Magister militum

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Heerführer der ost- und weströmischen Armee im 5. Jahrhundert n. Chr.

Der magister militum (Heermeister) war in der spätantiken römischen Armee in der Zeit zwischen Konstantin I. und Herakleios die Bezeichnung für den Oberbefehlshaber eines Verbandes des beweglichen Feldheeres.

Entstehung und Funktion

Entstanden war dieser neue Titel, als man den praefectus praetorio 312 seiner militärischen Kompetenzen entbunden, ihn mit zivilen Verwaltungsaufgaben betraut und dadurch seine Macht eingeschränkt hatte. Ursprünglich gab es je einen magister militum für:

Der spätantike magister equitum hatte dabei nichts zu tun mit dem gleichnamigen Amt, dessen Inhaber Jahrhunderte zuvor während der Zeit der Republik im Krisenfall vom amtierenden dictator ernannt worden war.

Beide Kommandos wurden seit etwa 400 n. Chr. immer öfter unter einem einzigen magister militum bzw. einem magister utriusque militiae („Aufseher aller Soldaten“) zusammengefasst; diese magistri kommandierten gemischte Verbände, die sich aus Kavallerie und Infanterie zusammensetzten.

Seit Constantius II. (337 bis 361) wurden für die jeweiligen regionalen Heeresverbände regelmäßig separate magistri militum eingesetzt:

  • per Gallias,
  • per Illyricum,
  • per Italiam et Africam,
  • per Orientem und
  • per Thracias,

dazu zwei magistri militum praesentales als Kommandeure der Hofarmeen (palatini beziehungsweise obsequium, also Palast- und Leibwache). Etwa seit dieser Zeit gehörte das Amt des Heermeisters zu den höchsten Stellungen im Imperium Romanum.

Im Oströmischen Reich wurden unter Kaiser Justinian um 540 weitere Militärprovinzen mit entsprechenden magistri militum geschaffen:

Zugleich wurde es unter Justinian üblich, Heermeister auch außerhalb ihrer eigentlichen Zuständigkeitsbereiche einzusetzen; so operierten etwa der magister militum per Orientem und der magister militum per Armeniam auch in Italien und Nordafrika. Unter gewissen Umständen wurden den östlichen Heermeistern zudem Sondervollmachten (στρατηγòς αὐτοκράτωρ / strategos autokrator) eingeräumt, mit denen sie Entscheidungen faktisch unmittelbar und im Namen des Kaisers treffen konnten. Vereinzelt wurde den magistri militum auch die Kontrolle über die zivile Verwaltung übertragen, was unüblich war, da im spätrömischen Reich ansonsten militärische und zivile Befugnisse in der Regel getrennt wurden. Mit einiger Berechtigung können daher die späteren magistri militum als Vorstufe der Exarchen angesehen werden, auch wenn den Ersteren nur in Ausnahmefällen zivile Gewalt übertragen wurde.

Neben bzw. unter den eigentlichen obersten Heermeistern existierten zahlreiche magistri militum vacantes (Singular: vacans), die kein Regionalkommando innehatten, sondern nur die Befehlsgewalt über kleinere bis mittlere Verbände des Feldheeres ausübten.

Entwicklung in West und Ost

Der ranghöchste magister militum wurde im 5. Jahrhundert endgültig zum Regenten und Oberbefehlshaber in der westlichen Reichshälfte und trug seit Constantius III. den Titel eines patricius. Bereits ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts gewannen die Heermeister in Westrom einen folgenschweren Einfluss auf die Politik (siehe etwa Arbogast der Ältere, Aëtius und Ricimer), auch wenn sich viele von ihnen weiter loyal zum regierenden Kaiser verhielten (wie etwa Bauto oder Stilicho). Mit der Auflösung des weströmischen Heeres um 470 kam es auch zum Verschwinden der regulären westlichen magistri militum. Nach dem Ende des weströmischen Kaisertums verlieh der oströmische Kaiser den Heermeistertitel allerdings auch an einige germanische Heerführer und Könige des Westens, etwa an die der Burgunden, nun jedoch eher als Ehrentitel.

