Mitglied des Deutschen Bundestages

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB, Bundestagsabgeordneter) ist die amtliche Bezeichnung für einen Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Die Abkürzung MdB wird als sogenannter Namenszusatz mit oder ohne Komma hinter den Nachnamen gestellt.[1] Seit der Bundestagswahl 2021 gibt es 736 Abgeordnete. Die Differenz zur nominellen Größe von 598 Abgeordneten ergibt sich durch Überhangmandate und Ausgleichsmandate.

Allgemeine Beschreibung

Bundestagsabgeordnete werden durch Bundestagswahlen direkt (Direktmandat) oder nach den Landeslisten ihrer jeweiligen Partei gewählt. Mit der Erststimme wird der Abgeordnete des jeweiligen Wahlkreises und mit der Zweitstimme die Landesliste gewählt.

Von dieser Regel, dass Bundestagsabgeordnete durch Bundestagswahlen bestimmt werden, gab es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Ausnahmen:

  • die West-Berliner Bundestagsabgeordneten in der 1. bis 11. Wahlperiode wurden vom Abgeordnetenhaus von Berlin bestimmt. Die Berliner Abgeordneten bekamen allerdings ihr (volles) Stimmrecht erst durch den Wiedervereinigungsprozess am 8. Juni 1990.
  • zehn weitere Mitglieder des Bundestages ab dem 4. Januar 1957 nach dem Beitritt des Saarlands waren zuvor vom Landtag des Saarlandes bestimmt worden.
  • aufgrund der Wiedervereinigung mit der ehemaligen DDR zogen am 3. Oktober 1990 144 neue Abgeordnete in den Bundestag ein, die zuvor von der DDR-Volkskammer bestimmt worden waren.

Die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erwirbt ein gewählter Bewerber zur Bundestagswahl gemäß § 45 Bundeswahlgesetz „[…] nach der abschließenden Feststellung des Ergebnisses für das Wahlgebiet durch den Bundeswahlausschuss […] mit der Eröffnung der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages nach der Wahl.“

Bundestagsabgeordnete vertreten nach Art. 38 GG das ganze deutsche Volk im Deutschen Bundestag und sind bei Entscheidungen nicht an Weisungen und Aufträge gebunden, sondern nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen. Allerdings wird das freie Mandat in der parlamentarischen Praxis durch die sogenannte Fraktionsdisziplin eingeschränkt.

Die Abgeordneten wiederum wählen den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und können ihn auch vor Ablauf der Wahlperiode des Bundestages durch ein konstruktives Misstrauensvotum wieder ablösen. Zudem sind sie an der Wahl des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland durch die Bundesversammlung beteiligt. Außerdem haben sie entscheidenden Anteil an der Bundesgesetzgebung.

Das durch die Bundestagswahl erlangte Mandat gilt für eine Wahlperiode von vier Jahren. Dieser Zeitraum gilt unabhängig von der Partei- oder Fraktionszugehörigkeit, ein Abgeordneter behält sein Mandat auch dann, wenn er nicht mehr einer Fraktion angehört. Auch der Einfluss der Wähler endet nach der Wahl, sie können den Abgeordneten nicht durch ein Misstrauensvotum wieder abwählen. Der Wille des Abgeordneten selbst, sein Amt niederzulegen, ist dagegen einer der Gründe, die zu einem Amtsverlust führen.[2] Jeder wahlberechtigte Bürger der Bundesrepublik Deutschland kann sich auch als Kandidat zur Wahl in den Bundestag aufstellen. Die Ausübung des Abgeordnetenamtes unterliegt arbeitsrechtlich einem besonderen Schutz, der Kündigungen von Arbeitgebern gegenüber Arbeitnehmern aus Anlass der Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenamtes untersagt, auch allgemein darf niemand an der Ausübung dieses Amtes gehindert werden (§§ 2, 3 und 4 Abgeordnetengesetz (AbgG)).

Die Mitglieder des Deutschen Bundestages können sich zu Fraktionen oder Gruppen zusammenschließen und genießen damit einen besonderen Verfahrens- und Organisationsstatus. Dem Bundestag steht der Bundestagspräsident vor.

