Kosovo-Albaner

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Verteilung der Kosovo-Albaner im Kosovo (Volkszählung 2011)

Die Kosovo-Albaner (albanisch 

Kosovarë/-t

oder Shqiptarë/-t e Kosovës) sind eine regionale Gruppe der albanischen Ethnie im Kosovo. Ihre Muttersprache ist das Albanische. Sie stellen rund 93 Prozent der Landesbevölkerung.[1] Kosovo-albanische Emigranten leben in großer Zahl in Mitteleuropa (vor allem Schweiz und Deutschland) und in den Vereinigten Staaten.

Dialekt

Im Kosovo wird eine Variante des gegischen Dialekts gesprochen, die sich deutlich von der standard-albanischen Schriftsprache unterscheidet.[2]

Religion

In einer Umfrage von 2011 bezeichneten sich 95,61 Prozent der Bevölkerung des Kosovo als Muslime.[3] Die Mehrheit der albanischen Muslime sind Sunniten, eine bedeutende Minderheit Anhänger der Sufiorden der Rifāʿīya[4] und Bektaschi. Rund 3 % der Kosovo-Albaner sind Katholiken.[5][6]

Kosovo-Albaner und Albaner aus Albanien

Albanische Rebellen im Kosovo 1912 zur Zeit der Unabhängigkeit Albaniens

Es gibt neben vielen Gemeinsamkeiten wie der gemeinsamen Schriftsprache, der Verwendung der Flagge Albaniens im inoffiziellen Gebrauch und der Unterstützung der albanischen Fußballnationalmannschaft auch deutliche Unterschiede zwischen Kosovo-Albanern und Albanern aus Albanien, die u. a. durch die staatliche Trennung seit 1912 und die komplette Schließung der Grenze nach 1948 bedingt sind. Einerseits waren die Albaner im Mutterland durch die Isolation in kommunistischen Zeiten von der geistigen und wissenschaftlichen Entwicklung außerhalb des Landes abgeschnitten, während die Kosovo-Albaner der älteren Generation, bedingt durch jahrzehntelange Arbeitsemigration nach Westeuropa, deutlich weltläufiger sind.[7]

Andererseits hatten die Kosovo-Albaner keinen Kontakt zu den vorwiegend toskischen Eliten Südalbaniens, so dass deren kulturelle Leistungen im Kosovo kaum rezipiert wurden. Darüber hinaus spielten patriarchalische und religiöse Traditionen im Kosovo nach dem Zweiten Weltkrieg nach wie vor eine große Rolle,[8] während die Kommunisten Albanien in dieser Hinsicht einer Zwangsmodernisierung auferlegten. Schließlich hat die im Kosovo gebliebene jüngere Generation der Albaner aufgrund des Milošević-Regimes und des nachfolgenden Chaos unter dem UN-Protektorat große Bildungsdefizite. So ist heute ein Teil der kosovoalbanischen Bevölkerung nicht in der Lage, die albanische Hochsprache richtig zu schreiben. Es gibt sogar eine Bewegung, die den im Kosovo gesprochenen gegischen Dialekt zur Schriftsprache machen will.[9]

Bis zur Flucht und Vertreibung hunderttausender Kosovaren während des Kosovokriegs (1999)[10] hatten nur wenige Albaner aus dem Kosovo jemals das so genannte Mutterland besucht. Die Begegnung der tausenden Flüchtlinge mit den Albanern jenseits der Grenze war ein Kulturschock. Man wunderte sich über die offensichtliche Armut und ebenso über die chaotischen Verhältnisse in Staat und Gesellschaft. Hinzu kamen die sprachlichen Unterschiede. Der albanische Intellektuelle Fatos Lubonja skizzierte die Unterschiede wie folgt:

„· Die Kosovo-Albaner schätzten Albanien, in dem sie ihre Mutter erblickten, von der sie gewaltsam getrennt waren – die Albaner begannen es zu hassen, da es, umgeben mit Stacheldraht, eher einem Konzentrationslager ähnelte;
· Die Kosovaren verfügten über die Möglichkeit, ins Ausland zu reisen, und das verhalf ihnen dazu, den Traum vom versprochenen Boden auszuträumen – die Albaner, isoliert, drängten, die Welt kennen zu lernen;
· Die Kosovaren sahen in Enver Hoxha das Symbol Albaniens. Viele von ihnen wurden daraufhin zu Marxisten-Leninisten – die Albaner hassten ihn, denn er war das Symbol des Schlechten;
· Die Kosovaren, der Serben überdrüssig, brannten vor Sehnsucht nach den Albanern – die Albaner sagten, dass sie das Schlimmste erfuhren, als sie allein und sonders in den Händen von Albanern blieben;
· Die Kosovaren vergingen vor Sehnsucht, wenn sie Volkslieder hörten – den Albanern gingen diese auf die Nerven, weil sie keine andere Musik im albanischen Rundfunk und Fernsehen hörten …“

