Jeffrey Sachs

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Jeffrey Sachs, 2011 auf dem Weltwirtschaftsforum über Ostasien in Jakarta

Jeffrey David Sachs (* 5. November 1954 in Detroit) ist ein US-amerikanischer Ökonom und seit 2002 Sonderberater der Millennium Development Goals. Er ist Direktor des UN Sustainable Development Solutions Network sowie Direktor des Earth Institute an der Columbia University.[1]

Leben

Jeffrey Sachs erhielt 1976 seinen Bachelorabschluss summa cum laude am Harvard College, anschließend einen Masterabschluss in Ökonomie an der Harvard University. 1980 schloss er an der Harvard University sein PhD-Studium in Ökonomie mit der Dissertation Factor Costs and Macroeconomic Adjustment in the Open Economy: Theory and Evidence ab. Er war zunächst Lehrbeauftragter, ab 1983 auch Professor an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Harvard University.

Im Jahr 2002 wurde Sachs Direktor des Earth Institute at Columbia University, Professor für nachhaltige Entwicklung und Professor für Gesundheitspolitik und -management an der Columbia-Universität. Er ist ebenfalls Forschungsmitglied am National Bureau of Economic Research. Sachs war außerdem Sonderberater für die Millennium Development Goals des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-moon, Berater für den IWF, die Weltbank, die OECD, die WTO und das UNDP.

In den 1980er und 1990er Jahren war er beratend für mehrere Staaten mit wirtschaftlichen Problemen aktiv: ab 1985 in Bolivien, ab 1989 in Polen, ab 1991 in Russland. 1989 schloss Jugoslawien mit dem IWF das sogenannte „Marković-Sachs-Programm“ ab, welches nur auf Drängen des IWF zustande kam. Innerhalb weniger Monate wurde 1989/90 eine radikale Importliberalisierung durchgeführt, die bis Ende 1990 2.435 Betriebe mit insgesamt 1,3 Millionen Beschäftigten in Konkurs gehen ließ. Das Bruttosozialprodukt Jugoslawiens sank 1990 um 7,5 Prozent und 1991 um 15 Prozent.[2]

Vor allem die von ihm empfohlene Politik der raschen Privatisierung im Stil einer Schocktherapie (siehe auch Coupon-Privatisierung) trug ihm Kritik ein. Viele Ökonomen, wie zum Beispiel Joseph E. Stiglitz[3], sind der Meinung, dass diese radikal-neoliberale Herangehensweise zum raschen wirtschaftlichen Zusammenbruch des Ostblocks beigetragen habe. Ab 1994 war Sachs in Indien aktiv, seit 1995 beschäftigt er sich besonders mit Afrika.

Gemeinsam mit den Wissenschaftlern Heiner Flassbeck, Thomas Piketty, Dani Rodrik und Simon Wren-Lewis veröffentlichte er während der Griechischen Staatsschuldenkrise im Juli 2015 einen offenen Brief an Angela Merkel, in dem sie aufgefordert wurde, Griechenlands Schulden zu reduzieren und der dortigen Regierung einen langen Zeitraum zur Rückzahlung der übrigen Schuld einzuräumen.[4] Andrian Kreye kritisierte in der Süddeutschen Zeitung, dass die Autoren des Briefes ihre wissenschaftliche Objektivität aufgegeben und an Glaubwürdigkeit verloren hätten, um politisch Einfluss zu nehmen.[5] Während der Verhandlungen, wenige Tage später, setzte Sachs auf Twitter zahlreiche Meldungen ab, in denen er sich empört über den deutschen Finanzminister und dessen Verhandlungsführung äußerte.[6]

Im September 2020 gründete Sachs zusammen mit anderen in Parma (Italien) die Regenerative Society Foundation, die er gemeinsam mit dem italienischen Kaffeefabrikanten Andrea Illy führt. Mitglied sind mehrere italienische Unternehmen und Universitäten, die Bank Mediolanum und der B-Corp-Zusammenschluss. Ziel der Stiftung ist es, mit „einer regenerativen Wirtschaftsweise die natürlichen Lebensgrundlagen des Planeten […] wieder aufzubauen.“ Aufgabe ist, „die konkrete Umsetzung der regenerativen Ökonomie.“[7]

Wirken

Seine Forschungsinteressen gelten insbesondere der Verbindung zwischen Gesundheit und wirtschaftlicher Entwicklung, ökonomische Geographie, Globalisierung, Transformation zur Marktwirtschaft, internationalen Finanzmärkten, internationaler makroökonomischer Politikkoordination, emerging markets, Entwicklungsökonomik und wirtschaftliches Wachstum, globalem Wettbewerb und makroökonomischer Wirtschaftspolitik in Entwicklungs- und Industrieländern. Seine Idee, Entwicklungshilfe auf einer „klinischen Analyse“ des jeweiligen konkreten Patienten zu begründen, verwirft alle einfachen Problemlösungsvorschläge.