Scheidet ein Abgeordneter durch Tod oder Verzicht aus dem Bundestag aus, wird sein Mandat durch den nächsten Kandidaten der Landesliste seiner Partei ersetzt, wenn es sich nicht um ein nicht ausgeglichenes Überhangmandat handelt (vergleiche Nachrücker-Urteil). In diesem Fall entfällt das Mandat, und der Bundestag hat insgesamt ein Mandat weniger. Sollte die Landesliste erschöpft sein, entfällt das Mandat ebenso. Dies war erstmals 2015 der Fall, als nach dem Ausscheiden von Katherina Reiche die einzige noch verbliebene Bewerberin auf der brandenburgischen CDU-Landesliste das Mandat nicht angenommen hat.

Ausschuss Digitale Agenda (2014)

Sozialer Hintergrund

Mit der Bundestagswahl 2017 wurden 709 Abgeordnete in den 19. Deutschen Bundestag gewählt, davon 219 Frauen (30,9 %) und 490 Männer (69,1 %).[3]

Berufsstand Anzahl Anteil
Lehrer, Forschung, Hochschulangehörige 76 10,7 %
Sonstige Öffentlicher Dienst 129 18,2 %
Mitarbeiter von Abgeordneten, Parteien, Fraktionen 79 11,1 %
Sonstige politische und gesellschaftliche Organisationen 23 3,2 %
Kirchen 8 1,1 %
Wirtschaft (Selbständige, Angestellte, einschl. Verbände) 234 33,0 %
Rechts-, wirtschafts- und steuerberatende Berufe 99 14,0 %
Sonstige freie Berufe 22 3,1 %
Sonstige 21 3,0 %
Keine Angaben 18 2,5 %

Anm.: Vollständige Liste auf der Seite des Bundestages.[4]

Rechte und Pflichten

Rechte

  • Statusrechte aus Art. 38 I 2 GG:
  • Immunität gegen Strafverfolgung (Art. 46 II GG). Diese kann vom Bundestag aufgehoben werden.
  • Indemnität für Abstimmungen und Äußerungen, die ein Abgeordneter im Bundestag tätigt (Art. 46 I GG).
  • Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 47 GG): Die Abgeordneten haben das Recht gegenüber Ermittlungsbehörden oder Gerichten, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.

Pflichten

  • Abgeordnete sollten während einer Sitzung des Parlaments im Gebäude des Bundestags anwesend sein. Sie sind jedoch dazu nicht verpflichtet, da sie an keine Weisungen gebunden sind. Sie müssten auch nicht im Plenarsaal sitzen, sondern können sich zum Beispiel auch im Büro aufhalten und arbeiten, da die Sitzung im bundestagsinternen Fernsehen übertragen wird. Bei unentschuldigtem Fehlen an Sitzungstagen wird die Kostenpauschale gekürzt (§ 14 Abgeordnetengesetz).
  • Zur Verpflichtung, sich nicht bestechen zu lassen, siehe Artikel Abgeordnetenbestechung.

