Kernkraftwerk Fukushima Daini

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Kernkraftwerk Fukushima Daini
Fukushima Daini 04780014 (8388174137).jpg
Lage
Kernkraftwerk Fukushima Daini (Präfektur Fukushima)
Koordinaten 37° 19′ 10″ N, 141° 1′ 16″ OKoordinaten: 37° 19′ 10″ N, 141° 1′ 16″ O
Land Lua-Fehler in package.lua, Zeile 80: module 'strict' not found
Daten
Eigentümer Tōkyō Denryoku
Betreiber Tōkyō Denryoku
Projektbeginn 1976
Kommerzieller Betrieb 20. April 1982
Stilllegung 2019 (de facto 2011)

Aktive Reaktoren

0

Stillgelegte Reaktoren (Brutto)

4  (4400 MW)
Eingespeiste Energie im Jahr 2007 24.385 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme 621.733 GWh
Website Das Kernkraftwerk auf der Seite des Betreibers (englisch)
Stand 2. Juli 2008
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das stillgelegte Kernkraftwerk Fukushima Daini oder Fukushima II [ɸɯˈkɯɕima] (jap.

福島第二原子力発電所

Fukushima dai-ni genshiryoku hatsudensho ‚Kernkraftwerk Fukushima Nr. 2‘) liegt in den Gemeinden Naraha und Tomioka im Landkreis Futaba in der Präfektur Fukushima etwa 200 Kilometer von Tokio entfernt direkt am Meer. Der Name erklärt sich damit, dass die Anlage in der Nähe – etwa 12 Kilometer südlich – des älteren Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (Fukushima I) errichtet wurde. Das Kraftwerk wurde, wie Fukushima I, von Tepco betrieben.

Technik

Das Kernkraftwerk besteht aus vier Siedewasserreaktoren der fünften Generation einer von General Electric entworfenen Linie von Siedewasserreaktoren (BWR/5: Boiling Water Reactor). Die Reaktoren 1 und 3 stammen von Toshiba, 2 und 4 von Hitachi. Die Reaktorkerne befinden sich in Sicherheitsbehältern (Containments), die ebenfalls von General Electric entworfen wurden. Es handelt sich um Containments der zweiten Generation (Mark II).

Die Anlage liegt unmittelbar am Meer und verfügt über einen eigenen Hafen. Dort wird Kühlwasser gepumpt und radioaktiver Abfall verschifft. Insgesamt bedeckt die Anlage eine Fläche von ca. 1,5 km².

Zwischenfälle

Zur Jahreswende 1999/2000 fiel um 8:58 Uhr im Kraftwerk die Anzeige für die Steuerstäbe aus. Eine Uhr des Anzeigeterminals zeigte das Datum „6. Februar 2036“ an. Nachdem die Uhr gestellt war, lief alles wieder normal.[1]

Im August 2002 stellte sich heraus, dass 16 Jahre lang Berichte des Betreibers TEPCO gefälscht und Inspektionen aus Kostengründen verschleppt worden waren. Alle TEPCO-Kernkraftwerke wurden daraufhin in den nächsten Monaten heruntergefahren. Am Standort Fukushima II waren alle Reaktoren im Zeitraum ab dem 14. April bis zum 31. August 2003 abgeschaltet.[2] Als letztes ging Block 4 am 4. November 2004 wieder in Betrieb.[3]

