Kredittheorie

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Kredittheorie ist in der Volkswirtschaftslehre ein Sammelbegriff für mehrere Theorien, die sich mit Entstehung, Funktionen, Wesen sowie Wirkungen von Krediten auf den Kreditmärkten befassen.

Allgemeines

Aktuell existiert keine alleingültige Kredittheorie, sondern nebeneinander bestehen eine Vielzahl von Theorien, die sich widersprechen oder nur Teilaspekte behandeln. Die Kredittheorie wird wie die Geldtheorie von dem Theorienstreit darüber tangiert, ob Geldguthaben oder Kreditgewährungen den Ausgangspunkt für eine Theorie bilden. Im Zentrum dieser Diskussion steht die Frage, ob das Geld aus dem Kredit oder der Kredit aus angesammeltem Geld(guthaben) abzuleiten ist.[1] Funktional erklärt die Geldtheorie unter anderem den Geldmarkt (mit Geldangebot und Geldnachfrage), die Kredittheorie insbesondere den Kreditmarkt (mit Kreditangebot und Kreditnachfrage).

Vorarbeiten

Bereits 1882 erklärte Henry Dunning Macleod in Lectures on Credit and Banking,[2] dass Banken keinerlei Einlagen verleihen.[3] Weitere auf das angelsächsische Geld- und Kreditsystem bezogene Vertreter der Kreditschöpfungslehre waren Hartley Withers[4] oder Hermann Feifel.[5]

Arten

Zu unterscheiden ist zwischen der klassischen und modernen Kredittheorie.

Klassische Kredittheorien

Erkenntnisobjekt der klassischen Kredittheorie ist das Kreditgeschäft der einzelnen Banken.[6] Die klassische Kredittheorie geht davon aus, dass eine Bank die im Passivgeschäft unterhaltenen Bankeinlagen als Refinanzierung für Kredite nutzt. Ihr Standpunkt ist: „Am (logischen) Anfang steht das Geld“.[7] Die Höhe der Kreditgewährung wird durch den Bestand an Spareinlagen determiniert.[8] Das Bankwesen übt bei ihr eine vermittelnde Rolle des Finanzintermediärs aus. In der klassischen Kredittheorie brachte der Kreditzins die Kreditnachfrage mit dem Kreditangebot auf dem Kreditmarkt in Einklang.[9] Sie bildete eine der Wirklichkeit angemessenere Vorstellung von den bankmäßigen Geld- und Kreditphänomenen als die moderne Kredittheorie.[10]

Vertreter sind unter anderem John Law, Adolph Wagner[11] und auch Karl Marx. John Laws Beitrag zur Kredittheorie war die Papiergeld- und Kredittheorie. Die Einführung eines auf Grund und Boden basierenden Papiergeldes (Bodengeldtheorie) empfahl Law im Jahre 1705 mit der Begründung, dass eine Vermehrung des Geldes „eine Beschäftigung der bislang Arbeitslosen“ ermögliche.[12] Die Marxsche Geld- und Kredittheorie bietet nur wenig eigene Gedankengänge, sondern bei ihr ist der größte Teil seiner Anschauungen von den Klassikern und den Merkantilisten übernommen worden.[13] Für Marx ist Geld nicht nur eine quantitative Größe, sondern auch ein gesellschaftliches Symbol,[14] Kredit ist der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung.

Moderne Kredittheorien

Die moderne Kredittheorie wurde von Henry Dunning Macleod ab 1891 begründet. Für ihn war Geld die höchste und allgemeinste Form des Kredits.[15] Er gilt gleichzeitig als Begründer der Kreditschöpfungslehre, die ein zentraler Bestandteil der modernen Kredittheorie ist. Er war der Auffassung, dass die Geldschöpfung unterausgelastete Produktionsfaktoren (beispielsweise Unterbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt) deren Kapazitätsauslastung mobilisieren könne. In Deutschland schloss sich L. Albert Hahn 1920 dieser Auffassung an, wonach durch Kreditgewährung zusätzliches Buchgeld entsteht.[16]

