Kadyrowzy

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Die Kadyrowzy (russisch Кадыровцы ‚Kadyrows Anhänger‘; Transkription nach ISO/DIN: Kadyrovcy)[1] bilden eine verstärkte Division der russischen Nationalgarde, die vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow geleitet wird.[2]

Ramsan Kadyrow (rechts) mit Dmitri Medwedew (2008)

Geschichte

Die Kadyrowzy entstanden 1994 als irreguläre Miliz, die von Achmat Kadyrow geführt wurde, dem späteren Präsident der Tschetschenischen Republik und Vater von Ramsan Kadyrow, und erst auf Seiten der Tschetschenischen-islamischen Republik kämpfte.

Der Begriff Kadyrowzy wurde während des Tschetschenienkrieges 1999 benutzt, als die Miliz auf der Seite der Russischen Föderation gegen die Separatisten kämpfte. Achmat Kadyrow wurde 2004 ermordet, und die Führung der Miliz ging an seinen Sohn, Ramzan Kadyrov. 2006 wurde die Miliz als Regiment der Russischen Nationalgarde legalisiert. Nach dem Ende des Tschetschenienkriegs 2009 warfen Medienberichte den Kadyrowzy Menschenrechtsverletzungen wie Mord und Folter vor.[3] Die Kadyrowzy hätten sich „an keine Rechtsnormen gebunden“ gefühlt, da sie während des Kriegs autonom agierten und nicht dem russischen Innenministerium unterstanden.[4]

Ukrainekrieg

Mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs 2014 tauchten geschlossene Verbände der tschetschenischen Kämpfer in der Ostukraine auf, bei denen es sich vermutlich um Kadyrowzy handelte; Kadyrow widersprach jedoch diesen Berichten.[5] Der Kommandant der rund 300 für die Separatisten kämpfenden Tschetschenen behauptete, auf eigene Faust in den Krieg gezogen zu sein, Beobachter vermuteten hingegen, dass sie ein Gegengewicht zu tschetschenischen Freiwilligen darstellen sollten, die auf Seiten der Ukraine kämpften.[6][7]

Internationale Spannungen verursachten russische Übertretungen von Entmilitarisierungs-Vereinbarungen auf Spitzbergen. 2016 hatten tschetschenische Fallschirmjäger nach einer Ausbildungsübung im arktischen Barneo den Flughafen von Longyearbyen genutzt.[8] Kadyrow begrüßte sie persönlich bei ihrer Rückkehr auf dem Flughafen von Grosny.[9]

Im März 2021 veröffentlichte die Nowaja Gaseta einen Artikel von Jelena Milaschina, der sich auf Aussagen eines ehemaligen Offiziers der Kadyrowzy stützt. Dieser habe ausgesagt, dass die Kadyrowzy Menschen im Keller des Regimentquartiers zu Tode foltern. Laut einem Bericht im Spiegel (Dezember 2021) bestritten die Kadyrowzy die Vorwürfe und verlangten von der Zeitung Nowaja Gaseta die Einstellung der „Beleidigungen“ unter Androhung nicht näher bezeichneter Konsequenzen.[10]

Mit der Eskalation des Ukrainekriegs durch die russischen Invasion wurden drei Bataillone der Kadyrowzy als Teil der russischen Truppen in die Ukraine entsandt.[11] Am 25. Februar 2022 äußerte Ramsan Kadyrow, dass die Kadyrowzy „die heißesten Punkte“ in der Ukraine besetzen würden.[12] In verschiedenen Medien, die sich auf Informationen ukrainischer Sicherheitsbehörden beriefen, hieß es, dass eine Einheit der Kadyrowzy in der Ukraine, die den Auftrag gehabt habe, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu töten, nach Angaben von Oleksij Danilow von ukrainischen Sicherheitskräften eliminiert worden sei. Es wurde zugleich betont, dass diese Informationen nicht unabhängig bestätigt werden konnten. Die Informationen über das Attentat seien, so Oleksij Danilow, zuvor vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB an ukrainische Sicherheitsbehörden übermittelt worden, da sich der FSB nicht am Krieg beteiligen wolle.[13][14]