Erdbeben in Japan 2011

Am 11. März 2011 wurde während des Tōhoku-Erdbebens (Magnitude 9) um 14:48 Uhr Ortszeit an allen vier Blöcken des Kraftwerks, die sich zu dieser Zeit sämtlich im Leistungsbetrieb befanden, von den automatischen Reaktorsteuerungen zunächst prozessgerecht eine Reaktorschnellabschaltung vorgenommen und der Isolationszustand der Reaktorsicherheitsbehälter hergestellt. Damit war planmäßig aufgrund der geschlossenen Speisewasser- und Frischdampfventile der Verlust der Hauptwärmesenken verbunden. Die Abfuhr der Nachzerfallswärme erfolgte in als Ersatzwärmesenken dienende wassergefüllte Kondensationskammern. Wegen Überflutung der Kühlwasserpumpen für die Blöcke 1,2 und 4 im unmittelbar am Meer stehenden Pumpenhaus wurden vorübergehend die Zusatzwasser-Einspeisesysteme als Hilfsspeisepumpen verwendet. Das Pumpenhaus wurde am folgenden Tag mit mobilen Kleinpumpen leer gepumpt und neue Pumpenmotoren für die Kühlwasserpumpen installiert, womit die Kühlwasser-Versorgung für die Kondensationskammer-Kühlung wieder normal funktionierte.[4][5]

Der von dem Erdbeben ausgelöste Tsunami traf mit einer Höhe von 6,5 bis 7 Metern in Fukushima-Daini ein und überschwemmte Teile des Kraftwerksgeländes vorübergehend bis auf 2,5 Meter Höhe, richtete jedoch keinen Schaden an den Reaktorblöcken im engeren Sinn an.[6]

In den Blöcken 1, 2 und 4 erreichte am folgenden Tag um 5:22, 5:32 bzw. 6:07 Uhr Ortszeit die Temperatur in den Kondensationskammern 100 °C, womit die Funktion der Druckabbausysteme verloren ging. Daher wurde zu diesen Zeitpunkten für diese drei Blöcke jeweils ein Störfall erklärt. Um einem gefährlichen Druckanstieg in den Reaktorsicherheitsbehältern begegnen zu können, wurde im Verlauf des Tages an allen vier Blöcken ein gefiltertes Ablassen von gering radioaktivem Luft-Wasserdampf-Gemisch über die Abluftkamine vorbereitet. Entsprechende Maßnahmen wurden jedoch nicht erforderlich. Block 3 war um 12:15 Uhr kalt (Temperatur im Reaktor < 100 °C) abgefahren, in den anderen Blöcken waren noch weitere Kühlmaßnahmen erforderlich. Der Betreiber TEPCO erklärte am Abend des 12. März den Zustand aller vier Reaktoren für stabil. An Block 1 wurde die vollständige Notkühlung am 14. März um 1:24 Uhr, an Block 2 um 7:13 Uhr wiederhergestellt. Die Versorgung der Anlage mit elektrischer Energie war durchgehend gewährleistet. Es fanden mehrere Nachbeben statt. Es kam zu mehreren Instrumentenfehlanzeigen.

Während des Ereignisses, offenbar in unmittelbarer Folge des Erdbebens, starb ein Arbeiter vor Ort bei einem Kranunfall, vier weitere Arbeiter wurden verletzt.[7][8]

Die Gefahr durch den zeitweiligen Verlust der Druckabbausysteme führte zur Erklärung eines nuklearen Notfalls durch die japanische Regierung, was unmittelbar zuvor für das stärker betroffene nahegelegene Kernkraftwerk Fukushima Daiichi erstmals in der Geschichte Japans geschehen war. Zunächst wurde für Fukushima II eine Evakuierungszone von drei, später von zehn Kilometern Radius angeordnet. Der Evakuierungsbereich lag jedoch fast vollständig innerhalb des größeren Evakuierungsbereichs für Fukushima I. Insgesamt wurden ca. 185.000 Personen evakuiert. 230.000 Jodtabletten wurden vor Ort zur Ausgabe vorgehalten.[8] Die Temperatur in allen Reaktoren konnte am 15. März auf unter 100 °C gesenkt werden[9][10]; ein Zustand, der „heruntergefahren kalt“ oder „cold shutdown“ genannt wird. Die Vorfälle in den Blöcken 1, 2 und 4 wurden von der Japanischen Atomaufsichtsbehörde am 12. und 18. März 2011 als INES-Stufe 3 („Ernster Störfall“) eingestuft.[11]

