Herbert Reinecker

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Herbert Reinecker (* 24. Dezember 1914 in Hagen; † 27. Januar 2007 in Kempfenhausen am Starnberger See) war ein deutscher Journalist sowie Autor von Jugendbüchern, Romanen und Drehbüchern. Er publizierte auch unter den Pseudonymen Alex Berg und Herbert Dührkopp. Besondere Bekanntheit erlangte Reinecker durch Konzeption und Drehbücher der Fernsehserien Der Kommissar, Derrick und (in der Anfangsphase) Siska.

Anfänge

Herbert Reinecker wurde als Sohn eines Reichsbahnschaffners geboren. Er besuchte die evangelische Volksschule und das Gymnasium Hagen. Im Alter von 15 Jahren arbeitete er bereits als freier Mitarbeiter der Hagener Zeitung, für die er Feuilletonbeiträge schrieb. Seit April 1932 war er Mitglied der Hitlerjugend,[1] in der er der Flieger-HJ angehörte. 1935 legte er sein Abitur ab und wurde danach Chefredakteur der von der HJ-Gebietsführung Westfalen und dem Landesjugendamt gemeinsam herausgegebenen Zeitschrift Unsere Fahne in Münster.[2] Ab April 1935 arbeitete Reinecker hauptamtlich im Presse- und Propagandaamt der Reichsjugendführung.

Nach Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935 absolvierte er in Rathenow eine zweimonatige Ausbildung. Er wurde im Januar 1936 Hauptschriftleiter der HJ-Reichszeitschrift Der Pimpf, die sich an Mitglieder des Jungvolks richtete. Vom selben Jahr an veröffentlichte er propagandistische Jugendbücher, ab 1939 auch Romane und Erzählungen. Sein Werk Der Mann mit der Geige (1939) wurde 1942 unter dem Titel Der Fall Rainer verfilmt. Ab 1938 war Reinecker hauptamtlich beim Franz-Eher-Verlag angestellt.[1] 1937/38 heiratete er Angela Schmikowski, mit der er eine Tochter und einen Sohn hatte. Die Ehe wurde 1954 geschieden.

Bei der Tobis-Filmgesellschaft besuchte Reinecker nebenbei einen Kurs für Drehbuchautoren. Im Zweiten Weltkrieg war Reinecker als Kriegsberichterstatter in einer Propagandakompanie der Waffen-SS in Rumänien, Russland, Flandern und Pommern im Einsatz. Während der Kriegsjahre entstanden einige propagandistische Bühnenstücke (Die Stunde des Triumphes, Das Dorf bei Odessa und Leuchtfeuer).[3] Sein Drama Die Stunde des Triumphes über den irischen Unabhängigkeitskampf kam 1940 in Saarbrücken zur Uraufführung. Reinecker erkrankte an der Ruhr und entkam nur knapp dem Tod.

1942 wurde Reinecker auch Hauptschriftleiter der HJ-Zeitschrift Junge Welt. Er war in der Reichsjugendführung dem Presse- und Propagandaamt zugeordnet und trat zum 1. November 1943 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 9.642.252).[1] Im Dezember 1942 wurde sein antisowjetisches Schauspiel Das Dorf bei Odessa uraufgeführt, welches das Schicksal der Volksdeutschen in der Sowjetunion schildern sollte und zu einem der meistgespielten Stücke der NS-Zeit wurde.[4] Sein Drehbuch zu dem Jugendpropagandafilm Junge Adler wurde 1944 von seinem Freund Alfred Weidenmann verfilmt. Er schrieb am 5. April 1945 den letzten Leitartikel für die SS-Zeitung Das Schwarze Korps. Kurz vor Kriegsende setzte er sich aus Berlin ab und fand Unterschlupf am Wörthersee.

