Ingeborg-Bachmann-Preis

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Der Ingeborg-Bachmann-Preis wurde 1976 von der Stadt Klagenfurt im Gedenken an die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann gestiftet und wird seit 1977 jährlich während der mehrtägigen Tage der deutschsprachigen Literatur verliehen. Er gilt als eine der wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschen Sprachraum.

2020 wurde die Veranstaltung wegen der COVID-19-Pandemie zunächst abgesagt.[1] Mehrere Jurymitglieder plädierten jedoch dafür, den Wettbewerb in einer alternativen Form stattfinden zu lassen.[2] ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz kündigte daraufhin an, eine digitale Ausgabe für das Internet auszuarbeiten.[3] Am 28. Mai 2020 wurden die zum Ingeborg-Bachmann-Preis 2020 eingeladenen Autoren bekanntgegeben.[4]

Beschreibung

In einer dreitägigen Lese-Veranstaltung treten vorausgewählte Bewerber nacheinander an und tragen etwa 25 Minuten lang bislang unveröffentlichte Prosatexte oder Ausschnitte vor. Die Texte müssen im Original auf Deutsch verfasst sein.[5] Mit diesem Verfahren soll das Saalpublikum sowie insbesondere die Fach-Jury in Klagenfurt von der Qualität der vorgetragenen Texte überzeugt werden. Auf diese Weise werden jährlich die Preisträger des Ingeborg-Bachmann-Preises und anderer, im Rahmen der Veranstaltung Tage der deutschsprachigen Literatur vergebener Preise ermittelt. Im Jahr 2008 wurde die Jury von neun auf sieben Mitglieder verkleinert und das Teilnehmerfeld von achtzehn auf vierzehn Autoren reduziert.[6] Der Ingeborg-Bachmann-Preis ist seit 2006 mit 25.000 Euro dotiert (zuvor: 22.500 Euro). Insgesamt wurden 2010 Preisgelder von 56.500 Euro vergeben.[7] Ab 2017 wird der von Deutschlandradio gestiftete und mit 12.500 Euro dotierte Deutschlandfunk-Preis vergeben, damit werden insgesamt 62.500 Euro Preisgeld ausgeschüttet. Ebenfalls 2017 hat der Deutschlandfunk erstmals den gesamten Wettbewerb live im Digitalradio übertragen.[8][9]

Geschichte

Der Journalist und Buchautor Humbert Fink sowie der damalige Intendant des ORF-Landesstudios in Kärnten, Ernst Willner, hatten Mitte der 1970er Jahre die Idee, in Klagenfurt einen Literaturwettbewerb nach dem Vorbild der Gruppe 47 ins Leben zu rufen, und konnten unter anderem Marcel Reich-Ranicki als Mitglied der Jury gewinnen. Daraus entstanden die Tage der deutschsprachigen Literatur, die seit 1977 alljährlich im Frühsommer in Klagenfurt stattfinden.

Der Wettbewerb wurde zunächst in Ausschnitten im Fernsehen gezeigt und seit 1989 in voller Länge live im Satellitenprogramm von 3sat übertragen. Die finanzielle Verstrickung mit dem ORF und dessen Wunsch nach einem möglichst TV-kompatiblen Format hat über die Jahre zu Spannungen mit eher konservativen Akteuren der Veranstaltung geführt, so zuletzt in den Reformen 2008. Auch den plötzlichen Weggang der Veranstaltungs-Chefin Michaela Monschein im Herbst 2012 sahen Kritiker im Zusammenhang mit einer von den Rundfunkverantwortlichen gewünschten Veränderung.[10][11]

Ausstiegsüberlegungen des ORF

Im Jahr 2013 überlegte der ORF, wegen Sparmaßnahmen aus dem Wettbewerb auszusteigen. Da der Sender seine Ausgaben um rund 80 Millionen Euro reduzieren müsse, könne er sich die etwa 750.000 Euro (davon 350.000 für den Wettbewerb und weitere 400.000 einschließlich aller Nebenkosten) nicht mehr leisten.[12] Die Ankündigung galt als Drohung, um die Sparauflagen der österreichischen Politik an den ORF aufzuweichen.

Der Literaturkritiker Hubert Winkels[13] (Mitglied der Jury), der ehemalige Vorsitzende des ORF-Kuratoriums, Siegbert Metelko, Kulturlandesrat Wolfgang Waldner sowie die Stadt Klagenfurt äußerten daraufhin Protest. Eine Übernahme des Wettbewerbs durch die Kommune schloss letztere allerdings aus.[14] Bundeskanzler Werner Faymann sprach sich ebenfalls für den Erhalt aus und erklärte: „Den Ingeborg-Bachmann-Preis wird es auch in Zukunft geben“.[15]

Am letzten Tag des Ingeborg-Bachmann-Preises 2013 verkündete ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz eine Einigung mit der ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard, dem Landeshauptmann von Kärnten Peter Kaiser und den Verantwortlichen der Stadt Klagenfurt zum Fortbestand des Preises.[16][17] Die ursprüngliche Forderung nach Gebührenrefundierung bleibt dabei bestehen, fehlende Gelder sollen jedoch durch Sponsoren gedeckt werden.