Vor allem Joseph Schumpeter und Ralph George Hawtrey haben die moderne Kredittheorie weiterentwickelt, die im Grunde lediglich die Quantitätstheorie der Currency-Theorie komplettiert hat. Sie bestimmt den Kredit an den logischen Anfang: „Praktisch wie auch analytisch ist möglicherweise eine Kredittheorie des Geldes einer Geldtheorie des Kredites vorzuziehen“.[17] Weitere Vertreter waren Hans Gestrich[18] oder Wilhelm Lautenbach,[19] oder Friedrich A. Lutz.[20] Sie hat erreicht, den Unterschied zwischen kurzfristigen und langfristigen Krediten durch fristenlose Modelle der Kreditschöpfung verschwinden zu lassen.[21] Sparen als freiwilliger Konsumverzicht ist nicht mehr die einzige Finanzierungsquelle für Investitionen, sondern hinzu kommt die Kreditschöpfung des Bankensystems.

John Maynard Keynes entwickelte den kredittheoretischen Transmissionsmechanismus. Mit Hilfe des von ihm mit entwickelten IS-LM-Modells lassen sich die Wirkungen einer Erhöhung der Geldmenge in der Realwirtschaft und in der Finanzwirtschaft analysieren. Für ihn ist das Geld zwar nicht der Kredit, wohl aber entspringt es diesem. Der Kredit ist mithin kein zur Reduktion von Transaktionskosten erfundenes Derivat des Geldes, sondern umgekehrt. Vor allem sein Werk „A treatise on money“ enthält kredittheoretische Grundlagen.[22] Er schrieb: „Eine solche Bank schafft Ansprüche gegen sich selbst auf Hergabe von Geld, oder, wie wir diesen Tatbestand späterhin nennen wollen, sie schafft Depositen. […] Aber es gibt noch einen zweiten Weg, auf dem die Bank einen Anspruch gegen sich selbst schaffen kann. Sie kann selbst Werte kaufen, das heißt ihre Anlagen erhöhen und diesen Kauf, wenigstens zunächst, dadurch begleichen, dass sie einen Anspruch gegen sich selbst einräumt. Oder die Bank kann einen Anspruch gegen sich selbst zugunsten eines Kreditnehmers schaffen, und zwar gegen sein Versprechen späterer Rückzahlung; das heißt, sie kann Darlehen oder Vorschüsse geben. In beiden Fällen schafft die Bank das Guthaben.“[23]

Nach der 1968 entwickelten Kreditmarkttheorie von Karl Brunner und Allan Meltzer wird der Marktzins auf dem Kreditmarkt durch das Kreditangebot der Banken und die Kreditnachfrage der Nichtbanken bestimmt.[24] Das gewinnmaximale Kreditangebot der Kreditinstitute liegt dort, wo die Grenzkosten der Kreditbeschaffung über die Zentralbank gleich dem Marktzins für Kredite sind. Wird der Leitzins erhöht, sinkt das optimale Kreditangebot, weil sich die Refinanzierungskosten für Zentralbankgeld erhöhen und umgekehrt.[25] Steigt der Kreditzins, sind die Anbieter bereit, ihr Kreditangebot zu erhöhen, während die Kreditnachfrage wegen sich erhöhendem Zinsaufwand sinkt.

Kreditmechanik

Nach Wolfgang Stützel stellt die dritte Phase der Theorie, die Kreditmechanik, gewissermaßen Synthese zwischen klassischer und moderner Kredittheorie dar und ist vor allem auf Wilhelm Lautenbach, Hans Gestrich, Otto Pfleiderer und Leonhard Gleske zurückzuführen. Nicht jede Kreditschöpfung führt in voller Höhe zu Geldschöpfung.[26] Es hängt davon ab, wem die Zahlungsströme zufließen[27][28][29] – inwieweit aus Kreditgewährungen entstehende Zahlungsströme (von anderen Schuldnern) zur Tilgung offener Kreditschulden (exkl. Zinsen) verwendet werden[30] – die Bankbilanzen sich also (wieder) verkürzen.

