Katja Lange-Müller
Katja Lange-Müller (* 13. Februar 1951 in Berlin-Lichtenberg) ist eine deutsche Schriftstellerin.
Leben
Katja Lange-Müller ist die Tochter von Inge Lange (1927–2013), die eine führende Politikerin in der DDR war. Nachdem sie mit 16 Jahren wegen „unsozialistischen Verhaltens“ von der Schule verwiesen worden war, machte sie eine Lehre als Schriftsetzerin und arbeitete anschließend als Bildredakteurin bei der Berliner Zeitung. Nach einer einjährigen Tätigkeit als Requisiteurin beim DDR-Fernsehen war sie mehrere Jahre Hilfsschwester auf geschlossenen psychiatrischen Stationen der Berliner Charité und des Krankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Berlin-Herzberge.
Ab 1979 studierte sie am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Ihr Mann Wolfgang Müller hatte ohne ihr Zutun Bewerbungsunterlagen für sie eingereicht.[1] 1982 folgten ein einjähriger Studienaufenthalt in der Mongolei und Arbeit in der „Teppichfabrik Wilhelm Pieck“ in Ulan-Bator. Nach der Rückkehr in die DDR war sie 1983 Lektorin im Altberliner Verlag. 1984 reiste sie aus der DDR nach West-Berlin aus. Sie lebt bis heute in Berlin und neuerdings auch in der Schweiz.
Lange-Müller ist seit 2000 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, seit 2002 der Akademie der Künste (Berlin). Sie war Mitglied des PEN Zentrum Deutschland, ehe sie aus Protest gegen die Umstände der Vereinigung mit dem ostdeutschen PEN-Zentrum gemeinsam mit Ingrid Bachér, Marcel Reich-Ranicki u. a. austrat.[2] Im Juni 2022 war Lange-Müller Mitgründerin des PEN Berlin.[3]
Sie war kurzzeitig mit dem Schriftsteller Wolfgang Müller (1941–2013), dem jüngeren Bruder des Schriftstellers Heiner Müller, verheiratet.[4][5]
Politisches Engagement
Im April 2022 unterzeichnete Lange-Müller den von Alice Schwarzer initiierten „Offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz“, der sich aus Sorge vor einem Weltkrieg als Folge des Russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 unter anderem gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ausspricht. Doch nach einer Reise nach Estland bezeichnete sie ihre Unterschrift als Fehler, da die Unterzeichner des Offenen Briefs „die grund- und schuldlos Angegriffenen, nämlich die Ukraine, quasi zur Kapitulation auffordern“. Sie kritisierte, dass die Unterzeichner sich als „die moralisch Überlegenen, die Vernünftigen, die Friedliebenden“ gäben.[6]
Literarisches Werk
Lange-Müllers Werk besteht aus Erzählungen und Romanen, in die auch Erfahrungen aus ihrem bewegten Leben einfließen. Obwohl es sich dabei oft um Geschichten über gesellschaftliche Außenseiter und Versager handelt, wird immer wieder die komische und groteske Seite von deren Schicksalen betont. Auch in der Auseinandersetzung mit der deutschen Teilung und den Zuständen in der DDR macht sich Lange-Müllers ausgeprägt satirische Ader bemerkbar.
»In ihren Werken nutze sie Komik als eine „Art Notwehr“, so Lange-Müller. „Wenn ein großer Dicker einem kleinen schwächlichen Dünnen bedrohlich nahe kommt und ihm auf die Schnauze hauen will, hat der kleine Dünne nur eine Chance: Er muss den großen Dicken zum Lachen bringen. Dann haut er ihn nicht mehr.“«
Werke
- Wehleid – wie im Leben (= Collection S. Fischer, Band 47), Fischer Taschenbuch 2347, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-22347-4.
- Kasper Mauser – die Feigheit vorm Freund, Köln 1988.
- Verfrühte Tierliebe, Köln 1995.
- Die Letzten: Aufzeichnungen aus Udo Posbichs Druckerei, Roman, Köln 2000, ISBN 3-462-02929-0.
- Biotopische Zustände, Berlin 2001.
- Preußens letzte Pioniere, Rheinsberg 2001.
- mit Hans Scheib: Stille Post, Schwetzingen 2001.