Diäten und Aufwandsentschädigungen

  • Abgeordnetenentschädigung (Diät): 10.323,29 €/Monat (§ 11 Abs. 1 Abgeordnetengesetz – AbgG, Stand 1. Juli 2022);[5]
  • Steuerfreie Kostenpauschale: 4.583,39 €/Monat (Stand: 1. Januar 2022). Kosten für die Ausübung des Mandates sind durch die Kostenpauschale pauschal abgedeckt. Höhere Ausgaben sind weder erstattbar, noch können sie steuerlich abgesetzt werden. Die Steuerfreiheit ist verfassungsgemäß.[6][5]
  • Krankheitskosten: Wahlweise Beitragszuschuss von 50 Prozent des an der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichteten Höchstsatzes, des „Arbeitgeberanteils“ von ca. 250 €/Monat oder Teilerstattung der Aufwendungen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (§ 27 AbgG).
  • Bereitstellung einer Netzkarte für die kostenfreie Nutzung der Züge der Deutsche Bahn AG,[7] die seit 2012 auch für private Reisen genutzt werden kann, sowie die Erstattung sonstiger mandatsbedingter Reisekosten im Inland (§ 16 AbgG). Innerhalb Berlins ist die Nutzung des Fahrdienstes des Deutschen Bundestages kostenfrei.
  • Übernahme von bis zu 22.201 €/Monat für die Gehälter der Angestellten des Abgeordneten (§ 12 Abs. 3 AbgG). Die Gehälter werden von der Bundestagsverwaltung direkt an die Mitarbeiter gezahlt. Sind die Angestellten des Abgeordneten mit ihm verwandt oder verschwägert, muss er die Kosten selbst tragen.
  • Pro Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag erwirbt ein Abgeordneter einen Pensionsanspruch (Altersentschädigung) von 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung bis zum Höchstsatz von 65 Prozent (§ 20 AbgG), der ggf. nach 26 Jahren erreicht wird. Gewährt wird die Altersentschädigung grundsätzlich erst ab Erreichen der Regelaltersgrenze, die schrittweise von 65 auf 67 Lebensjahre ansteigt (§ 19 AbgG). Bis zum 31. Dezember 2007 galt, dass sich ab acht Jahren Mitgliedschaft im Bundestag die Altersgrenze um je ein Jahr pro weiterem Jahr Mitgliedschaft bis max. dem 18. Jahr verringerte (§ 19 AbgG a. F.), sodass die Altersgrenze bis zu zehn Jahre vorzeitig erreicht werden konnte. Im Regelfall gehören Abgeordnete dem Bundestag zwischen acht und zwölf Jahren an, womit ein Anspruch von 20,0 bis 30,0 Prozent erreicht wird.

Lobbyismus und Nebentätigkeiten

Der Bundestagsabgeordnete hat gewisse Verhaltensregeln zu beachten. Eine dieser Verhaltensregeln besagt, in welchen Fällen Bundestagsabgeordnete ihre Einkünfte aus Nebentätigkeiten dem Bundestagspräsidenten mitzuteilen haben (§ 44b Nr. 2 AbgG).[8] Einkünfte unter 1.000,- € sind nicht veröffentlichungspflichtig. Darüber hinausgehende Einkünfte wurden im 17. Bundestag (2009–2013) lediglich den drei Stufen „1.000 bis 3.500,- €“, „3.500 bis 7.000,- €“ und „über 7.000,- €“ zugeordnet.[9] Ab der 18. Wahlperiode, die am 22. Oktober 2013 begann, sind Nebeneinkünfte in zehn Stufen von über 1000 € bis über 250.000 € im Jahr oder im auf die Legislaturperiode entfallenden Jahresanteil anzugeben.

Um im Jahr 2006 die Einführung der Offenlegung von Einkünften aus Nebentätigkeiten der Bundestagsabgeordneten zu verhindern, lagen dem Bundesverfassungsgericht Organstreitklagen von neun Abgeordneten des Bundestages vor.[10] Davon gehörten je drei der FDP (Heinrich Leonhard Kolb, Sibylle Laurischk und Hans-Joachim Otto) und der CDU (Friedrich Merz, Siegfried Kauder und Marco Wanderwitz), zwei der CSU (Max Straubinger und Wolfgang Götzer) und einer der SPD (Peter Danckert) an.[11]

Mit seiner Entscheidung vom 4. Juli 2007 hat das Bundesverfassungsgericht bei Stimmengleichheit die Anträge abgewiesen. Nach Auffassung der Hälfte der Richter des Zweiten Senats gehen von Nebentätigkeiten wie etwa in Aufsichtsräten „besondere Gefahren für die Unabhängigkeit“ der Abgeordneten aus, da die Annahme „nicht fern“ liege, dass Einnahmen aus Nebentätigkeiten „Rückwirkungen auf die Mandatsausübung haben können“. Das Volk habe „Anspruch darauf“ zu wissen, von wem und in welcher Größenordnung seine Vertreter Geld entgegennehmen. Das Interesse der Abgeordneten an einer Vertraulichkeit der Daten sei demgegenüber „nachrangig“.[12] Kritiker fordern eine noch genauere Aufschlüsselung der Abgeordneteneinkünfte.[13]

Unvereinbarkeiten

Eine Reihe von Ämtern ist mit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag nicht vereinbar:[14]

Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufs-/Zeitsoldaten und Richtern kann beschränkt werden (Art. 137 GG).