Des Weiteren relativiert die Kreditmechanik die klassische Theorie des Crowding-out-Effekts,[33] da Kreditgewährungen an Private mit Kreditgewährungen an den Staat (durch das Bankensystem) nicht als in Konkurrenz stehend betrachtet werden, im Gegenteil.[34][35] Aus der Kreditmechanik resultiert die Erkenntnis, dass, um keine Konjunkturabkühlung zu riskieren, nicht nachfragende Geldsparvermögen, solange diese inaktiviert, der Kaufkraft entzogen werden, durch Kreditgewährung notwendig zu kompensieren sind.[36]

In seiner Saldenmechanik bringt es Wolfgang Stützel auf den Punkt: „Die Unternehmergewinne bleiben stets nur genau um jenen Betrag hinter dem Unternehmeraufwand für Konsum und Investition zurück, um den die Nichtunternehmer Einnahmeüberschüsse bilden.“[37] Das bedeutet, dass bei Bildung von monetären Überschüssen der privaten Nichtunternehmer (wie dies in der Gesamtheit üblicherweise auftritt)[38] und gleichzeitig angestrebter Entschuldung der inländischen Unternehmen, dies überhaupt nur durch einen zusätzlichen Ausgabenüberschuss des eigenen und/oder eines ausländischen Staatshaushalts finanziert werden kann – umgekehrt können Budgetdefizite nur dann erfolgreich reduziert werden, wenn andere Haushalte entweder entsparen (bereits gebildete Geldvermögen aus kumulierten Einnahmeüberschüssen verbrauchen) und/oder ihrerseits ihre Ausgabenüberschüsse erhöhen.[39]

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Gold-Kreditgeld
Kreditgeld

Entstehen aus dem „schöpferischen Bankkredit“ (aus der Nettokreditaufnahme der Nichtbanken) zusätzliche Zahlungsmittel, wird heute von Kreditgeld[40] gesprochen. Kreditgeld ist so alt wie die materielle Schuld selbst bzw. genau so alt wie die Übertragung von Schuldforderungen zu Zahlungszwecken.[41] Hierzu schrieb Keynes: „Denn die Verwendung von Bankgeld hängt von nichts anderem ab, als allein von der Entdeckung, daß in vielen Fällen die Übertragung der Schulden selber für die Abwicklung von Geschäften ebenso zweckdienlich ist wie die Übertragung des Geldes, auf das jene lauten. Ein Anspruch auf eine Schuld ist gleichzeitig ein Anspruch auf Geld, und soweit man auf die prompte Umwechslung eines Schuldtitels in Geld vertraut, spielt das Element der Entfernung bei der Tauglichkeit des Bankgeldes zur Abwicklung von Geschäften keine Rolle. Bankgeld in der Form von Wechseln war für die Zwecke der Abwicklung von Geschäften bei größeren Entfernungen in der alten Welt nicht weniger tauglich und notwendig als heute, wegen der geringen Kosten der Übermittlung im Vergleich zu den Kosten und Risiken eines Transportes von Bargeld.“ Heinrich Rittershausen weist darauf hin, dass genauso Einnahmeüberschüsse aus konventionellen Formen der Kreditvergabe als Kreditgeld zu verstehen sind.[42] In beiden Fällen stehen Einnahmeüberschüsse monetären Schulden in gleicher Höhe gegenüber.

Der ökonomische Althistoriker Edward Cohen weist darauf hin, dass bereits die ersten Privatbanken der Welt, die Trapezai im antiken Athen, Kreditgeld verwendet haben: "Die athenischen Bankiers schufen Kredit und Geld über das verfügbare Angebot an Edelmetallen hinaus ... die Trapezai stellten Kreditgarantien aus, beschleunigten den Handel, indem sie die Verfügbarkeit von Geldern auf Bankkonten bestätigten, und führten Zahlungsanweisungen aus, durch die geschäftliche Transaktionen abgewickelt und Verpflichtungen erfüllt wurden, ohne dass tatsächlich Münzen übertragen wurden ... die breite Nutzung solcher 'fiktiven' Kredite ermöglichte eine deutliche Ausweitung der Geschäftstätigkeit, ohne dass es zu einer tatsächlichen Zunahme der Münzprägung oder des Goldes kam."[43]

