Automobilwerke Ludwigsfelde

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VEB Automobilwerke Ludwigsfelde
Rechtsform Volkseigener Betrieb
Gründung 1. März 1952 (als VEB Industriewerke Ludwigsfelde)
Auflösung 27. Juni 1990
Auflösungsgrund Auflösung durch die Treuhandanstalt und Umwandlung in eine GmbH
Sitz Ludwigsfelde, Deutsche Demokratische Republik
Branche Kraftfahrzeughersteller

Die Automobilwerke Ludwigsfelde wurden am 1. März 1952 in Ludwigsfelde (Brandenburg) als VEB Industriewerke Ludwigsfelde gegründet.[1] Später waren sie innerhalb des Industrieverbands Fahrzeugbau (IFA) der DDR die Stammwerke der Nutzfahrzeugproduktion. Heute gehört das Werk zur Daimler AG und ist das drittgrößte Transportermontagewerk des Unternehmens.

Geschichte

1936 bis 1945

Die Daimler-Benz Motoren GmbH, ein Tochterunternehmen der Daimler-Benz AG, errichtete 1936 in einem Waldgebiet der Genshagener Heide am Rande von Ludwigsfelde ein Werk zur Produktion von Flugmotoren, das Flugmotorenwerk Genshagen. In dem „Nationalsozialistischen Musterbetrieb“ wurden vor und während des Zweiten Weltkrieges Motoren der Typen DB 600, DB 601, DB 603, DB 605 für diverse Flugzeuge der Luftwaffe hergestellt. Zulieferer war u. a. der Dreilinden Maschinenbau im benachbarten Kleinmachnow, ein Tochterunternehmen der Robert Bosch GmbH. Im Werk Genshagen arbeiteten Ende 1943 über 14.700 Menschen, davon 38 % freiwillige und 55 % Zwangsarbeiter, 5 % Kriegsgefangene und 2 % KZ-Häftlinge. Ende 1944 waren es 16.600 Arbeiter. Davon waren 68 % Ausländer, Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge.[2] 1940 wurden 3.176 Flugzeugmotoren von 7.700 Mitarbeitern produziert. Die 16.600 Arbeiter Ende 1944 produzierten 10.535 Flugzeugmotoren. Das war eine Produktivitätssteigerung um über 50 %, die auf extrem harte Arbeitsbedingungen und die langen Arbeitszeiten zurückzuführen war.[3] Ab 1940 wurde eine Endmontagehalle geplant, die ab 1942 in Betrieb war und Deutschlandhalle genannt wurde. Das KZ-Außenlager Daimler-Benz Genshagen war vom 1. September 1944 bis 20. April 1945 ein Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen; 1.100 ab Oktober 1944 aus dem KZ Ravensbrück nach Genshagen verlegte weibliche KZ-Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit im Flugmotorenwerk eingesetzt.[4]

Nach Kriegsende wurden die Fertigungseinrichtungen des Motorenwerkes Genshagen demontiert. Die Produktionshallen wurden gesprengt.

1951 bis 1964

Die Industriewerke Ludwigsfelde IWL wurden am 1. März 1952 in Ludwigsfelde gegründet. Es wurde ein völlig neuer Betrieb aufgebaut mit elf Produktionshallen und einem Prüfstand für Schiffsdieselmotoren. Die ersten Erzeugnisse waren Schiffsdieselmotore und Maschinenelemente.

Nachdem 1953 mit der Konstruktion eines Motorrollers begonnen worden war, lief am 6. Februar 1955 der erste Roller vom Band.

Von 1955 bis 1964 wurden die Motorroller Pitty, Wiesel, Berlin und Troll in einer Gesamtstückzahl von 233.215 Stück produziert.

Motorroller-Modelle

Pitty

Motorroller des Typs Pitty wurden von Februar 1955 bis April 1956 in einer Stückzahl von nur 11.293 im Industriewerk Ludwigsfelde (IWL), welches dem IFA zugeordnet war, gebaut. Angetrieben wurde der Pitty von einem veränderten und u. a. gebläsegekühlten Zweitaktmotor der MZ RT 125/1 mit 3-Gang-Getriebe.

Wiesel SR56

Motorroller des Typs Wiesel SR 56 wurden von Juni 1956 bis April 1959 in einer Stückzahl von 57.400 in Ludwigsfelde gebaut. Die Bezeichnung SR steht für StadtRoller. Als Antriebseinheit diente der verbesserte und RT-125-2 Motor.