Rekorde

Dauer der Zugehörigkeit zum Bundestag

Wolfgang Schäuble ist der Bundestagsabgeordnete mit der längsten Parlamentszugehörigkeit: Dem Deutschen Bundestag gehört er ununterbrochen seit der konstituierenden Sitzung der 7. Legislaturperiode am 13. Dezember 1972 an. Schäuble löste 2014 Richard Stücklen als Abgeordneter mit der längsten Bundestagszugehörigkeit ab. Gleichzeitig ist Schäuble auch der Abgeordnete mit der längsten Parlamentszugehörigkeit in der Geschichte nationaler deutscher Parlamente seit Mai 1848 (Frankfurter Paulskirche), seit er 2017 August Bebel ablöste, der von 1867 bis 1881 und von 1883 bis 1913 einem höchsten deutschen Parlament angehörte.

Joachim Gauck war nur vom 3. bis 4. Oktober 1990 Bundestagsabgeordneter. Er legte das Mandat nieder, da er am 4. Oktober zum Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes („Gauck-Behörde“) ernannt wurde.

Lebensalter

Das jüngste Mitglied in der Geschichte des Bundestags ist Anna Lührmann (* 1983), die bei der konstituierenden Sitzung des 15. Deutschen Bundestags am 17. Oktober 2002 19 Jahre und 125 Tage alt war.[15][16]

Konrad Adenauer (1876–1967) war bei seinem Tod 91 Jahre und 104 Tage alt und damit das älteste Bundestagsmitglied.

Siehe auch

Literatur

  • Peter Badura: Die Stellung des Abgeordneten nach dem Grundgesetz und den Abgeordnetengesetzen in Bund und Ländern. In: Hans-Peter Schneider und Wolfgang Zeh (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland. Walter de Gruyter, Berlin 1989. ISBN 3-11-011077-6. S. 489–521. PDF; 7,5 MB.

Weblinks

Commons: Mitglied des Deutschen Bundestages – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Bundestagsabgeordneter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ratgeber für Anschriften und Anreden, S. 20. Bundesministerium des Innern, 20. September 2016, abgerufen am 28. Juli 2020.
  2. Für weitere Gründe siehe § 46 Bundeswahlgesetz: Verlust der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag
  3. Abgeordnete in Zahlen. Frauen und Männer. (Nicht mehr online verfügbar.) Deutscher Bundestag, Oktober 2017, archiviert vom Original am 8. Februar 2018; abgerufen am 10. Februar 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundestag.de
  4. Berufe. (Nicht mehr online verfügbar.) Deutscher Bundestag, Oktober 2017, archiviert vom Original am 18. Februar 2018; abgerufen am 18. Februar 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundestag.de
  5. a b Aufwandsentschädigung für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Deutscher Bundestag, abgerufen am 28. August 2022.
  6. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 2010 - 2 BvR 2227/08 und 2228/08 -
  7. Deutscher Bundestag: Abgeordnete/Entschädigung/Reisekosten
  8. Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat
  9. Hinweise zur Veröffentlichung der Angaben gemäß Verhaltensregeln im Amtlichen Handbuch und auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages (Memento vom 9. August 2010 im Internet Archive)
  10. Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten (Bundesverfassungsgericht)
  11. Liste der Kläger als Bildstrecke bei Spiegel Online (Memento vom 24. Oktober 2006 im Internet Archive).
  12. Abgeordnete müssen Nebeneinkünfte offenlegen Pressemitteilung Nr. 73/2006 vom 4. Juli 2007 des BVerfG
  13. Auskunft über Einkünfte verärgert Politiker (Der Spiegel, 5. Juli 2007)
  14. Inkompatibilitäten mit dem Bundestagsmandat (2005) (Memento vom 11. Oktober 2010 im Internet Archive)
  15. Daniel Meuren: Die einst Jüngste will zurück nach Berlin. In: faz.net. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Juni 2021, abgerufen am 26. Oktober 2021.
  16. Mathias Hamann: „Manchmal hat sie genervt“. In: Spiegel Panorama. 25. September 2009, abgerufen am 26. Oktober 2021.