Sachs engagiert sich für weitgehenden Schuldenerlass für extrem arme Staaten und im Kampf gegen Krankheiten, insbesondere HIV/AIDS in Entwicklungsländern. Er kritisiert die WTO und den IWF, weil die Geldgeber dieser Organisationen nicht bereit seien, effektive Hilfe für die extrem Armen zu leisten. Der amerikanischen Regierung wirft er vor, dass sie nicht bereit sei, 0,7 % des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Er wurde für seine Forderung, die Entwicklungshilfe weiter zu steigern, von William Easterly kritisiert, da diese in der Vergangenheit höchstens bescheidene Erfolge erzielt hätte und eine „Planer-Mentalität“ bzw. ein Top-Down-Ansatz wenig effektiv sei.

In den 1990er Jahren kritisierte Sachs mehrfach den Internationalen Währungsfonds für seine Politik und warf Bankern ineffektive Investmentstrategien vor.[8][9]

Ehrungen und Auszeichnungen

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Developing country debt and economic performance (National Bureau of Economic Research Project Report). University of Chicago Press, Chicago, Ill. 1989
  1. The international financial system, ISBN 0-226-73332-7.
  2. Country studies. Argentina, Bolivia, Brazil, Mexico, ISBN 0-226-73333-5.
  3. Country studies. Indonesia, Korea, Philippines, Turkey, ISBN 0-226-73335-1.
  • Developing country debt and the world economy (National Bureau of Economic Research Project Report). University of Chicago Press, Chicago, Ill. 1989, ISBN 0-226-73338-6.
  • Development economics. Inframarginal versus marginal analysis. OUP, Oxford 2001, ISBN 0-631-22003-8.
  • Das Ende der Armut. Ein ökonomisches Programm für eine gerechtere Welt (The end of poverty). Edition Pantheon, München 2006, ISBN 3-570-55012-5.
  • In die Entwicklung investieren. Ein praktischer Plan zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele (Investing in development). Vereinte Nationen, New York 2005.
  • Makroökonomik in globaler Sicht (Macroeconomics in the global economy). Oldenbourg Verlag, München 2001, ISBN 3-486-25826-5 (zusammen mit Felipe Larraín Bascuñán)
  • Poland’s jump to the market economy (Lionel Robbins Lectures; 3). MIT Press, Cambridge, Mass. 1994, ISBN 0-262-69174-4.
  • The rule of law and economic reform in Russia (John M. Olin Critical Issues Series). Westview Press, Boulder, Colo. 1997, ISBN 0-8133-3314-8 (zusammen mit Katharina Pistor)
  • Stagflation in the World Economy. University Press, Cambridge, Mass. 1985, ISBN 0-674-23475-8 (zusammen mit Michael Bruno)
  • Wohlstand für viele. Globale Wirtschaftspolitik in Zeiten der ökologischen und sozialen Krise (Common wealth). Siedler, München 2007, ISBN 978-3-88680-860-1.
  • The Age of Sustainable Development. Columbia University Press, New York 2015, ISBN 978-0-231-17315-5.

Sekundärliteratur

Weblinks

Commons: Jeffrey Sachs – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sustainable Development Solutions Network: Jeffrey Sachs. Abgerufen am 14. Juli 2014.
  2. Jörg Roesler: Mit oder ohne westliches Geld? Der IWF und die sozialistischen Staaten, in: WeltTrends, Jg. 16, H. 59, 2008, S. 85–96 (hier: S. 92).
  3. Joseph Stiglitz: The ruin of Russia, in: The Guardian, 9. April 2003.
  4. "Jetzt ist der Zeitpunkt, die gescheiterte Sparpolitik zu überdenken" Tagesspiegel vom 7. Juli 2015
  5. "Wissenschaft beraubt sich ihrer stärksten Waffe" Süddeutsche Zeitung vom 10. Juli 2015
  6. Ulrich Schäfer: "Twitter-Gewitter gegen Merkel und Schäuble" Süddeutsche Zeitung vom 12. Juli 2015
  7. Ulrike Bauer: Club of Rome reloaded, Süddeutsche Zeitung vom 24. Juli 2022.
  8. Jeffrey Sachs: The IMF Is a Power Unto Itself. In: uv.es. Financial Times, 11. Dezember 1997, abgerufen am 10. September 2019 (englisch).
  9. Jeffrey Sachs: Fixing the IMF and the World Bank. In: Project Syndicate. 4. Oktober 1999, abgerufen am 10. September 2019 (englisch).
  10. Bernhard-Harms-Preis. ifw-kiel.de, archiviert vom Original am 14. Juni 2013; abgerufen am 15. Juni 2013.
  11. Nomina di Membro Ordinario della Pontificia Accademia delle Scienze Sociali. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 25. Oktober 2021, abgerufen am 25. Oktober 2021 (italienisch).