzen, unterhalten werden. In die Chambres de commerce können Handel- und Gewerbetreibende unterschiedslos durcheinander gewählt werden.

Verbreitung

Von Frankreich aus verbreitete sich die Einrichtung derselben über die meisten anderen Länder. Die erste Handelskammer im heutigen Deutschland wurde 1803 in Mainz auf Chaptals Beschluss vom 3 nivôse des Jahres IX (23. Dezember 1802) als Chambre de Commerce gegründet. In einigen anderen Ländern (wie in England, dann in Baden 1862–78 etc.) bestehen sie lediglich aus frei gebildeten Vereinen, in den meisten haben sie eine gesetzlich anerkannte öffentliche Stellung mit Beitragspflicht der Beteiligten, von denen z. B. in Preußen die Beiträge zur Kostendeckung durch Zuschläge auf die Gewerbesteuer erhoben werden, beratende Stimme für Wahrung der Bedürfnisse von Handel und Industrie mit dem Zweck, zwischen Handelsstand und Regierung zu vermitteln, Berichte, Anträge und Gutachten zur Unterstützung der Behörde zu erstatten. Vielfach sind ihnen auch gewisse Aufsichts- und Verwaltungsbefugnisse (Aufsicht über Börsen und andere Handelsanstalten) eingeräumt. Erstmals in diesem modernen Sinne in Preußen und Deutschland geschieht dies im ersten großen industriellen Ballungsraum Deutschlands in Wuppertal bzw. der Doppelstadt Elberfeld-Barmen wie diese damals noch hieß. Es entsteht hier bereits 1830 die erste Industrie- und Handelskammer moderner Prägung.

22. Juni 1830 - Genehmigung des neuartigen Status der Handelskammer von Elberfeld und Barmen. Die Unternehmer erhalten erstmals das Recht, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln und ihre Vertreter selbst zu wählen. Die Kammer soll die Interessen der Gesamtwirtschaft des Bezirks vertreten sowie Verwaltung und Politik in allen die Wirtschaft betreffenden Fragen beraten. Das Statut wird zum Modell für die preußische und später die gesamtdeutsche Kammergesetzgebung.[2]

Später setzt sich dies dann auch in anderen Regionen fort, so in Lübeck 1853. In Bremen hat die 1849 aus dem 1451 gegründeten „Collegium Seniorum“ hervorgegangene Handelskammer ihren Sitz im Schütting.

In Preußen wurden die Handelskammern 1848 und 1870 gesetzlich geregelt. Sie werden mit Genehmigung des Handelsministers errichtet. Die Mitglieder der Handelskammern werden von den Inhabern der in das Handelsregister eingetragenen Firmen gewählt. Ähnlich wie in Preußen wurden 1878 die Handelskammern in Baden eingerichtet. In einigen Ländern (Sachsen, Bayern, Württemberg) sind die Handelskammern im Interesse der kleinen Gewerbetreibenden mit Gewerbekammern verbunden, in Österreich, wo die Handelskammern ausgedehntere Rechte und Pflichten als in Deutschland haben, bestehen sie in der Regel aus einer Handels- und einer Gewerbesektion. In Bayern, wo 1868 für jeden Regierungsbezirk eine Handelskammer in Verbindung mit Abteilungen für die Gewerbe eingerichtet wurde, bilden die Bezirksgremien Unterabteilungen der Handelskammern, welche Teile des Bezirks der letztern umfassen und in denselben Sitz und Stimme haben. Ganz Deutschland zählt unter verschiedenen Benennungen über 200 Handelskammern mit sehr verschiedener Verfassung und Verwaltung. In Belgien wurden 1874 die gesetzlich organisierten Handelskammern wieder aufgehoben. In den meisten Ländern haben die Handelskammern alljährlich einen Bericht über den Gang von Handel und Industrie zu erstatten. Nicht zu verwechseln sind die Handelskammern mit den Kammern für Handelssachen, welche in Deutschland Abteilungen des Gerichts bilden (vgl. Handelsgerichte).

Nationales

Deutschland

In Deutschland gibt es derzeit 78 regionale Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie die Handelskammer Hamburg. Diese sind eigenverantwortliche öffentlich-rechtliche Körperschaften der wirtschaftlichen Selbstverwaltung und vertreten die Interessen ihrer zugehörigen Unternehmen gegenüber Kommunen, Landesregierungen sowie Politik und Öffentlichkeit. Aufgrund der sehr geringen Wahlbeteiligung bei den Vertreterwahlen der Kammern ist allerdings die Repräsentativität der Kammervertretung nur begrenzt vorhanden.

Die Kammern haben aufgrund der gesetzlichen Mitgliedschaft ihrer Mitglieder kein allgemeinpolitisches Mandat.[3]

Als Dachorganisation übernimmt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), im Auftrag und in Abstimmung mit den IHK, die Interessenvertretung der deutschen Wirtschaft gegenüber den Entscheidern der Bundespolitik und den europäischen Institutionen. Alle Gewerbetreibenden und Unternehmen mit Ausnahme reiner Handwerksunternehmen, Landwirtschaften und Freiberufler (die nicht im Handelsregister eingetragen sind) sind per Gesetz IHK-Mitglied und müssen Beiträge gemäß der Satzung der jeweiligen Kammer entrichten.