- mit Ingrid Jörg: Der süße Käfer und der saure Käfer, Berlin 2002.
- mit Jonas Maron und Monika Maron: Was weiß die Katze vom Sonntag?, Berlin 2002
- Die Enten, die Frauen und die Wahrheit, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003, ISBN 978-3-462-03215-4.
- als Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-596-15624-5.
- Der nicaraguanische Hund (= Berliner Handpresse, Band 115), Illustrationen von Wolfgang Jörg, Reinhart & Wasser / Berliner Handpresse, Berlin 2003 DNB 968893236.
- Böse Schafe, Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007, ISBN 978-3-462-03914-6.
- als Fischer-Taschenbuch, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-596-15625-2.
- mit Kateryna Stetsevych (Hrsg.) u. a.: Lost Words – Lost Worlds: eine europäische Sprachreise Edition fotoTAPETA, Berlin 2013, ISBN 978-3-940524-20-1.
- Drehtür, Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016, ISBN 978-3-462-04934-3.
- Das Problem als Katalysator: Frankfurter Poetikvorlesungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018, ISBN 978-3-462-05090-5.
- Herausgeberschaft
- Bahnhof Berlin, Erzählungen, Berichte, Reden, Briefe und Gedichte; fünfunddreißig Autorinnen und Autoren erzählen von ihrem Berlin. dtv 8392, München 1997, ISBN 3-423-08392-1.
- Vom Fisch bespuckt, neue Erzählungen von 37 deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2002, ISBN 3-462-03073-6.
- Günter Grass: Du. Ja Du. Liebesgedichte. Ausgewählt von Katja Lange-Müller. Steidl Verlag, Göttingen 2019, ISBN 978-3-95829-520-9.[8]
Auszeichnungen
- 1986 Ingeborg-Bachmann-Preis
- 1989/1990 Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim
- 1995 Alfred-Döblin-Preis
- 1996 Berliner Literaturpreis
- 1997 Stadtschreiber-Stipendium in Minden
- 2001 Preis der SWR-Bestenliste; Stadtschreiberin zu Rheinsberg
- 2002 Mainzer Stadtschreiber; Roswitha-Preis
- 2005 Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor
- 2007 Finalistin beim Deutschen Buchpreis mit Böse Schafe
- 2007 Kunstpreis Literatur der Land Brandenburg Lotto GmbH[9]
- 2008 Preis der LiteraTour Nord
- 2008 Gerty-Spies-Literaturpreis
- 2008 Wilhelm-Raabe-Literaturpreis
- 2009 Calwer Hermann-Hesse-Stipendium
- 2012 Villa Massimo-Stipendium in Rom[10]
- 2013 Kleist-Preis[11]
- 2016 Frankfurter Poetik-Dozentur
- 2017 Günter-Grass-Preis[12]
Literatur
- Herlinde Koelbl: Katja Lange-Müller. In: Im Schreiben zu Haus – Wie Schriftsteller zu Werke gehen –;Fotografien und Gespräche. München: Knesebeck Verlag 1998. S. 58–63. ISBN 3-89660-041-9. Fotodokumentation Lange-Müllers, die die Autorin an ihrem Arbeitsplatz und im persönlichen Umfeld porträtiert und im Interview sowohl Grundlage ihrer Berufung als auch Rahmenbedingungen und individuelle Vorgehensweise bei der Entstehung ihrer Werke darstellt.
- Linda Karlsson Hammarfelt: Praktiken im Zwischenraum. Transitorisches Schreiben bei Katja Lange-Müller. München: Iudicium 2012. ISBN 978-3-86205-313-1.
- Daniel Sich: Aus der Staatsgegnerschaft entlassen. Katja Lange-Müller und das Problem humoristischer Schreibweisen in der ostdeutschen Literatur der neunziger Jahre. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang 2003. ISBN 3-631-51405-0.
- Markus Symmank: Karnevaleske Konfigurationen in der deutschen Gegenwartsliteratur. Untersuchungen anhand ausgewählter Texte von Wolfgang Hilbig, Stephan Krawczyk, Katja Lange-Müller, Ingo Schulze und Stefan Schütz. Würzburg: Königshausen und Neumann 2002. ISBN 3-8260-2146-0.