Nachkriegslaufbahn

Reinecker lebte zunächst drei Monate versteckt auf einem Bauernhof in Kärnten, dann in Hamburg, Halver und Hannover. Seit 1948 lebte er in Landstuhl und schrieb unter wechselnden Pseudonymen. Nach dem Krieg wurden seine Bewerbungen für Journalistenstellen abgewiesen. Reinecker hielt sich zunächst als Leiter und alleiniger Autor eines Feuilletonpressedienstes in der Pfalz über Wasser. Er verfasste Romane, Theaterstücke, eine Vielzahl Kurzgeschichten und seit 1947 Texte für das Kabarett Ulenspiegel in Köln. 1951 ließ er sich in Hamburg nieder, wo er unter dem Pseudonym Herbert Dührkopp gemeinsam mit Christian Bock Hörspiele für den NWDR verfasste. Sein Roman Kinder, Mütter und ein General über die Geschichte verführter Kinder in den letzten Kriegstagen wurde auch verfilmt. Seinen endgültigen Durchbruch erzielte er mit dem Drehbuch zu Canaris, einer Idealisierung der Titelfigur, wofür er mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wurde.

In den 1950er und 1960er Jahren wurde Reinecker ein gefragter Drehbuchautor u. a. für Edgar-Wallace-Filme, oft unter dem Pseudonym Alex Berg. Für gemeinsame Arbeiten mit Alfred Weidenmann wurde er mit Filmpreisen geehrt. 1959 heiratete Reinecker seine zweite Frau Brunhilde, mit der er ab 1964 in Berg am Starnberger See bis zu seinem Tod zusammenlebte.

In der SBZ/DDR wurden mehrere der von ihm veröffentlichten Schriften auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[5][6][7]

Durch den Produzenten Helmut Ringelmann kam er in Kontakt mit dem Fernsehen und schrieb zunächst Drehbücher in der Tradition von Francis Durbridge, die teilweise zu Straßenfegern wurden (Der Tod läuft hinterher, Babeck, 11 Uhr 20). Seine größten Erfolge wurden seine Fernsehkrimiserien Der Kommissar (1969–1976) mit 97 Folgen und Derrick (1974–1998) mit 281 Folgen. Auch das Konzept für die Serie Siska entwickelte er und verfasste für vier Folgen die Drehbücher. Darüber hinaus entstanden Fernsehfilme und TV-Specials wie Jakob und Adele, Eine Frau bleibt eine Frau mit Lilli Palmer (7 Folgen 1972–1979),[8] Das Traumschiff und Georg Thomallas Geschichten.

Herbert Reinecker liebte Reisen, Segeln und Golf. Er litt im Alter an einer Augenkrankheit, sodass er zuletzt seine Texte nur noch auf Tonband diktieren konnte. Der Schriftsteller starb im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in Kempfenhausen, Gemeinde Berg am Starnberger See.

Mit über 500 TV-Drehbüchern war er sicher einer der einflussreichsten Drehbuchautoren Nachkriegsdeutschlands.[9]

Werke (in Auswahl)

