Herr aller Dinge
Herr aller Dinge ist ein Roman von Andreas Eschbach, der im September 2011 bei Bastei Lübbe erschienen ist. Hauptthema ist die Schaffung von Maschinen, die sich selbst reproduzieren können. Genau wie Eschbachs Thriller Eine Billion Dollar beruht die fiktive Handlung des Romans auf teilweise realer Technologie. Die Geschichte wird linear erzählt, sie begleitet Hiroshi und Charlotte durch ihr Leben, das sich nie wirklich weit voneinander entfernt – auch wenn sie hier nicht als Paar auftreten, bleiben sie miteinander verbunden.
Handlung
Die beiden Hauptfiguren Hiroshi Kato und Charlotte Malroux lernen sich als Kinder in Japan kennen, wo Charlottes Vater als Botschafter tätig ist und Hiroshis alleinerziehende Mutter in der Wäscherei der Botschaft arbeitet. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft und der Missbilligung ihrer Mütter freunden sich beide an und verbringen viel Zeit miteinander, nachdem Hiroshi einen Schleichweg in die Botschaft entdeckt hat. Durch die Ungerechtigkeit des Lebens inspiriert, entwickelt Hiroshi „die Idee“, alle Menschen reich zu machen und diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, was Charlotte zunächst amüsiert, da sie es sich nicht vorstellen kann. Außerdem wird die besondere Gabe von Charlotte eingeführt – sie kann spüren, was die Besitzer von Gegenständen mit diesen Dingen einmal erlebt haben und wie lange dies her ist. Als sie in einem Museum ein altes Messer verbotenerweise berührt, stürzt sie so weit durch die Zeit zurück und sieht so alte Dinge, dass sie ohnmächtig wird. Die geschockte Charlotte kann ihr Erlebnis nicht in Worte fassen, aber die wenigen Worte, die sie herausbringt, lassen erahnen, dass dieses Messer älter als offiziell berechnet ist. Kurz darauf wird Charlottes Vater in ein anderes Land versetzt und sie verlässt mit ihrer Familie Japan.
Die Idee von Hiroshi wächst in den folgenden Jahren weiter. Er ist entschlossen, diese in die Tat umzusetzen, wird zu einem Musterschüler und schafft es ans MIT zu kommen. Hier trifft er auf einer Fraternityparty zufällig Charlotte wieder, die er über Jahre aus den Augen verloren hatte und die mittlerweile Anthropologie an der Harvard University studiert und mit einem selbstverliebten, frauenverachtenden und arroganten Erben einer reichen US-Dynastie verlobt ist. Hiroshi verliebt sich in sie und bricht seine bisherige Beziehung ab, da er meint, es sei sein Schicksal mit Charlotte zusammen zu sein. Charlotte hingegen erklärt Hiroshi mit dem Verweis auf ihre unterschiedliche Herkunft und die damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen, dass sie keine Beziehung mit ihm haben könne. Daraufhin verlässt Hiroshi die Stadt, um seine Idee mit Hilfe eines Investors umzusetzen. Wieder verlieren sich beide für Jahre aus den Augen, allerdings hat die Begegnung Charlotte die Augen bezüglich ihres widerwärtigen Verlobten geöffnet, der sie regelmäßig völlig selbstverständlich betrügt, woraufhin sie diesem kurz nach dem Wiedersehen mit Hiroshi ebenfalls den Laufpass gibt. Dieser fasst die Abfuhr als persönliche Beleidigung auf und erklärt sich Charlottes Sinneswandel derart, dass Charlotte ihn mit Hiroshi betrogen hat, woraufhin er sich schwört, diesen zu vernichten.