Fatos Lubonja: Koha Jonë, 4. Juni 1995[7]

Schrittweise kam es in den Jahren, als nach dem Krieg die Grenzen wieder offen waren und die neue »Rruga e Kombit«, die »Straße der Nation« genannten Autobahn zwischen den Ländern, den Personenverkehr vereinfacht hatte, zu einer Wiederannäherung zwischen den Albanern aus dem Kosovo und denen aus Albanien. Man heiratet wieder über die Grenze hinweg, und viele Kosovaren verbringen ihren Urlaub an albanischen Stränden. Auch die sprachlichen Unterschiede sind durch die direkten Kontakte, vor allem aber durch die Medien, geringer geworden. Es gibt auch immer mehr gemeinsame wirtschaftliche Aktivitäten.[11][12] Anlässlich des 100. Jubiläums der Unabhängigkeitserklärung Albaniens im Jahr 2012 wurde im kosovarischen Prizren die erste gemeinsame Fibel von Albanern und Kosovo-Albanern veröffentlicht, für die zwei Albaner und zwei Kosovo-Albaner als Hauptautoren verantwortlich zeichnen.[13] Der neu entstandene Kultur- und Kommunikationsraum wird als Albanosphäre bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Noel Malcolm: Kosovo: A Short History. New York University Press, 1998, ISBN 978-0-8147-5598-3.
  • Arshi Pipa, Sami Repishti: Studies on Kosova. In: East European Monographs. Band 155. New York 1984, ISBN 978-0-88033-047-3.

Weblinks

Wiktionary: Kosovo-Albaner – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Volkszählung im Kosovo 2011 (ohne Nordkosovo)
  2. Wolfgang Koeth, Saskia Drude: Kosovo-Albanisch Wort für Wort. In: Kauderwelsch. Band 221. Reise Know-How Verlag Peter Rump, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89416-579-6, S. 9, 12.
  3. Andrej Ivanji: Kosovo - Land der verlorenen Illusionen. In: mdr.de. 26. Mai 2017, abgerufen am 11. Oktober 2017.
  4. Dan Alexe: The influence of Sufi Islam in the Balkans. In: euobserver.com. 1. Dezember 2010 (euobserver.com [abgerufen am 11. Oktober 2017]).
  5. Christen und Muslime im Kosovo – ein Beispiel gelebter Toleranz zwischen den Religionen. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Kirche in Not. 16. April 2013, archiviert vom Original am 13. Juni 2017; abgerufen am 11. Oktober 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kirche-in-not.ch
  6. Kosovo. In: Religion Wiki. Fandom, abgerufen am 11. Oktober 2017 (englisch).
  7. a b Aus dem Albanischen übersetzt und zitiert in Peter Schubert: Albanische Identitätssuche im Spannungsfeld zwischen nationaler Eigenstaatlichkeit und europäischer Integration. Studie im Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojektes. In: Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e. V. Berlin, kurz: VIP (Hrsg.): Publikationen von Mitgliedern des VIP. Berlin März 2003, Abschnitt II.6. ‚Die ungelöste albanische Frage‘ sowie Fn. 53 (Text online [abgerufen am 18. November 2015]).
  8. Robert Pichler: Albaner und Serben im 20. Jahrhundert. In: Bernhard Chiari, Agilolf Keßelring im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte. Kosovo. 3., durchgesehene und erweiterte Auflage. Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 2008, ISBN 978-3-506-75665-7, S. 64.
  9. „Bin Staatsfeind Nummer eins“. Interview mit Migjen Kelmendi. In: Der Standard. 27. September 2004, abgerufen am 18. November 2015.
  10. Jugoslawien - Kosovo - Aktion : Frau Dr. Flora Brovina, Kinderärztin (Memento des Originals vom 7. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.amnesty.de, abgerufen am 21. November 2015.
  11. Andreas Ernst: Wie junge Albaner in Mazedonien sich selber und ihre Zukunft sehen: Der Geist des Abkommens von Ohrid steckt fest in der Flasche. In: Neue Zürcher Zeitung. 16. Oktober 2009, abgerufen am 18. November 2015: „‚Albanosphäre‘ ist Tatsache“
  12. Andreas Ernst: Neues albanisches Selbstbewusstsein: Die optimistische Nation. In: Neue Zürcher Zeitung. 28. November 2012, abgerufen am 18. November 2015: „Es hat sich auch eine gesamtalbanische Medienlandschaft gebildet, in der sich nicht nur die lokalen Gesellschaften, sondern die ganze «Albanosphäre» spiegelt. Politische Bewegungen und Parteien pflegen grenzübergreifenden Kontakt, und gemeinsame Auftritte von Spitzenpolitikern gehören zum Alltag. […] Anders als Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien, deren künftige Existenz von der Integration in die EU abhängt, ist die Vereinigung der Albaner mit oder ohne EU möglich.“
  13. Promovohet abetarja e përbashkët. Albinfo.ch, 17. Mai 2012, abgerufen am 23. Mai 2012 (albanisch).