Eigenleitungsdichte
Die Eigenleitungsdichte (auch intrinsische Ladungsträgerdichte) ist die charakterisierende Materialeigenschaft eines Halbleiters in Blick auf seine elektrische Leitfähigkeit. Sie bezeichnet die Ladungsträgerdichte eines idealen, in seinem Kristallgitter ungestörten Halbleiters. Der zugehörige Leitungsmechanismus wird Eigenleitung genannt.
Die Eigenleitungsdichte bestimmt den Mindestwert der elektrischen Leitfähigkeit. Die tatsächliche Leitfähigkeit des Halbleiters kann durch Verunreinigung höher liegen oder durch Dotierung auf einen höheren Wert eingestellt werden. Die dadurch verursachte Störstellenleitung übersteigt bei Raumtemperatur die Eigenleitung in der Regel um mehrere Größenordnungen; sie überdeckt damit die Eigenschaft des Basismaterials.
Physikalische Beschreibung
Bei Halbleitern sind am absoluten Nullpunkt sämtliche Elektronen an den Kristallatomen gebunden. Erst mit steigender Temperatur steht eine ausreichende thermische Energie zur Verfügung, um einzelne Elektronen auf das Energieniveau des Leitungsbandes anzuheben. Die frei gewordenen Elektronen und die zurückbleibenden Defektelektronen (Löcher) stehen zum Ladungstransport zur Verfügung (Generation von Elektron-Loch-Paaren); diesem Effekt entgegengerichtet ist die Rekombination von Elektron-Loch-Paaren unter Freiwerdung von Energie.
Im thermodynamischen Gleichgewicht stellt sich ein Gleichgewicht aus Generation und Rekombination ein: Die Anzahldichte an frei beweglichen Ladungsträgern ist im zeitlichen Mittel konstant. Die Eigenleitungsdichte setzt sich somit zusammen aus der durchschnittlichen Anzahldichte an freien Elektronen und Löchern bei der jeweiligen Temperatur:
Halbleiter | in cm−3 |
---|---|
Germanium (Ge) | 2.33e13[1] 2.3e13[2] |
Silizium (Si) | 1.0e10[3][4] 1.5e10[2] |
Galliumarsenid (GaAs) | 2.1e6[5] 1.3e6[2] |
Für schwach dotiertes Material kann anstatt der Fermi-Verteilung die Boltzmann-Verteilung angewendet werden,[6] dann ergeben sich die Ladungsträgerdichten zu:
mit
- : Elektronendichte
- : Löcherdichte
- , : effektive Zustandsdichte in Leitungs- und Valenzband
- : Energie der Unterkante Leitungsband
- : Energie der Oberkante Valenzband
- : Bandlücke
- : chemisches Potential
- : Boltzmannkonstante
- : absolute Temperatur
Somit ergibt sich die Eigenleitungsdichte:
Dieses Ergebnis ist erheblich von der Temperatur abhängig. Das zugehörige Diagramm berücksichtigt nicht, dass , und ebenfalls von der Temperatur abhängen, allerdings nicht so ausgeprägt. Im Bereich der Raumtemperatur verdoppelt sich so etwa, wenn sich die Temperatur um 10 K erhöht.[7]
Zustand in realen Kristallen
Es ist zu beachten, dass es keinen perfekten Kristall gibt (Entropieargument der Thermodynamik). Bei einer Atomdichte von etwa 5e22 cm−3 (Richtwert für Silizium und Germanium)[6] würde eine Störstellendichte von 5e13 cm−3 bedeuten, dass auf eine Milliarde Atome des Halbleiters eine einzige Störung im Kristallgitter kommt. Aber selbst ein derartig an Störstellen armer Kristall ist für den Zustand der Eigenleitung noch nicht arm genug. Umgekehrt lässt sich durch extrinsische Störstellen (Dotierung) die Ladungsträgerdichte und damit die Leitfähigkeit steigern. Die typische Dichte der eingebrachten Fremdatome liegt bei 1014−1018 cm−3.[8]
Da der Ionisationsgrad der Störstellen mit der Temperatur steigt, nimmt die Ladungsträgerdichte zunächst mit der Temperatur zu (Störstellenreserve). Bei Raumtemperatur sind (bei Silizium) normalerweise alle Störstellen ionisiert (Störstellenerschöpfung), und die Ladungsträgerdichte hängt nicht mehr von der Temperatur, sondern von der Dotierkonzentration ab;[9] dieser Fall wird als extrinsische Leitfähigkeit bezeichnet.