Literatur

  • Charles Rist: Histoire de doctrines relatives au crédit et la monnaie depuis John Law jusqu’à nos jours. 1937; deutsche Übersetzung von Gustav Büscher: Geschichte der Geld- und Kredittheorien von John Law bis heute, Bern, 1947.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hans-Georg Backhaus, Dialektik der Wertform, 2018, S. 185
  2. Lectures on Credit and Banking – Internet Archive Henry Dunning Macleod, Lectures on Credit and Banking, London, 1882
  3. Hans Christoph Binswanger, The Growth Spiral: Money, Energy and Imagination in the Dynamics of the Market Proces, Berlin und Heidelberg, 2013, S. 38: books.google.at
  4. Hartley Withers, The Meaning of Money, 1909; ders.: The English Banking System, 1910
  5. Hermann Feifel, Die Anwendbarkeit der modernen Kreditschöpfungslehre auf die besondere Art des Sparkassengeschäfts, 1959, S. 18: books.google.at
  6. Hermann Feifel, Die Anwendbarkeit der modernen Kreditschöpfungslehre auf die besondere Art des Sparkassengeschäfts, 1959, S. 67
  7. Joseph Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse, Band 2, 1954, S. 1350
  8. Karl Ockel, Zur volkswirtschaftlichen Problematik des Teilzahlungskredites, 1962, S. 117
  9. Rudolf Stucken, Geld und Kredit, 1957, S. 87
  10. Valentin Fritz Wagner, Die Geschichte der Kredittheorien, 1937, S. 481
  11. Adolph Wagner, Die Geld- und Kredittheorie der Peelschen Bankaktie, 1862
  12. John Law, Money and Trade Considered with a Proposal for Supplying the Nation with Money, 1705, S. 121 f.
  13. Freie Universität Berlin/Osteuropa-Institut (Hrsg.), Wirtschaftswissenschaftliche Veröffentlichungen, Bände 4 – 6, 1956, S. 7
  14. Karl Marx, Ökonomische Manuskripte, Teil I, 1857/1858, S. 79
  15. Henry Dunning Macleod, The Theory of Credit, 1891 (Band 1), 1894 (Band 2)
  16. L. Albert Hahn, Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits, 1920, S. 1 ff.
  17. Joseph Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse, Band 1, 1954, S. 876
  18. Hans Gestrich, Neue Kreditpolitik, 1936, S. 1 ff.; ders.: Kredit und Sparen, Jena, 1944, S. 107
  19. Wilhelm Lautenbach, Liquiditätspolitik, in: Bank-Archiv 7, 1939, S. 169 ff.
  20. Friedrich A. Lutz, Das Grundproblem der Geldverfassung, 1936, S. 1 ff.
  21. Heinrich Rittershausen, Bankpolitik: Eine Untersuchung des Grenzgebiets zwischen Kredittheorie, Preistheorie und Wirtschaftspolitik, 1956, S. 44
  22. John Maynard Keynes, A treatise on money, 1930, S. 1 ff.
  23. John Maynard Keynes, Vom Gelde, 1930/1932, 3. Auflage, Berlin 1983, S. 18 f.
  24. Karl Brunner/Allan Meltzer, Liquidity Traps for Money, Bank Credit, and Interest Rates, in: Journal of Political Economy vol. 76, 1968, S. 127 f.
  25. Wolfgang Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 2005, S. 414
  26. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. (2. Auflage) Tübingen 2011, S. 219, books.google.at
  27. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. (2. Auflage) Tübingen 2011, S. 220, books.google.at
  28. Leonhard Gleske: Die Liquidität in der Kreditwirtschaft. Frankfurt 1954. S. 53:
    „Die Menge des vom Banksystem durch Kreditgewährung kreierten Geldes hängt ganz entscheidend davon ab, ob die Zahlungen der Schuldner anderen Schuldnern oder aber Kreditoren zufließen oder umgekehrt davon, ob die Zahlungen der Kreditoren anderen Kreditoren oder aber Debitoren zufließen. In der Regel führt eine verstärkte Kreditgewährung, ein verstärkter Krediteinsatz der Banken doch zum Anstieg des Geldvolumens, es braucht aber nicht notwendig so zu sein.“