Filmografie

Romane, Kurzgeschichten, Jugendbücher

  • mit Heinz Ehring: Jugend in Waffen. Osmer, Berlin 1936.
  • Skier entscheiden. H. J. Fischer, Berlin/Leipzig 1936.
  • Die große Wandlung (= Skalden-Bücher. 47) Schmidt & Spring, Leipzig 1938.
  • Pimpfenwelt. Limpert, Berlin 1938.
  • Hans Hinrich, der Räuber (= Bücher der Jungen. 6). Loewe, Stuttgart 1939.
  • Der Mann mit der Geige. Die Heimbücherei, Berlin 1939.
  • Panzer nach vorn! Panzermänner erzählen vom Feldzug in Polen. Die Heimbücherei, Berlin 1939.
  • Grenadiere stürmen… Hefte für die Ertüchtigungsarbeit der Hitler-Jugend, Berlin 1943.
  • Bogan und seine Tiere (= Trifels-Meisterbände. 1). Trifels, Speyer/Mannheim 1949.
  • Bogan, der Dschungelgott (= Trifels-Meisterbände. 2). Trifels, Speyer/Mannheim 1950.
  • Feindliche Heimat (= Trifels-Meisterbände. 2). Trifels, Speyer/Mannheim 1949.
  • Kinder Mütter, und ein General. 1953.
  • Taiga. Kindler, München 1958.
  • Unser Doktor. Geschichte eines Landarztes. Lichtenberg, München 1964.
  • Der Kommissar. Lichtenberg, München 1970.
  • Der Kommissar läßt bitten. Lichtenberg, München 1971.
  • Das Mädchen von Hongkong. Schulz, Percha 1973.
  • Feuer am Ende des Tunnels. Schulz, Percha 1974.
  • Derrick Junior: Die verräterische Zahl. 1977.
  • Derrick Junior: Alarm beim Pingpong. 1977.
  • Das stärkere Geschlecht. Goldmann, München 1977.
  • Derrick Junior: Ungleiche Gegner. 1978.
  • Der Kommissar. Der Fall Quimper. 1978.
  • Ein bißchen Halleluja. Geschichten. Schneekluth, München 1981.
  • Ich bring die Freude mit. 1981.
  • Ich hab vergessen, Blumen zu besorgen. Geschichten. Schneekluth, München 1982, ISBN 3-7951-0813-6
  • Die Reise nach Feuerland. Langen-Müller, München 1986, ISBN 3-7844-1999-2
  • Ein Denkmal wird erschossen. Herbig, München/Berlin 1988, ISBN 3-7766-1516-8
  • Ein Zeitbericht unter Zuhilfenahme des eigenen Lebenslaufs. Straube, Erlangen/Bonn/Wien 1990, ISBN 3-927491-17-9; durchgesehene Neuauflage: Die Illusionen der Vergangenheit. Ein persönlicher Zeitbericht. Ullstein, Frankfurt/Berlin 1992, ISBN 3-548-33151-3
  • Warten auf Nachricht. Edition Steinmeier, Nördlingen 2001, ISBN 3-927496-91-X
  • Sagt mir, wohin ich gehe. Sammelband. Edition Steinmeier, Nördlingen 2004, ISBN 3-936363-20-X

Hörspiele

  • 1950: Feindliche Heimat – Regie: Eduard Hermann (NWDR Köln)
  • 1950: Ein Mensch namens Lehmann – Regie: Wilhelm Semmelroth (NWDR Köln)
  • 1951: Morgen mußt du antworten – Regie: Eduard Hermann (NWDR Köln)
  • 1951: Morphium – Regie: Albert Carl Weiland (Radio Saarbrücken)
  • 1951: Die Verschwörung – Regie: Eduard Hermann (NWDR Köln)
  • 1951: Der Teufel fährt im D-Zug mit – Regie: Fritz Schröder-Jahn (NWDR Hamburg)
  • 1951: Der Teufel fährt in der 3. Klasse – Regie: Hanns Korngiebel (RIAS)
  • 1951: Der Krimkrieg fand trotzdem statt – Regie: Wilhelm Semmelroth (NWDR Köln)
  • 1951: Abteilung für Notwohnungen – Regie: Gustav Burmester (NWDR Hamburg)
  • 1951: Vater braucht eine Frau – Regie: Fritz Schröder-Jahn (NWDR Hamburg)
  • 1952: Vater braucht eine Frau – Regie: Paul Land (SDR)
  • 1952: Schwein muß man haben – Regie: Raoul Wolfgang Schnell (NWDR Köln)
  • 1952: Karussell zu verkaufen – Regie: Helmut Käutner (NWDR Hamburg)
  • 1952: Friedensvertrag – Regie: Detlof Krüger (NWDR Hamburg)
  • 1952: Vater braucht eine Frau – Regie: Heinz-Günter Stamm (BR)
  • 1952: Karussells sind im Himmel gemacht – Regie: Paul Land (SDR)
  • 1952: Gerlach präsentiert die Rechnung – Regie: Curt Goetz-Pflug (NWDR Hamburg)
  • 1959: Friedensvertrag – Regie: Ludwig Cremer (NDR)
  • 1963: Vater braucht eine Frau – Regie: Otto Düben (SDR)
  • 2004: Der Jesus von Stallupönen

