Philipp Jenninger

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Philipp Jenninger (1987)

Philipp Hariolf Jenninger (* 10. Juni 1932 in Rindelbach/Jagst; † 4. Januar 2018[1][2] in Stuttgart) war ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1982 bis 1984 Staatsminister im Bundeskanzleramt und von 1984 bis 1988 Präsident des Deutschen Bundestages.

Leben und Beruf

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Philipp Jenninger nach einem Auftritt im März 2003 in München.

Jenninger stammte aus einem katholischen und zentrumsnahen Elternhaus. Sein Vater, ein Buchdruckermeister, war daher während der Zeit des Nationalsozialismus häufig Schikanen ausgesetzt. Seine Brüder Albert und Wilhelm fielen im Zweiten Weltkrieg.[3] Sein Bruder Alfred (3. März 1921 – 24. Mai 2007) war als Oberst von 1974 bis 1980 Kommandeur der Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt in Oberbayern.

Nach dem Abitur 1952 am Peutinger-Gymnasium Ellwangen absolvierte Jenninger ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, welches er 1955 mit dem ersten und 1959 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen beendete. Am 4. März 1958 erfolgte seine Promotion zum Dr. iur. mit der Arbeit Die Reformbedürftigkeit des Bundesverfassungsgerichts.[4] 1960 trat er als Dezernent in den Dienst der Wehrbereichsverwaltung V in Stuttgart ein. 1963 wechselte er als Referent in das Bundesministerium der Verteidigung und wurde 1964 persönlicher und Pressereferent des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates Heinrich Krone. Nach der Auflösung des Ministeriums war er von 1966 bis 1969 politischer Referent des Bundesministers der Finanzen Franz Josef Strauß. Philipp Jenninger war Mitglied des Präsidiums des Studienzentrums Weikersheim.

Philipp Jenninger war verheiratet und lebte bis zu seinem Tod mit seiner Frau in Stuttgart. Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindungen KDStV Staufia Bonn und KAV Capitolina Rom im CV.

Die Trauerrede beim Trauerstaatsakt im Deutschen Bundestag hielt am 18. Januar 2018 Kardinal Walter Kasper.[5]

Abgeordneter und Minister

Von 1969 bis 1990 war Jenninger Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er vom 19. September 1973 bis zum 4. Oktober 1982 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Jenninger war direkt gewählter Bundestagsabgeordneter, bis 1976 des Wahlkreises Crailsheim und danach des Wahlkreises Schwäbisch Hall. Er erreichte bei der Bundestagswahl 1983 im Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe mit 58,5 % der Erststimmen sein höchstes Ergebnis.

1976 sorgten Vorwürfe gegen Jenninger im Zusammenhang mit einer Ausstellung des der politischen Linken nahestehenden Grafikers und Karikaturisten Klaus Staeck (SPD) in der Parlamentarischen Gesellschaft für Presseberichte. In der Ausstellung waren unter anderem eine Anzahl polemisch gegen die Union und einige ihrer führenden Politiker gerichtete Plakate zu sehen. Jenninger, damals parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, und einige Fraktionskollegen protestierten vor Ort dagegen. Dabei wurden auch Plakate von der Wand genommen und zerrissen. Unter anderem zerriss Jenninger ein Plakat Staecks mit der Aufschrift „Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält“.[6][7] Staeck verklagte daraufhin Jenninger. Es erging ein Versäumnisurteil auf Zahlung von zehn Mark Schadenersatz plus Zinsen gegen Jenninger.[8] Dieser als „Bonner Bildersturm“ titulierte Vorfall wurde später wiederholt gegen Jenninger verwendet.

Jenninger wurde am 4. Oktober 1982 zum Staatsminister im Kanzleramt ernannt, mit dem besonderen Auftrag, Deutschlandpolitik zu gestalten.

Präsident des Deutschen Bundestags

Am 5. November 1984 wurde Jenninger nach dem Rücktritt von Rainer Barzel zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Besondere Aufmerksamkeit widmete er den Beziehungen zu den Parlamenten der Staaten des Warschauer Pakts und dem in diesen Staaten stattfindenden politischen Wandel. Es kam zu Dialogen, teilweise auch gegenseitigen Besuchen, mit Parlamentariern aus Polen, Ungarn, der Sowjetunion, der ČSSR, Rumänien und der DDR. Jenninger genoss zeitweise auch bei den Oppositionsparteien SPD und Grüne hohes Ansehen und wurde nach der Bundestagswahl 1987 mit großer Mehrheit wiedergewählt.[9]

In Jenningers Amtszeit fiel auch der Beschluss zum Abriss und Neubau des Plenargebäudes des Bundestages.

Bei der Bundestagswahl 1990 kandidierte Jenninger nicht mehr.

Rede am 10. November 1988

Jenningers Rede zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht 1988 wurde von weiten Teilen der Öffentlichkeit als „missglücktes Gedenken“ gewertet[10] und erzeugte einen Skandal, der zu seinem sofortigen Rücktritt vom Amt des Bundestagspräsidenten führte. Jenninger wollte in seiner Rede den Zuhörern die Weltsicht und Gefühlslage der Täter und der untätigen Zeugen nahebringen und das politische Klima nachvollziehbar machen, in dem es zur „Reichskristallnacht“ kommen konnte. Dies erfolgte nach Jenningers Angaben auf Anregung des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Werner Nachmann, der ihm gegenüber darlegte, er höre von jungen Leuten in Deutschland immer wieder, sie bekämen keine Antwort auf die Frage, wie es eigentlich „zu Hitler gekommen“ sei.[11]

Jenninger machte in seiner Rede, die zunächst von vorher unabhängig vom Wortlaut der Rede geplanten Zwischenrufen aus der Fraktion der Grünen gestört wurde, häufig von den Stilmitteln der direkten und der erlebten Rede Gebrauch und benutzte dabei teilweise Diktion und Vokabular der Nazipropaganda, um die damals verbreiteten Denkmuster zu illustrieren. Abgeordnete von Grünen, SPD und FDP verließen noch während der Rede aus Protest den Plenarsaal. Das mediale Echo in Deutschland, bei dem es zu falschen Zitaten und unzulässigen Verkürzungen kam, war verheerend. Unter diesem Eindruck trat Jenninger bereits am darauffolgenden Tag vom Amt des Bundestagspräsidenten zurück.