  29. Wolfgang Stützel (Hrsg.)/Wilhelm Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (PDF; 1,2 MB), Tübingen 1952, S. 48: „Leistet ein Kreditor an einen Debitor, so schrumpft die Kreditsumme, leistet ein Debitor oder einer, der durch die Zahlung Debitor wird, an einen, der nicht Debitor ist, so erhöht sich die Kreditsumme. Sie bleibt aber gleich, wenn ein Debitor an einen anderen Debitor oder ein Kreditor an einen anderen Kreditor leistet.“
  30. Hermann Feifel: Die Anwendbarkeit der Modernen Kreditschöpfungslehre auf Die besondere Art des Sparkassengeschäfts. Berlin 1959, S. 38 f., books.google.at:
    „Ferner berücksichtigen die Vertreter der Theorie der ausschließlich giralen Kreditschöpfungstätigkeit der Banken die von Lautenbach entwickelten Regeln der Kreditmechanik nicht. Wird nämlich ein Kredit derart beansprucht, daß der Debitor an einen anderen Debitor zahlt, dann entsteht keine neue Sichteinlage. Eine neue Sichteinlage kann nur dann entstehen, wenn der Debitor bei der Kreditinanspruchnahme an einen Kreditor zahlt.“
  31. Ewald Nowotny: Gründe und Grenzen der öffentlichen Verschuldung. In: Ökonomie in Theorie und Praxis. Berlin, Heidelberg 2002, S. 261, books.google.at:
    „Typischerweise weisen dabei die privaten Haushalte erhebliche Überschüsse (Nettoersparnisse) auf.“
  32. Wilhelm Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (Hrsg. Wolfgang Stützel), Tübingen 1952, S. 49: „Der Kreditbedarf der Unternehmer entsteht hier also gerade dadurch, daß Nichtunternehmer sparen, einerlei, ob es Private sind oder ob es die öffentliche Hand ist […].“
  33. Hans Gestrich: Neue Kreditpolitik (PDF; 652 kB), Stuttgart und Berlin 1936, S. 61: „Wenn die moderne Theorie vom Geld- und Kreditwesen etwas am Hergebrachten zu korrigieren hat, so ist es eine gewisse rein quantitative Betrachtungsweise, die sich daraus ergibt, daß die traditionelle Theorie sich den Kredit, der zur Verfügung gestellt werden kann, als einen starr begrenzten Vorrat vorstellt. Anhänger dieser Vorstellung können daher in Erstaunen geraten, daß am Höhepunkt einer Konjunktur, wenn die Menge sowohl des Bar- und Notenbankgeldes wie auch des auf Bankkredit beruhenden Giralgeldes stark vermehrt ist, der Zins hoch ist, während er am Ende einer Depression, wo die umlaufenden Barmittel und das Giralgeld durch Rückzahlungen und Konsolidierung verringert ist, der Zins niedrig ist.“
  34. Leonhard Gleske: Die Liquidität in der Kreditwirtschaft. Frankfurt 1954. S. 41:
    „Der Bankkreditbegriff hat in diesem Zusammenhang einen weiteren Inhalt. Er umfasst nicht allein kurzfristige Wechsel- und Kontokorrentkredite, sondern auch die langfristigen Ausleihungen und Anlagen jeder Art in den Bankbilanzen, soweit ihnen Depositen und nicht aus der Emission von Wertpapieren entstandene Verpflichtungen der Banken gegenüberstehen. In diesem Sinne zählen also zu den Bankkrediten auch die auf der Aktivseite der Bankbilanz aufgeführten Hypotheken und Wertpapiere, im besonderen Pfandbriefe, Industrie- und Kommunalobligationen, Staatsanleihen und Aktien. Es ist zwar nicht üblich Wertpapiere in das Bankkreditvolumen mit einzuordnen, aber sofern sie sich im Besitz des Banksystems befinden, lässt ihr wirtschaftlicher Charakter eine solche Interpretation zu.“
  35. Wilhelm Lautenbach: Über Kredit und Produktion. Frankfurt 1937 (erst veröffentlicht 1936 im Vierteljahresheft: Die Wirtschaftskurve. Heft III.), S. 18:
    „Wie funktioniert der Kreditapparat, wenn der Staat große Ausgaben durch Kredit finanziert? Woher kommen die Mittel?“
    „Die meisten, die die Frage stellen, und es sind keineswegs nur Laien, haben dabei die Vorstellung, als gäbe es irgendeinen begrenzten Vorrat an Geld oder Kredit. Mit dieser Vorstellung verknüpft sich gewöhnlich die besorgte Frage, ob der Staat durch seine Kreditansprüche nicht der Wirtschaft den Kredit verknappe. In Wahrheit verhält es sich aber genau umgekehrt. Wenn der Staat in großem Stil Kredit nimmt, wird die ganze Kreditwirtschaft aufgelockert. Die Geld- und Kreditmärkte werden flüssig, die Unternehmer werden liquide, ihre Bankkredite nehmen ab, die Geschäftsdepositen steigen […].“