In Ostrom gelang es den Herrschern und der zivilen Administration zumindest nach dem Sturz Aspars (471) insgesamt sehr viel besser, auch mächtige Heermeister wie Belisar unter Kontrolle zu halten. Das Amt, das gerade im Westen oft von Männern „barbarischer“ Abstammung bekleidet wurde, bestand im Osten noch während der gesamten restlichen Spätantike fort, verschwand dann aber im Laufe des 7. Jahrhunderts auch in der oströmischen Armee, als die bislang von den Heermeistern Thrakiens, Armeniens und des Orients befehligten Verbände von den Grenzen abgezogen wurden und in ihren neuen kleinasiatischen Aufstellungsräumen die Streitkräfte der neuen mittelbyzantinischen Themenordnung bildeten. Die letzte sicher bezeugte Erwähnung eines oströmischen magister militum bezieht sich auf das Jahr 662.

Magistri militum (in Auswahl)

Literatur

  • Helmut Castritius: Zur Sozialgeschichte der Heermeister des Westreichs. Einheitliches Rekrutierungsmuster und Rivalitäten im spätrömischen Militäradel. In: MIÖG Bd. 92, 1984, S. 1–33
  • Alexander Demandt: Magister militum. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband XII, Stuttgart 1970, Sp. 553–790 (grundlegend bezüglich der Heermeister bis zum Ende des 5. Jahrhunderts).
  • Wilhelm Enßlin: Zum Heermeisteramt des spätrömischen Reiches. Teil I: Die Titulatur der magistri militum bis auf Theodosius I. In: Klio Bd. 23, 1930, S. 306–325; Teil II: Die magistri militum des 4. Jahrhunderts. In: Klio Bd. 24, 1931, S. 102–147; Teil III: Der magister utriusque militiae et patricius des 5. Jahrhunderts. In: Klio Bd. 24, 1931, S. 467–502.
  • Arnold Hugh Martin Jones, John R. Martindale, John Morris: The Prosopography of the Later Roman Empire. Drei Teile in vier Bänden, Cambridge 1971–92.
  • Wolfgang Kuhoff: Die Versuchung der Macht. Spätrömische Heermeister und ihr potentieller Griff nach dem Kaisertum. In: Silvia Serena Tschopp, Wolfgang E. J. Weber (Hrsg.): Macht und Kommunikation. Augsburger Studien zur europäischen Kulturgeschichte. Berlin 2012, S. 39–80.
  • Anne Poguntke: Das römische Heermeisteramt im 5. Jahrhundert. Überlegungen zum Verhältnis zwischen Kaiser und Heermeister in Ost und West. In: Carola Föller, Fabian Schulz (Hrsg.): Osten und Westen 400-600 n. Chr. Kommunikation, Kooperation und Konflikt. Stuttgart 2016, S. 239–262.
  • Johannes Preiser-Kapeller: Magister militum per Armeniam (Ο Των Αρμενιακων Στρατεγος). Überlegungen zum armenischen Kommando im 6. und 7. Jahrhundert. In: Wolfram Hörandner u. a. (Hrsg.): Wiener Byzantinistik und Neogräzistik. Beiträge zum Symposion „Vierzig Jahre Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien im Gedenken an Herbert Hunger, (Wien, 4.-7. Dezember 2002)“ (= Byzantina et Neograeca Vindobonensia. Bd. 24). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3269-7, S. 348–365, online.
  • Alexandra-Kyriaki Wassiliou-Seibt: From magister militum to strategos: The Evolution of the Highest Military Commands in Early Byzantium (5th to 7th c.). In: Béatrice Caseau, Vivien Prigent, Alessio Sopracasa (Hrsg.): Οὗδῶρόν εἰμι τὰς γραφὰς βλέπων νόει. Mélanges Jean-Claude Cheynet, Paris 2017, S. 789–802.