Weblinks
- Katja Lange-Müller (Memento vom 16. Juni 2008 im Internet Archive) bei Kiepenheuer & Witsch
- Katja Lange-Müller in der Deutschen Biographie
- Literatur von und über Katja Lange-Müller im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Katja Lange-Müller bei perlentaucher.de
- Porträt von Katja Lange-Müller als Audiobeitrag in der WDR 5-Reihe Starke Frauen (Memento vom 16. September 2010 im Internet Archive) (abgerufen am 10. April 2010)
- Katja Lange-Müller im Stadtschreiberarchiv Bergen-Enkheim
Interviews
- Klimmzüge am Rande der eigenen Möglichkeiten – Gespräch mit Ludger Bült, Ursendung: 25. Juli 2002, MDR Kultur
- „Schreiben ist manchmal wie zivilisiertes Kotzen“. (PDF; 895 kB) In: Kritische Ausgabe, Winter 2006/07, S. 75–81.
- „Dass ich nicht im Knast gelandet bin ...“ (Memento vom 4. November 2007 im Internet Archive), Tagesspiegel, 4. November 2007.
Einzelnachweise
- ↑ Interview mit Katja Lange-Müller (Memento vom 19. November 2012 im Internet Archive), Nordwestradio, Gesprächszeit, 21. August 2012. (offline), Hinweis: Archiv-Version aufrufbar, aber nicht abspielbar
- ↑ ■ Telegramm: PEN-Zentrum West verliert Prominente. In: Die Tageszeitung: taz. 6. Dezember 1996, ISSN 0931-9085, S. 2 (taz.de [abgerufen am 9. Juli 2022]).
- ↑ Mitgründer:innen. Abgerufen am 9. Juli 2022.
- ↑ David Ensikat: Der kleine Bruder. Nachruf auf Wolfgang Müller (Geb. 1941). In: Der Tagesspiegel. 10. Januar 2014, abgerufen am 30. Juli 2021.
- ↑ Julia Encke: Ich hatte nichts zu verlieren. Roman über das Helfersyndrom. In: faz.net. 9. August 2016, abgerufen am 30. Juli 2021: „Wolfgang Müller, mit dem ich verheiratet war, das war der Bruder von Heiner, hat in meinen Sachen gewühlt und das Manuskript gefunden. Wahrscheinlich wollte er vor Heiner mit seiner neuen Freundin angeben. Wolfgang und ich haben uns nicht besonders gut verstanden. Wir hatten nur geheiratet, um uns dann wieder scheiden lassen zu können.“
- ↑ Es war ein Fehler sueddeutsche.de, 4. Mai 2022.
- ↑ Katja Lange-Müller im Gespräch mit Maja Ellmenreich: Katja Lange-Müller über Probleme als Antrieb: Schriftstellerin mit links. In der Schule durfte Katja Lange-Müller nicht mit der linken Hand schreiben. „Entweder man vermeidet das Schreiben, oder man nimmt die Herausforderung an“, sagte sie im Dlf. „Ich habe mir gesagt: Jetzt erst recht!“ Ein Gespräch über Probleme als Wendepunkte, Humor und widerwillige Romanfiguren. In: Kultur heute. Deutschlandfunk, 30. Juli 2019, abgerufen am 3. August 2019.
- ↑ https://steidl.de/Buecher/Du-Ja-Du-Liebesgedichte-0813324758.html
- ↑ Kunstpreis Literatur Fotografie der Land Brandenburg Lotto GmbH. Lotto Brandenburg, abgerufen am 14. Dezember 2015.
- ↑ Villa Massimo 1913–2015. (Nicht mehr online verfügbar.) Villa Massimo, archiviert vom Original am 2. Juni 2016; abgerufen am 25. September 2016.
- ↑ Auszeichnung: Katja Lange-Müller erhält Kleist-Preis. Kölnische Rundschau Kultur, 17. Mai 2013; abgerufen am 17. Mai 2013
- ↑ Katja Lange-Müller erhält Günter-Grass-Preis. NDR, abgerufen am 16. Februar 2017.
Personendaten | |
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NAME | Lange-Müller, Katja |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Schriftstellerin |
GEBURTSDATUM | 13. Februar 1951 |
GEBURTSORT | Berlin-Lichtenberg |