Preise

Gestiftet wurde der Hauptpreis des Wettbewerbs im Gedenken an Ingeborg Bachmann, eine der bedeutendsten österreichischen Schriftstellerinnen, die eine der bedeutenden Autorinnen der Gruppe 47 war und diese maßgeblich geprägt hat. Daneben werden im Laufe der Jahre dazugekommene weitere Auszeichnungen vergeben:

  • der Kelag-Preis, der den Preis des Landes Kärnten ersetzte, weil Landeshauptmann Jörg Haider die Finanzierung des Preises wegen der Kritik an seiner Kulturpolitik verweigerte (2000–2005 „Preis der Jury“, 2006–2008 „Telekom-Austria-Preis“, dotiert mit 10.000 Euro)
  • der 3sat-Preis (von 3sat gestiftetes Stipendium, 7.500 Euro)
  • der Ernst-Willner-Preis (bis 2013 von zahlreichen deutschsprachigen Verlagen gestiftet, 5.000 Euro (bis 2011: 7.000 Euro)). Seit 2014 wird der Preis ausschließlich durch die Klagenfurter Buchhandlung Heyn gestiftet und nennt sich »Mr. Heyn´s Ernst-Willner-Preis«.
  • der Publikumspreis (seit 2002 verliehen, seit 2011 von der BKS Bank als BKS-Publikumspreis verliehen und mit 7.000 Euro dotiert)
  • der Deutschlandfunk-Preis (seit 2017 verliehen und vom Deutschlandradio mit 12.500 Euro dotiert)

Seit 1998 wird auch der seit 1987 bestehende Staatspreis für literarische Übersetzung, der Translatio, für das vorhergehende Jahr im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs verliehen, und zwar einerseits für die Übersetzung eines Werkes der zeitgenössischen österreichischen Literatur in eine Fremdsprache und andererseits für die Übersetzung eines fremdsprachigen Werkes der zeitgenössischen Literatur ins Deutsche. Beide Preise sind (Stand 2019) mit jeweils 10.000 Euro dotiert.[18]

Preisträger

Ab 2021

2011 bis 2020

2001 bis 2010

31. Tage der deutschsprachigen Literatur / Ingeborg-Bachmann-Preis
  • 2007 Lutz Seiler: Turksib
    • Telekom-Austria-Preis: Thomas Stangl: Ohne Titel ohne Ende
    • 3sat-Preis: PeterLicht: Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends
    • Ernst-Willner-Preis: Jan Böttcher: Freundwärts
    • Publikumspreis: PeterLicht: Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends
30. Tage der deutschsprachigen Literatur / Ingeborg-Bachmann-Preis

1991 bis 2000

1981 bis 1990

  • 1987 Uwe Saeger: Ohne Behinderung, ohne falsche Bewegung
    • Preis des Landes Kärnten: Werner Fritsch: Cherubim II: Wenzel Heindl, DAS WERNERL
    • Stipendium der Kärntner Industrie: Anna Langhoff: Vier Texte: Das Notschlachtmesser in meiner Brust, Tausend Meter Herzsprung, Nordsees Odysseus, Die Notwendigkeit
    • Ernst-Willner-Stipendium: Irina Liebmann: Hast du die Nacht genutzt?
    • Den Literaturförderungspreis der Stadt Dachau vergaben die Autoren zu gleichen Teilen an das Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes in Wien und an die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes

1977 bis 1980

Moderation

Durch die Sendung führte in den Anfangsjahren Ernst Willner als Vertreter des veranstaltenden ORF, der auch gleichzeitig voll stimmberechtigtes Jurymitglied war. Ebenso handhabten es seine Nachfolger auf dem ORF-Stammsessel, Manfred Mixner (1984–85) und Roman Roček (1986). 1987 wurde durch Statutenänderung die Trennung von Veranstalter und Jury durchgesetzt und Ernst Alexander Rauter zum moderierenden Jurymitglied ohne Stimmrecht. Bereits 1988 folgte ihm Ernst Grissemann. der das Moderatorenamt ohne Diskussionbeteiligung ausübte. Grissemann gab 1997 die Moderation an Ernst A. Grandits ab, auf den – nach einem Interimsjahr mit Dieter Moor – 2009 die ORF-Kulturjournalistin Clarissa Stadler folgte. Seit 2013 übernimmt die Moderation Christian Ankowitsch.[28]