In der Folge wurde Jenningers Redetext weitgehend rehabilitiert, unter anderem dadurch, dass der spätere Vorsitzende des Zentralrats der Juden Ignatz Bubis demonstrativ umstrittene Passagen aus Jenningers Ansprache in eine eigene Rede übernahm, ohne damit Anstoß zu erregen. Eine Analyse der Rede und der Umstände findet sich im jüdischen Internetportal haGalil.[12] Weiterhin wurde die Art des Vortrags der Rede bemängelt, die Jenninger nach eigenen Angaben „überhaupt nicht einstudiert“[13] hatte und die als misslungen angesehen wird. Willy Brandt äußerte, die Rede sei „fehlgeschlagen, nicht weil Jenninger ein schlechter Kerl ist, sondern weil er sich übernommen hat“.[9]

In der Sprachwissenschaft, der Kommunikationswissenschaft und der Sprechwissenschaft wird die Rede heute herangezogen, um aufzuzeigen, in welchem Ausmaß Sprachgebrauch Inhalt beeinflusst und was als transportierter Inhalt verstanden wird.

Weitere öffentliche Ämter

Von 1991 bis 1995 war Jenninger Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Österreich und von 1995 bis 1997 Botschafter beim Heiligen Stuhl.

Von 1985 bis 1990 war Jenninger Präsident des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung und später deren Ehrenpräsident.[14]

Ehrungen und Auszeichnungen (Auszug)

Kabinette

Einzelnachweise

  1. Tagesschau: Ex-Bundestagspräsident Jenninger gestorben
  2. Früherer Bundestagspräsident Philipp Jenninger ist gestorben. In: zdf.de. 5. Januar 2018, archiviert vom Original am 24. Juni 2018;.
  3. Eckard Presler: Endstation Vatikan. In: Berliner Zeitung, 26. August 1995.
  4. Walter Rutz (Bearb.): Bibliographie der Dissertationen im Staats- und Verwaltungsrecht, 1945–1960. Duncker & Humblot, Berlin 1965, S. 48.
  5. http://www.kardinal-kasper-stiftung.de/TrauerstaatsaktimDeutschenBundestag.html
  6. Rechtfertigung von Gewalt, in: Der Spiegel, Ausgabe 22/1976, S. 200–201.
  7. Der Spiegel 25/1976, S. 10.
  8. Urteil Philipp Jenninger. Notiz des Spiegel vom 28. Juni 1976
  9. a b Nach der Rede im freien Fall – Philipp Jenninger (Memento vom 21. April 2011 auf WebCite) in der Wochenzeitung Das Parlament, Ausgabe 15/2011
  10. [1] Wolfgang Benz – Bundeszentrale für Politische Bildung, abgerufen am 6. Januar 2018
  11. Interview aus dem Jahr 2006 mit Philipp Jenninger, in: Jan C. L. König: Über die Wirkungsmacht der Rede, S. 437 ff.
  12. Analyse der Rede und ihrer Umstände auf haGalil.com.
  13. Interview aus dem Jahr 2006 mit Philipp Jenninger, in: Jan C. L. König: Über die Wirkungsmacht der Rede, S. 445.
  14. Jürgen Mittag: Vom Honoratiorenkreis zum Europanetzwerk. Sechs Jahrzehnte Europäische Bewegung Deutschland. In: Christoph Linden, Michael Hacker (Red.): 60 Jahre Europäische Bewegung Deutschland. 1949–2009. Netzwerk Europäische Bewegung, Berlin 2009, S. 29.
  15. dpa: Staatsakt für Philipp Jenninger – Deutschland – Badische Zeitung. Badische Zeitung, 19. Januar 2018, abgerufen am 19. Januar 2018.

Literatur

  • Jürgen Mittag: Vom Honoratiorenkreis zum Europanetzwerk. Sechs Jahrzehnte Europäische Bewegung Deutschland. In: Christoph Linden, Michael Hacker (Red.): 60 Jahre Europäische Bewegung Deutschland. 1949–2009. Netzwerk Europäische Bewegung, Berlin 2009, S. 12–28, Online (Memento vom 18. Januar 2012 im Internet Archive).
  • Wolfgang Benz: Missglücktes Gedenken. Die Rede Philipp Jenningers im Deutschen Bundestag am 10. November 1988. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 61 (2013), 11, S. 906–919.
  • Armin Laschet mit Heinz Malangré (Hrsg.): Philipp Jenninger: Rede und Reaktion. Einhard u. a., Aachen 1989, ISBN 978-3-920284-49-1.

Weblinks

Commons: Philipp Jenninger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
VorgängerAmtNachfolger
Dietrich von BrühlDeutscher Botschafter in Österreich
1991–1995
Ursula Seiler-Albring
Hans-Joachim HallierDeutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl
1995–1997
Jürgen Oesterhelt