Berlin SR59

Motorroller des Typs Berlin SR59 wurden von Mai 1959 bis Dezember 1962 in einer Stückzahl von 113.943 gebaut. Die Bezeichnung SR steht für StadtRoller. Anders als beim Wiesel und Pitty wurden bei der Type Berlin, auf 143 cm³ aufgebohrte und gebläsegekühlte MZ-125/3-Motoren verbaut. Ab dem Berlin besitzen zudem alle nachfolgenden IWL-Roller ein 4-Gang-Getriebe. Der unten in der Galerie gezeigte Einspuranhänger „Campi“ ist aus dem Jahre 1962 und wurde in der IWL-Lehrwerkstatt gefertigt. Von diesen Einspuranhängern sind, zeitweise in Leipzig von der Firma Stoye-Fahrzeugbau-Leipzig – weltweit bekannt durch den Seitenwagenbau –, zeitweise im VEB Waggonbau Ammendorf und schließlich in der IWL-Lehrwerkstatt etwa 5.700 Stück produziert worden.

Troll

Motorroller des Typs Troll-1 wurden von Januar 1963 bis Dezember 1964 in einer Stückzahl von 56.513 gebaut. Die Bezeichnung TR steht für TourenRoller. Er besitzt wie alle IWL-Roller einen speziell für den Rollerbetrieb geänderten MZ-Motor. Beim Troll stammt er ursprünglich aus der MZ ES 150 und leistet hier durch das leistungsmindernde Gebläse 9,5 PS.

Beginn der Lkw-Fertigung

Am 21. Dezember 1962 erging der Beschluss des Ministerrates der DDR zum Aufbau einer Lkw-Produktion am Standort Ludwigsfelde. Grundsteinlegung für die Lkw-Montagehalle (72.000 m²) mit integriertem Presswerk war am 5. Juni 1964.

1965 bis 1990

Knapp elf Monate später, am 1. Juli 1965, war Produktionsbeginn im VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde.

Am 17. Juli 1965 lief der erste Lkw IFA W50 vom Band und am gleichen Tag erhielt Ludwigsfelde das Stadtrecht.

Die Bildung des VEB-IFA Kombinat Nutzfahrzeuge Ludwigsfelde erfolgte am 1. Januar 1978, wobei das Kombinat und der VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde getrennt geleitet wurden. Am 1. September 1979 wurde das Automobilwerk Stammbetrieb des Kombinates.

Ab 1987 kam der Lkw L60 zum Fertigungsprogramm hinzu, der eigentlich den W50 ablösen sollte.

Von 1965 bis 1990 wurden die Lkw IFA W50 und IFA L60 in etwa 60 Grundvarianten und 240 länderspezifischen Ausführungen gefertigt. Rund 70 % der Fahrzeuge wurden in 53 Länder auf vier Kontinenten exportiert.

Nachfolgend die produzierten Einheiten:

Jahr W50 L60 gesamt Jahr W50 L60 gesamt
1965 855 855 1979 26.800 26.800
1966 5.775 5.775 1980 27.001 27.001
1967 10.564 10.564 1981 28.201 28.201
1968 14.785 14.785 1982 29.004 29.004
1969 16.953 16.953 1983 28.101 28.101
1970 17.966 17.966 1984 30.300 30.300
1971 18.800 18.800 1985 32.294 32.294
1972 19.800 19.800 1986 32.516 32.516
1973 21.623 21.623 1987 29.606 1.734 31.340
1974 23.220 23.220 1988 22.378 6.604 28.982
1975 23.900 23.900 1989 20.071 8.081 28.152
1976 24.940 24.940 1990 13.405 3.870 17.275
1977 26.278 26.278 Summe 571.789 20.289 592.078
1978 26.653 26.653

Die Einstellung der Produktion des L60 erfolgte im August 1990, die des W50 im Dezember 1990.

Nach 1990

MB Sprinter (NCV3) Pritschenwagen

Im Frühjahr 1990 wurde eine strategische Partnerschaft mit Daimler-Benz verkündet. Daraus resultierend wurde ein neuer Fahrzeugtyp mit der Bezeichnung IFA 1318 entwickelt.