Stilllegung

Der Präsident von Tepco, Tomoaki Kobayakawa, erklärte Mitte Juni 2018 in Gesprächen mit dem Gouverneur der Region Fukushima, Masao Uchibori, dass das Unternehmen überlege, die Anlage stillzulegen. Ein ungewisser Status der Anlage behindere den Wiederaufbauprozess der Region, so Kobayakawa. Die Bevölkerung von Fukushima wünsche dringend eine Stilllegung, fügte Uchibori hinzu.[12] Am 30. September 2019 wurde die seit März 2011 abgeschaltete Anlage offiziell stillgelegt.[13]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Fukushima II hat insgesamt vier Blöcke:

Reaktorblock[14] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Abschal-
tung
Fukushima Daini 1 Siedewasserreaktor Mark II-BWR/5 1067 MW 1100 MW 16.03.1976 31.07.1981 20.04.1982 30.09.2019, defacto 3/2011
Fukushima Daini 2 Siedewasserreaktor Mark II-BWR/5 1067 MW 1100 MW 25.05.1979 23.06.1983 03.02.1984 30.09.2019, defacto 3/2011
Fukushima Daini 3 Siedewasserreaktor Mark II-BWR/5 1067 MW 1100 MW 23.03.1981 14.12.1984 21.06.1985 30.09.2019, defacto 3/2011
Fukushima Daini 4 Siedewasserreaktor Mark II-BWR/5 1067 MW 1100 MW 28.05.1981 17.12.1986 25.08.1987 30.09.2019, defacto 3/2011

Siehe auch

Weblinks

Commons: Kernkraftwerk Fukushima II – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Martyn Williams: Computer problems hit three nuclear plants in Japan. CNN, 3. Januar 2000, archiviert vom Original am 1. Oktober 2012; abgerufen am 7. August 2016 (englisch).
  2. Operating Records of Nuclear Power Plants in August 2003. (PDF; 619 kB) In: JAIF. 2003, archiviert vom Original am 16. November 2011; abgerufen am 7. August 2016 (englisch).
  3. Operating Records of Nuclear Power Plants in November 2004. (PDF; 71 kB) In: JAIF. 2004, archiviert vom Original am 16. November 2011; abgerufen am 7. August 2016 (englisch). (Block 1 ist zu diesem Zeitpunkt wieder für Wartungsarbeiten abgeschaltet.)
  4. Cold shutdowns at Fukushima Daini
  5. Erfahrungs- und Forschungsbericht 2011. ENSI
  6. Results of the investigation regarding tsunami arrived in Fukushima Daiichi Nuclear Power Station and Fukushima Daini Nuclear Power Station (englisch) Tepco. 9. April 2011. Archiviert vom Original am 11. April 2011. Abgerufen am 11. April 2011.
  7. Konsolidierte Mitteilung des Reaktorbetreibers, 14. März 2011
  8. a b IAEA update on Japan Earthquake
  9. <福島第二原子力発電所プラント状況等のお知らせ> (PDF; 91 kB)
  10. Radiation leak feared at nuke plant, people urged to stay indoors. In: Kyodo News. 15. März 2011, archiviert vom Original am 21. März 2011; abgerufen am 7. August 2016 (englisch). (Meanwhile, the No. 4 reactor of TEPCO's Fukushima No. 2 nuclear plant, which is adjacent to the No. 1 plant, has successfully cooled down, meaning the plant no longer has a reactor in an emergency situation.)
  11. Informationen zur Lage in den japanischen Kernkraftwerken Fukushima, Onagawa und Tokai. (Nicht mehr online verfügbar.) Gesellschaft für Reaktorsicherheit, 18. März 2011, archiviert vom Original am 12. April 2011; abgerufen am 18. März 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.grs.de
  12. Tepco to scrap another nuclear plant in Fukushima. In: Kyodo News. 14. Juni 2018, abgerufen am 15. Juni 2018 (englisch).
  13. https://pris.iaea.org/PRIS/CountryStatistics/CountryDetails.aspx?current=JP
  14. Leistungsdaten der japanischen Reaktoren im Power Reactor Information System (PRIS) der IAEA (englisch)