Charlotte bricht in Folge ebenfalls ihr Studium ab, lässt sich von ihrem Leben treiben, lebt später mit ihrem neuen Freund Gary in Schottland und erhält plötzlich einen Anruf von Hiroshi, der sie einlädt ihn auf einer Insel in den Philippinen zu besuchen und ihr endlich seine Idee zu zeigen. Dort angekommen empfängt sie Hiroshi mit einer Gruppe Techniker, die zusammen eine Vielzahl kleiner, unterschiedlich spezialisierter Roboter gebaut haben. Nach Hiroshis Idee sollen diese Roboter sich selbstständig miteinander verbinden, untereinander kommunizieren und als Komplex in der Lage sein, aus vorhandenen Rohstoffen (insbesondere Müll, den es auf der Insel zuhauf gibt) sämtliche gewünschte Gegenstände zu bauen und sämtliche übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Hierbei soll jeder einzelne Roboter aber auch nur eine einzige Aufgabe erfüllen, die Leistungsfähigkeit kommt aus dem Gesamtsystem. Es wird klar, dass Hiroshis kindlich naiv klingende Idee, alle Menschen reich zu machen, darin besteht, dass die Roboter die gesamte anfallende Arbeit erledigen, durch ihre Selbstreplikation die benötigten Komplexe für jede Aufgabe erstellen können, einen hundertprozentigen Recyclingkreislauf errichten, die Ressourcenbegrenztheit damit beenden und Geld überflüssig machen. Durchaus logisch und schlüssig erklärt Hiroshi sein weiteres Vorgehen und seine Vision. Als erste Aufgabe sollen die Roboter automatisch weitere Roboterkomplexe bauen. Zunächst scheint alles gut zu funktionieren, doch es stellt sich heraus, dass die Roboter nicht exakt genug arbeiten, sodass in der dritten Robotergeneration diese nicht mehr wie geplant funktionieren. Hiroshi sieht hierin ein unlösbares Problem und steht wieder ganz am Anfang seiner Idee. Wieder ein paar Jahre später bei einem Besuch bei Charlotte erzählt Hiroshi ihr, dass er noch immer vor dem Problem sitzt und als Lösung Nanoroboter aus exakt angeordneten einzelnen Atomen sieht, doch scheint es ihm unmöglich diese zu bauen.
Charlotte hat ihr Studium wieder aufgenommen und inspiriert von ihrem Kindheitserlebnis sucht sie nach wissenschaftlichen Beweisen, dass es schon vor zehntausenden Jahren eine Zivilisation gegeben haben muss. Durch Kontakte kann sie an einer Expedition auf eine sibirische Insel, die „Teufelsinsel“, teilnehmen. Auf einer gemeinsamen Exkursion entdecken sie seltsam silbern schimmernde Metallfragmente im Eis und ein Expeditionsmitglied wird von einer seltsamen metallenen Lanze aufgespießt und regelrecht von ihr aufgesogen, als es ein solches Fragment berührt. Im nächsten Moment erwacht eine titanische Gewalt unter dem Eis und beginnt, die Insel zu verändern. Die restlichen Expeditionsmitglieder können mit einem Boot von der Insel fliehen und sehen, dass sich die ganze Insel wie von selbst zu einer metallenen Festung umbaut, und dabei alles in ihrem Weg vernichtet. Nach der Rettung durch ein russisches Kriegsschiff wird Charlotte klar, dass sie die Oberflächenbewegung auf der Lanze an Hiroshis Simulation der Nanoroboter und ihr Erlebnis auf den Philippinen erinnert. Als russische und amerikanische Angriffe der Insel keinen Schaden zufügen, weitere Menschen beim Versuch, die Insel zu betreten, sterben und sogar ein russisches Kriegsschiff von der mysteriösen Macht in Sekundenbruchteilen überrollt und assimiliert wird, schlägt sie daher vor, Hiroshi zur Hilfe zu holen. Dieser erkennt in den seltsamen Vorkommnissen eine Art selbst replizierende, teilchenbasierte Maschine, ganz ähnlich jener, die er zu konstruieren versucht. Als er probeweise gezielte Programmzeilen überträgt, stoppt die Maschine plötzlich und Hiroshi erkennt eine sich wiederholende Anfrage, die von der Insel aus gesendet wird. Er begibt sich allein dorthin und verschwindet im Inneren der Metallfestung, die sich kurz darauf aufzulösen beginnt, bis die ursprüngliche Insel wieder zum Vorschein kommt, auf der Hiroshi das einzige Lebewesen ist. Über seine Erfahrungen in der Festung schweigt Hiroshi und beruft sich auf teilweisen Gedächtnisschwund, da er das Streben der Großmächte, diese Technologie in ihren Besitz zu bringen, bereits erkennt. Er gibt daher an, dass es ihm irgendwie wohl gelungen sei, eine Art Selbstzerstörung auszulösen und die Maschine neutralisiert sei.