  36. Wilhelm Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion. (Hrsg. Wolfgang Stützel) Tübingen 1952, S. 62: „Wenn die ersparten Beträge als Depositen bei den Banken gehalten werden, verschlechtert sich ceteris paribus die Liquidität [des Gesamtbankensystems]. Das Kreditvolumen wächst bei gleicher Kasse, so daß das Verhältnis von Gesamteinlagen zu Kasse sich verschlechtert. Denn hätten die Sparer nicht gespart, sondern ihr Einkommen verausgabt, so wären die Geldbeträge genau so nach Durchfluß durch den Einzelhandel unweigerlich im Kreislauf an die Banken gekommen; der Barmittelbestand der Banken wäre also der gleiche gewesen, das Kreditvolumen aber geringer, weil die zum Konsum verausgabten Beträge von Unternehmern vereinnahmt worden wären mit der Folge, daß ihr Kreditbedarf entsprechend geringer, ihr Umsatz aber höher gewesen wäre. Das ist ein nach jeder Richtung hin paradoxes Ergebnis. Verdienst, Liquidität und infolgedessen Neigung zu investieren, sind größer, wenn Lohn- und Gehaltsempfänger weniger sparen. Das Sparen erzeugt gerade erst Kreditbedarf bei verringertem Umsatz, umgekehrt wird, wenn Sparer frühere Ersparnisse verzehren, die Liquidität sowohl der Banken wie der Unternehmungen, gesteigert und zugleich das Unternehmereinkommen.“
  37. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. (Nachdruck der 2. Auflage) Tübingen 2011. S. 80.
  38. Heinz-J. Bontrup nach Daten aus der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank, Tab. 8, S. 26, kooperationsstelle-osnabrueck.de (PDF; 348 KB)
  39. Ewald Nowotny: Gründe und Grenzen der öffentlichen Verschuldung. In: Ökonomie in Theorie und Praxis. Berlin / Heidelberg 2002, S. 261, books.google.at:
    „Wirtschaftspolitisch bedeutungsvoll ist dabei die zwingende saldenmechanische Beziehung, dass eine Politik zur Reduzierung von aufgetretenen Budgetdefiziten („Budgetkonsolidierung“), nur dann erfolgreich sein kann, wenn es gelingt, den Finanzierungsüberschuss der privaten Haushalte zu reduzieren (z. B. durch erhöhten privaten Konsum) und/oder die Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen zu erhöhen (z. B. durch Investitionen) und/oder eine Verbesserung der Leistungsbilanz (z. B. durch zusätzliche Exporte) zu erreichen.“
  40. Kreditgeld: im weiteren Sinne alles Geld ohne eigenen (Material-)Wert. Früher auch Kreditmünzen (Geldstücke, deren Metallwert erheblich unter dem Nennwert lag). Vgl. Helmut Kahnt/Bernd Knorr, Alte Maße, Münzen und Gewichte. Ein Lexikon. Bibliographisches Institut Leipzig, 1986, Lizenzausgabe Mannheim/Wien/Zürich, 1987, ISBN 3-411-02148-9, S. 386.
  41. John Maynard Keynes, Vom Gelde, 1930/1932, 3. Auflage Berlin, 1983. S. 12 f.
  42. Heinrich Rittershausen, Bankpolitik. Eine Untersuchung des Grenzgebiets zwischen Kredittheorie, Preistheorie und Wirtschaftspolitik,, 1956
  43. Edward Cohen: Athenian Economy and Society: A Banking Perspective. Princeton University Press, 1997, ISBN 978-0-691-01592-7, S. 14 f. (epdf.tips): "The Athenian bankers did create credit and money beyond the available supply of precious metals … the trapezai issued guarantees of credit, expedited commerce by confirming availability of funds in bank accounts, and executed payment orders through which commercial transactions were settled and obligations met without the actual transfer of coins … wide useof such „ficititious“ credit permitted a marked expansion in business activity without any actual rise in coinage or bullion."