Die Kammern sind im Rahmen der dualen Berufsausbildung und verschiedener beruflicher Fortbildungszertifizierungen Prüfungsinstanz und bestellen i. d. R. drittelparitätisch die Prüfer aus den Gruppen der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Berufsschullehrer.

Kritik an den Kammern entstand u. a. an der gesetzlichen Mitgliedschaft, gegen die ein Zusammenschluss von Unternehmern angeht, sowie an geringer Transparenz.

Im Rahmen gerichtlicher Verfahren wurden mehrere Kammern verpflichtet ihre Rücklagen auf ein angemessenes Maß zu begrenzen und bei der Beitragserhebung zu berücksichtigen.

Die außenwirtschaftlichen Beziehungen der deutschen Unternehmen fördern in weltweit 90 Ländern 130 grundsätzlich bilateral organisierte Deutsche Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen (AHK) der Deutschen Wirtschaft. Für die AHK übernimmt der DIHK die Aufgabe der Koordination gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium und anderen inländischen Institutionen. Über diese Auslandshandelskammern führt die Bundesregierung die staatliche Außenwirtschaftsförderung mit einem Jahreshaushaltsposten in Höhe von zurzeit rund 40 Mio. Euro durch.

Österreich

Die österreichischen Handelskammern[4] wurden schon 1849 begründet, mit Pflichtmitgliedschaft und dem Recht auf Begutachtung von Gesetzes- und Verordnungsentwürfen. Nach Novellierungen 1850, 1868, 1920 und 1937[5] wurde die Vertretung durch das Handelskammergesetz 1946 (zuletzt 1995 novelliert) neu gestaltet, und Kammern der gewerblichen Wirtschaft genannt.[4] Mit dem Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) wurden die ursprünglichen Handelskammern endgültig in die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und ihrer Landesorganisationen übergeführt:[4] Für das exportorientierte Land wurden spezielle Handelskammern unzeitgemäß und mit dem EU-Beitritt Österreichs ein Gutteil der Außenhandelsbeziehungen eine Angelegenheit des Binnenmarktes.

Auf Bundesebene gibt es noch die ICC AustriaInternationale Handelskammer als Dienststelle.[A 1] Daneben gibt es als länderübergreifende Organisationen beispielsweise die Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein[A 2], die Französisch-Österreichische Handelskammer (CCFA),[A 3] die Österreichisch-Israelische Handelskammer (AICC)[A 4] und die Kroatisch-Österreichische Handelskammer.[A 5] Mit anderen Ländern bestehen gegenseitige Vertretungsstellen, durchwegs an den Auslandsvertretungen etwa in Form einer Handelsabteilung der österreichischen Botschaft durch die Außenwirtschaft Austria als Organisation der Wirtschaftskammer, respektive analog in den Vertretungen ausländischer Staaten in Österreich.

Schweiz

In der Schweiz existieren 18 kantonale und regionale Handelskammern. Die meisten von ihnen wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, im Zuge der Entstehung des modernen Schweizer Bundesstaates, gegründet. Durch die Kompetenzverlagerung an den Bundesstaat gewann die Einflussnahme durch Interessenorganisationen an Bedeutung. Die mit Abstand älteste Handelskammer der Schweiz ist die Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell, deren Ursprung auf das 15. Jahrhundert zurückgeht. Nach der Gründung des Kantons Jura 1979 entstand die jüngste Handelskammer der Schweiz.[6]

Die Handelskammern sind privatrechtliche Vereine und vertreten die Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen gegenüber den Behörden und bieten ihnen verschiedene Dienstleistungen an. Im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich gibt es in der Schweiz keine Pflichtmitgliedschaft für Unternehmen. Zusammen mit der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer sind die kantonalen Handelskammern in der Schweizer Industrie- und Handelskammer (SIHK) zusammengeschlossen.[7]

Literatur

  • Roland Zeise: Zur Genesis und Funktion der Handelskammern und des Deutschen Handelstages bis zur Reichsgründung 1871. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1976/4. Akademie-Verlag, Berlin 1976, S. 63–81 (Digitalisat des gesamten Jahrbuches).

Weblinks

Commons: Handelskammer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Handelskammer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Deutschland:

Österreich:

Schweiz:

Einzelnachweise

  1. Sybille Grübel: Zeittafel zur Geschichte der Stadt von 1814–2006. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Band 2, 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 1225–1247; hier: S. 1228.
  2. IHK Wuppertal zum 175-jährigen Bestehen 2005.
  3. Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zu Silvesterrede am 31.12.2015. In: Hamburger Abendblatt vom 20. September 2016.
  4. a b c Wirtschaftskammern, AEIOU Österreich Lexikon.
  5. Zur Zeit des Nationalsozialismus siehe Stefan Eminger: Die Politik der österreichischen Handelskammern 1930 – 1938 (pdf; 108 kB; 7 Seiten; univie.ac.at), abgerufen am 28. März 2019.
  6. Robert Piller: Handelskammern. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 24. März 2016, abgerufen am 21. Juli 2016.
  7. Schweizer Industrie- und Handelskammer. Abgerufen am 21. Juli 2016.