Tatsächlich hat Hiroshi aber einigen der Naniten, aus denen die Maschine bestand, den Befehl erteilt, in seine Stirn zu wandern und dort in einen Ruhezustand zu gehen. Mit diesen sich selbst reproduzierbaren und programmierbaren Nanorobotern in seinem Besitz versucht Hiroshi nun, ihre Funktion und Kapazitäten sowie ihren Ursprung zu ergründen. Er lernt nach und nach, sie zu befehligen und immer komplexere Aufgaben damit zu erfüllen. Allerdings erfordert dies zunächst viel Programmierarbeit. Außerdem erkennt er, dass die Probleme der Welt nicht so einfach zu lösen sind und er, als er versucht ein spezielles Problem mit Hilfe der Roboter zu lösen, ein weitaus größeres erschafft und beinahe eine ökologische Katastrophe auslöst. Schließlich erkennt Hiroshi, dass die rätselhafte Sonde ein riesiges Verzeichnis an Konstruktionsplänen für die unterschiedlichsten Dinge enthält. Gleichzeitig entdeckt er, dass auf dieses Verzeichnis offenbar in aller Eile ein weiteres Programm aufgepfropft wurde, wodurch der Zweck der Sonde völlig verändert wurde. Um herauszufinden, was dieses Programm tut, schickt er die Naniten probeweise in eine unbewohnte Gegend Kanadas und lässt sie dort das ursprüngliche Programm wiederholen... wie auf der Teufelsinsel zuvor entsteht die Metallfestung, die kurz darauf beginnt, mittels einer gewaltigen Railgun unablässig neue Sonden ins All zu schießen, bevor Hiroshi erneut ihre Selbstzerstörung auslöst. Dieser Vorfall ruft natürlich erneut alle Geheimdienste und Militärs der Welt auf den Plan, die nun wissen, dass offenbar weitere Naniten aktiv sind und natürlich sofort ihre Aufmerksamkeit auf Hiroshi richten, der aber kurzerhand abtaucht, um nicht verhaftet zu werden. Auch Charlottes Ex-Verlobter verstärkt derweil seine Bemühungen, Hiroshi zu vernichten und in den Staub zu treten, scheitert aber ebenfalls.
Den Durchbruch bring der rätselhafteste der Konstruktionspläne, der sich als neuronale Schnittstelle entpuppt – optimiert auf ein menschliches Gehirn. Hiroshi lässt die Naniten diese Schnittstelle in seinem Gehirn errichten und kann sie nun völlig frei wie einen Teil von sich befehligen und bewegen, wodurch er zum „Herrn aller Dinge“ wird. Hiroshi wird bewusst, dass diese Roboter die letzten Überbleibsel der uralten Zivilisation sind, nach der Charlotte sucht, und auf der sich die Mythen von Atlantis begründen. Er erkennt, dass der so genannte „genetische Flaschenhals“, der beim Menschen vor etwa 75.000 Jahren auftrat, das Resultat eines interstellaren Krieges gegen einen unbekannten Gegner ist. Am Ende dieses Krieges feuerten die am Rande der Auslöschung stehenden Menschen dieser alten Zivilisation die geheimnisvollen Sonden, die eigentlich Konstruktionssonden waren, als improvisierte Massenvernichtungswaffen ins All – mit dem Befehl, unterschiedslos jede Welt mit einer Leben ermöglichenden Umgebung anzufliegen, alle vorhandenen Ressourcen zu assimilieren und ein Maximum an neuen Sonden zu starten, wodurch die jeweilige Welt und alles Leben auf ihr vernichtet wird. Diese Waffenfunktion, mit der die der Auslöschung entgegen blickenden Menschen einst ihre Gegner mit in den Untergang reißen wollten, erlebten Charlotte und Hiroshi in Sibirien, wobei die auf der Erde gelandete Sonde defekt war und ihre Mission abbrach, als sie durch die Kommunikation mit Hiroshi und einen Abgleich der Sterne erkannte, dass sie auf der Heimatwelt ihrer Erbauer gelandet war, der einzigen Welt, die in ihrer Programmierung ausdrücklich verboten war. Diese Erkenntnis bedeutet auch, dass seit dem Start der ersten Sonde eine Sturmwelle die Galaxis durchpflügt und alles Leben außer auf der Erde vernichtet wurde oder vernichtet werden wird.