Am 18. Juli 1990 teilte der Generaldirektor des IFA-Kombinats auf einer Sitzung in Ludwigsfelde jedoch mit, dass Daimler sich auf Grund der veränderten politischen Lage nicht mehr an die Vereinbarungen gebunden fühle.[5] Auch andere Betriebe waren von dieser Entscheidung betroffen.

So verlor der VEB Getriebewerk Brandenburg als Zulieferer seine Selbstständigkeit und wurde Teil der ZF Getriebe GmbH. Der VEB Motorenwerk Nordhausen existiert heute nicht mehr.

Am 27. Juni 1990 wurde das VEB-IFA Kombinat Nutzfahrzeuge Ludwigsfelde von der Treuhandanstalt aufgelöst und somit der VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde in eine GmbH umgewandelt, die später in der Nutzfahrzeuge Ludwigsfelde GmbH aufging. Das Presswerk ging zur damaligen Thyssen AG über; im Jahr 2011 übernahm der spanische Konzern GESTAMP AUTOMOTION das Presswerk von Thyssen-Krupp-Umformtechnik.

In der Zeit von 1991 bis 2007 flossen Fördermittel des Bundes und des Landes in Höhe von rund 134 Millionen Euro in das Automobilwerk. Diese Subventionen dienten der Modernisierung des Werkes und dem Erhalt bzw. der Schaffung von Arbeitsplätzen.[6]

1994 wurde die Nutzfahrzeuge Ludwigsfelde GmbH zu 100 Prozent von der Daimler-Benz AG übernommen und gehört heute als Mercedes-Benz Ludwigsfelde GmbH zur Daimler AG.

2012 wurden im Werk weniger Fahrzeuge produziert als in den Jahren zuvor bedingt durch die Eurokrise. Dies führte unter anderem zu einer Absenkung der Wochenarbeitszeit unter Lohnverzicht der Arbeitnehmer.

2015 beschäftigt das Werk rund 2000 Arbeitnehmer, was es zu einem der größten industriellen Arbeitgeber im Land Brandenburg macht. Die Produktion erfolgt überwiegend im Zwei-Schicht-Betrieb. Auch wegen der in den Produktionsablauf integrierten Fahrerlosen Transportfahrzeuge, die taktgenau die für die Montage benötigten Teile zum Montageband bringen, gilt das Werk heute nach Angaben des Konzerns als besonders effizient. Zur Produktion des Nachfolgemodells des Sprinters beabsichtigt das Unternehmen 150 Millionen Euro zu investieren.[7]

Hier wurden und werden folgende Modelle produziert:

Weblinks

Literatur

  • Stephan Jegielka: Das KZ-Außenlager Genshagen. Tectum Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-8288-8895-X.
  • Helmuth Bauer: Innere Bilder wird man nicht los. Die Frauen im KZ-Außenlager Daimler-Benz Genshagen (= Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Band 30). Metropol, Berlin 2011, ISBN 978-3-940938-88-6.

Einzelnachweise

  1. Lothar Schulze, Manfred Blumenthal: Ostdeutsche und tschechische Motorroller. Welz Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-9804294-6-6.
  2. Barbara Hopmann, Mark Spoerer, Birgit Weitz, Beate Brüninghaus: Zwangsarbeit bei Daimler Benz. Franz Steiner, Stuttgart 1994, ISBN 3-515-06440-0, S. 52 f.
  3. Barbara Hopmann, Mark Spoerer, Birgit Weit, Beate Brüninghaus: Zwangsarbeit bei Daimler Benz. Franz Steiner, Stuttgart 1994, ISBN 3-515-06440-0, S. 53
  4. Helmuth Bauer: Innere Bilder wird man nicht los. Die Frauen im KZ-Außenlager Daimler-Benz Genshagen (= Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Band 30). Metropol, Berlin 2011, ISBN 978-3-940938-88-6.
  5. Einfach geschafft. In: Der Spiegel. Nr. 34, 1990 (online).
  6. Zukunft des Daimler-Autowerkes in Ludwigsfelde. (PDF; 216 kB) Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2634 vom 10. Januar 2013. Parlamentsdokumentation Brandenburg; abgerufen am 12. September 2015.
  7. Mercedes-Benz Werk Ludwigsfelde setzt auf neue Technologien. (PDF; 159 kB) Pressemitteilung, 23. Juni 2015; abgerufen am 5. September 2015.
  8. Neue Fabrik. Volkswagen AG; abgerufen am 5. September 2015.