Wird die Temperatur weiter erhöht, verliert der Halbleiter seinen Charakter als n-dotiert oder p-dotiert, da zunehmend mehr Ladungsträger durch die intrinsische Ladungsträgergeneration erzeugt werden. Das Halbleitermaterial wird intrinsisch leitend, weil die thermische Energie nun ausreicht, in größerem Umfang Elektronen vom Valenzband ins Leitungsband anzuregen. Der praktische Einsatz dotierter Halbleiter-Bauelemente reicht deshalb für Germanium nur bis 70 °C und für Silizium bis etwa 170 °C[10] oder in einem Temperaturbereich typisch −40 °C < < 160 °C.[11] Eine Rechnung für die Eigenleitungsdichte von Silizium bei 700 K kommt auf 6.3e15 cm−3.[2]
Einzelnachweise
- ↑ Collaboration: Authors and Editors of the LB Volumes III/17A-22A-41A1b: Germanium (Ge), intrinsic carrier concentration. In: O. Madelung, U. Rössler, M. Schulz (Hrsg.): SpringerMaterials – The Landolt-Börnstein Database. doi:10.1007/10832182_503.
- ↑ a b c d Leonhard Stiny: Aktive elektronische Bauelemente. 4. Auflage. Springer Vieweg, 2019, S. 28–30.
- ↑ Collaboration: Authors and Editors of the LB Volumes III/17A-22A-41A1b: Silicon (Si), intrinsic carrier concentration. In: O. Madelung, U. Rössler, M. Schulz (Hrsg.): SpringerMaterials – The Landolt-Börnstein Database. doi:10.1007/10832182_455.
- ↑ Pietro P. Altermatt, Andreas Schenk, Frank Geelhaar, Gernot Heiser: Reassessment of the intrinsic carrier density in crystalline silicon in view of band-gap narrowing. In: Journal of Applied Physics. Band 93, Nr. 3, Februar 2003, ISSN 0021-8979, S. 1598–1604, doi:10.1063/1.1529297.
- ↑ Collaboration: Authors and Editors of the LB Volumes III/17A-22A-41A1b: Gallium arsenide (GaAs), intrinsic carrier concentration. In: O. Madelung, U. Rössler, M. Schulz (Hrsg.): SpringerMaterials – The Landolt-Börnstein Database. doi:10.1007/10832182_196.
- ↑ a b Jürgen Eichler: Physik: Grundlagen für das Ingenieurstudium. 2. Auflage. Vieweg, 2004, S. 273 f.
- ↑ Wolfgang Böge, Wilfried Plaßmann (Hrsg.): Vieweg Handbuch Elektrotechnik: Grundlagen und Anwendungen für Elektrotechniker. 3. Auflage. Vieweg, 2004, S. 320.
- ↑ H. Hartl, E. Krasser, W. Pribyl, P. Söser, G. Winkler: Elektronische Schaltungstechnik. Pearson, 2008, S. 104.
- ↑ Helmut Lindner: Grundriss der Festkörperphysik. Vieweg, 1979, S. 111.
- ↑ Leonhard Stiny: Aktive elektronische Bauelemente. 4. Auflage. Springer Vieweg, 2019, S. 37.
- ↑ Joachim Specovius: Grundkurs Leistungselektronik: Bauelemente, Schaltungen und Systeme. 3. Auflage. Vieweg+Teubner, 2009, S. 7.