Hiroshi begreift, dass die Nanobots in den falschen Händen eine tödliche Gefahr darstellen, und alle Mächte dieser Erde versuchen werden, seiner habhaft zu werden, allein schon aus Angst, ihre Gegner könnten es tun. Wieder trifft er Charlotte, die zu diesem Zeitpunkt bereits einen Gehirntumor im Endstadium und eigentlich mit dem Leben abgeschlossen hat. Mit seinen Nanobots rettet er ihr Leben und macht sich danach auf seinen Weg, diese zu vernichten. Zu diesem Zeitpunkt wird er bereits von verschiedenen Fraktionen weltweit gesucht und verfolgt. Während seiner Flucht nutzt Hiroshi nun das volle Potenzial seiner Nanobots, um zu entkommen und liefert sich mit diesen eine Jagd, an deren Ende er sich selbst in Südamerika in einer riesigen physischen Abbildung der Mandelbrot-Menge einschließt. Da er aber erkannt hat, dass der Mensch noch immer nicht weise und friedfertig genug ist, um mit so einer Macht verantwortungsvoll umzugehen, wählt er schließlich den Seppuku, den rituellen Selbstmord. Aber anders als in der Tradition sticht er sich nicht ein Messer in den Leib, sondern er befiehlt den Nanobots, das Eisen aus seinem Blut zu sammeln und daraus auf seiner Handfläche ein Messer zu erschaffen, bevor sie sich schließlich selbst vernichten. Aufgrund der fehlenden Eisenatome im Hämoglobin seiner Erythrozyten erstickt er schließlich. Das Messer ist sein Vermächtnis an Charlotte. Und mit ihrer Gabe kann sie alles spüren, was Hiroshi sein ganzes Leben hindurch für sie empfand: Liebe.
Hintergrund
In einem Interview erzählt der Autor, dass er die Grundidee des Romans schon vor langer Zeit hatte, dann aber wegen der Ankündigung, dass Michael Crichton an einem Roman über Nanotechnologie schreibe (Prey), vorerst nicht weiterverfolgte.
Das Buch wurde 2012 als Bester Roman mit dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet.
Ausgaben
- Gebundene Ausgabe, Bastei Lübbe, 2011, ISBN 978-3785724293
- Taschenbuch Ausgabe, Bastei Lübbe, 2013, ISBN 978-3-404-16833-0
- ungekürzte Hörbuchausgabe (gelesen von Sascha Rotermund), LübbeAudio, 2011, ISBN 978-3-8387-6894-6
- gekürzte Hörbuchausgabe (gelesen von Matthias Koeberlin), LübbeAudio, 2011, ISBN 978-3785745151
- englische Ausgabe Lord Of All Things, übersetzt von Samuel Willcocks, Amazon Crossing, 2014, ISBN 978-1-47784981-1
- ungekürzte englische Hörbuchversion Lord Of All Things, gesprochen von Nick Podehl, Amazon Crossing, 2014 ISBN 978-1-48056962-1 (18 CDs oder 2 MP3-CDs)
- französische Ausgabe "Maître de la matière", Übersetzt von Pascal Hervieux, Oktober 2013, Verlag Atalante, Nantes, ISBN 978-284172-647-9