Dramen

  • 1940 Die Stunde des Triumphes (Schauspiel in 5 Akten)
  • 1942 Das Dorf bei Odessa (Schauspiel in 1 Aufzug)
  • 1944 Leuchtfeuer (Drama in 5 Akten)
  • 1963 Nachtzug (Schauspiel)

Auszeichnungen

Literatur

  • Christoph Amend: Nachruf: Derricks Alter Ego. In: Die Zeit. Nr. 8, 15. Februar 2007, S. 58.
  • Rolf Aurich, Niels Beckenbach & Wolfgang Jacobsen: Reineckerland. Der Schriftsteller Herbert Reinecker. edition text + kritik, München 2010, ISBN 978-3-86916-068-9
  • Volker Helbig: Herbert Reineckers Gesamtwerk: seine gesellschafts- und mediengeschichtliche Bedeutung. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-8350-6093-7
  • Horst Kniese: Hagener Köpfe. In: Heimatbuch Hagen und Mark. 35. 1994 (1993), S. 154–165.
  • Sigrid Neudecker: Porträt: Ein Keller voller Leichen. In: Die Zeit. Nr. 33, 9. August 2001
  • Jörg Schöning (JPS): Herbert Reinecker – Autor, in: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lg. 21 (1993)
  • Ricarda Strobel: Herbert Reinecker. Unterhaltung im multimedialen Produktverbund. Winter, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04486-6
  • Rita Reinecker: Dance with Me, Papa: Life with(out) My Celebrity Father. Lulu Publishing Services, 2015, ISBN 978-1483408989, ISBN 978-1483409009

Mitgliedschaften (Auswahl)

Weblinks

Fußnoten

  1. a b c Michael Buddrus: Totale Erziehung für den totalen Krieg. Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. Saur, München 2003, ISBN 3598116152, S. 1200.
  2. Markus Köster: Jugend, Wohlfahrtsstaat und Gesellschaft im Wandel. Westfalen zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik. Schöningh, Paderborn 1999, ISBN 3-506-79602-X, S. 256.
  3. Hanns-Georg Rodek: Herbert Reinecker: Derrick und sein Schöpfer, der SS-Offizier. In: Die Welt. 15. September 2011. - Zum Durchhaltestück Das Dorf in Odessa, aufgeführt in Lübeck 1943/44 vgl. Jörg Fligge: "Schöne Lübecker Theaterwelt." Das Stadttheater in den Jahren der NS-Diktatur. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2018. ISBN 978-3-7950-5244-7. S. 262–264, 574.
  4. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 478.
  5. Buchstabe E, Buchstabe P & Buchstabe R. In: Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone (Hrsg.): Liste der auszusondernden Literatur. Zentralverlag, Berlin 1946.
  6. Buchstaben Q und R. In: Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone (Hrsg.): Liste der auszusondernden Literatur. Zweiter Nachtrag. Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948.
  7. Buchstaben Q und R. In: Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.): Liste der auszusondernden Literatur. Dritter Nachtrag. VEB Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953.
  8. Eine Frau bleibt eine Frau: Geschichten mit Lilli Palmer, fernsehserien.de, abgerufen 23. Oktober 2020.
  9. Die heile Welt des Verbrechens: Stephan Derrick und die BRD, Radiofeature von Rafael Jové (Produktion RBB 2018), SWR 2 vom 19. Juni 2019, abgerufen 23. Oktober 2020.