Augenzeugen des Massakers von Butscha berichteten, dass zu Beginn der Besatzung Butschas „junge Soldaten“ vor Ort gewesen seien, ehe sie durch andere russische Kräfte (darunter „tschetschenische Truppen“) abgelöst worden seien und die systematischen Angriffe auf Zivilisten damit einhergehend begonnen hätten. Funksprüche aus dem nördlichen Großraum Kiew, die vom deutschen Bundesnachrichtendienst abgehört wurden, deuten darauf hin, dass die Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Folterungen der russischen Soldaten an den Zivilisten von der russischen Militärführung bewusst angeordnet wurden, um die örtliche Bevölkerung in Angst zu versetzen und ihren Durchhaltewillen zu brechen.[15]

Der Geheimdienst des ukrainischen Verteidigungsministeriums (GUR) meldete, dass es zwischen Einheiten der russischen Streitkräfte zu Schusswechseln mit Beteiligung von mehr als 100 Soldaten kam. Dem GUR zufolge habe es sich dabei zum Einen um Verteilungskämpfe um geplünderte Kriegsbeute zwischen Kadyrowzy und burjatischen Soldaten gehandelt. Ein weiterer Grund für den Schusswechsel zwischen den zwei ethnisch verschiedenen Einheiten sei eine empfundene Ungleichbehandlung gewesen. So seien Kadyrowzy im Gegensatz zu burjatischen Soldaten nicht an der Front eingesetzt und außerdem dafür verantwortlich, die Frontsoldaten (notfalls mit Waffengewalt) von einem Rückzug bzw. von einer Frontflucht abzuhalten.[16][17][18]

Einzelnachweise

  1. Umschrift des russischen Alphabets. In: uni-heidelberg.de. Abgerufen am 6. September 2022.
  2. Uwe Klussmann: Tschetschenien: Die Rückkehr der Wölfe. In: Der Spiegel. Nr. 25, 2007 (online18. Juni 2007).
  3. Florian Klenk: „Bitte helfen Sie mir!“ In: Falter 4/2009.
  4. Alice Bota: Asylrecht: Fast jeden Tag werden Menschen getötet in Tschetschenien. In: Die Zeit. Nr. 24/2013 (online).
  5. Mounia Meiborg: Ukraine: Tschetschenische Krieger in der Ostukraine – Kadyrow widerspricht. In: Zeit Online. 28. Mai 2014, abgerufen am 6. Mai 2015.
  6. Jutta Sommerbauer: Ukraine-Krieg: Smert, das tschetschenische Todesbataillon. In: Zeit Online. 5. Januar 2015, abgerufen am 6. Mai 2015.
  7. Florian Kellermann: Ukraine-Krieg / Tschetschenische Kämpfer auf beiden Seiten. deutschlandfunk.de, 23. Dezember 2014.
  8. Trude Pettersen: Chechen special forces instructors landed on Svalbard. In: thebarentsobserver.com. 13. April 2016.
  9. Ruptly: Russia: Kadyrov greets Chechen special forces on return from Arctic. YouTube, 24. April 2016.
  10. Timofey Neshitov, Emile Ducke: (S+) Friedensnobelpreisträger Dmitrij Muratow: Der Mann, der nicht vor Putin kuscht (S+). In: Der Spiegel. 10. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. Dezember 2021]).
  11. Ann-Dorit Boy: (S+) Wie viele tschetschenische Kämpfer hat Ramsan Kadyrow in die Ukraine geschickt? In: Der Spiegel. 3. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 3. März 2022]).
  12. Julian Röpcke, Philip Fabian: Putins Tschetschenen-Rambo: Kadyrow schickt Krieger Richtung Ukraine. bild.de, 3. Februar 2022.
  13. Bericht: Tschetschenische Söldner wollten Selenskyj töten. In: t-online.de. Abgerufen am 3. März 2022.
  14. Assassination plot against Zelensky foiled and unit sent to kill him ‘destroyed,’ Ukraine says. In: Washington Post. ISSN 0190-8286 (washingtonpost.com [abgerufen am 3. März 2022]).
  15. Melanie Amann, Matthias Gebauer, Fidelius Schmid: Horror von Butscha: Soldaten besprachen Gräueltaten gegen Zivilisten über Funk. In: Der Spiegel. 7. April 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. April 2022]).
  16. Ukrainian intelligence: Russian units fire at each other near Chornobaivka. Abgerufen am 6. Mai 2022 (englisch).
  17. The shooting of Buryats with Chechens - cannot share the loot. In: odessa-journal.com. 29. April 2022, abgerufen am 6. Mai 2022 (amerikanisches Englisch).
  18. Tim McMillan: Russian Soldiers Get In a Shootout With Each Other. 30. April 2022, abgerufen am 6. Mai 2022 (amerikanisches Englisch).