Literatur

  • Die Besten. Klagenfurter Texte. Auswahl der gelesenen Texte mit Auszügen aus Jurydiskussionen und Begründungen für die Preisvergabe, herausgegeben von den jeweiligen Juryvorsitzenden. Erscheint jährlich, von 1977 bis 1989 bei List, seit 1990 bei Piper, München (außer 2001: Jung und Jung).
  • Iso Camartin (Hrsg.): Die Besten. Die Preisträger aus 25 Jahren Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Piper, München 2001, ISBN 3-492-04349-6.
  • Doris Moser: Der Ingeborg-Bachmann-Preis. Börse, Show, Event. Böhlau, Wien 2004, ISBN 3-205-77188-5. (Verlagsrezension (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive))

Weblinks

Commons: Ingeborg-Bachmann-Preis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Absage des 44. Bachmannpreises 2020. In: ORF.at. 27. März 2020, abgerufen am 27. März 2020.
  2. Bachmann-Jury gegen Aussetzung des Preises, deutschlandfunkkultur.de, 28. März 2020, abgerufen am 29. März 2020.
  3. „Digitalausgabe“: Bachmannpreis findet doch statt. In: ORF.at. 30. März 2020, abgerufen am 30. März 2020.
  4. Bachmann-Preis heuer mit fünf Teilnehmern aus Österreich. In: DerStandard.at. 28. Mai 2020, abgerufen am 28. Mai 2020.
  5. Tage der deutschsprachigen Literatur (Ingeborg-Bachmann-Preis) (Memento vom 19. Oktober 2013 im Internet Archive)
  6. Die Zusammensetzung der Jurys geht aus den Jahresartikeln des Preises hervor. Vgl. auch die "Statuten des Ingeborg Bachmann-Preises 2013 (Memento vom 7. August 2013 im Internet Archive)".
  7. ORF: Bachmannpreis 2010 mit Kärntner Autor; abgerufen am 27. Mai 2010
  8. orf.at - Autoren des Bachmannpreises 2017 präsentiert. Artikel vom 24. Mai 2017, abgerufen am 25. Mai 2017.
  9. orf.at - Preise und Preisstifter 2017. Abgerufen am 25. Mai 2017.
  10. Dirk Knipphals: Monscheins überraschendes Ende. taz vom 27. November 2012
  11. Bachmann Preis: Abgang mit vielen offenen Fragen, Der Standard vom 29. November 2012
  12. Süddeutsche Zeitung: ORF will beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb aussteigen, 21. Juni 2013
  13. Hubert Winkels: Volltext_Newsletter_26_3_20133_26_2013 Wanted: alive (Memento vom 2. Juli 2013 im Webarchiv archive.today). In Volltext, 21. Juni 2013
  14. Marianne Fischer: Bachmann Preis: Gemeinsam Lösung suchen. Kleine Zeitung vom 23. Juni 2013 (Online (Memento vom 26. September 2014 im Internet Archive), 23. Juni 2013).
  15. Antonia Gössinger: Kanzler-Wort für Bachmann-Preis. Kleine Zeitung vom 29. Juni 2013 (Online, abgerufen am 23. April 2020).
  16. Tage der deutschsprachigen Literatur 2013: Bachmannpreis-Fortbestand gerettet, abgerufen am 14. August 2013
  17. Kleine Zeitung: Der Bachmann-Preis ist gerettet (Memento vom 4. Oktober 2014 im Internet Archive), vom 7. Juli 2013
  18. Österreichische Staatspreise für literarische Übersetzung für Cornelius Hell und Maja Badridse, buecher.at vom 25. Juni 2019, abgerufen 30. Juni 2019
  19. https://bachmannpreis.orf.at/ abgerufen 20.6.21 12:15 Uhr
  20. orf.at: Birgit Birnbacher gewinnt Bachmannpreis 2019. Artikel vom 30. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  21. orf.at: Tanja Maljartschuk gewinnt Bachmannpreis 2018. Artikel vom 8. Juli 2018, abgerufen am 8. Juli 2018.
  22. orf.at: Schmalz gewinnt Bachmannpreis. Artikel vom 9. Juli 2017, abgerufen am 9. Juli 2017.
  23. Bachmann-Preis geht an Sharon Dodua Otoo bei kaernten.orf.at, 3. Juli 2016 (abgerufen am 3. Juli 2016).
  24. Bachmann-Preis geht an Nora Gomringer bei kaernten.orf.at, 5. Juli 2015 (abgerufen am 5. Juli 2015).
  25. Rubinowitz gewinnt Bachmannpreis bei kaernten.orf.at, 6. Juli 2014 (abgerufen am 6. Juli 2014).
  26. Petrowskaja gewinnt Bachmannpreis bei kaernten.orf.at, 7. Juli 2013 (abgerufen am 7. Juli 2013).
  27. Olga Martynova gewinnt Bachmann-Preis bei kaernten.orf.at, 8. Juli 2012 (abgerufen am 8. Juli 2012).
  28. Moser 2004, S. 176 f.