Leipziger Hochverratsprozess

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Wilhelm Liebknecht (in der Mitte im Zeugenstand stehend), August Bebel (1.v.r.) und Adolf Hepner (2.v.r.) als Angeklagte beim Leipziger Hochverratsprozess[1]

Als Leipziger Hochverratsprozess wird der Prozess gegen die prägenden Führungsgestalten der frühen deutschen Sozialdemokratie, Gründungsinitiatoren und Mitglieder der damaligen noch am Marxismus ausgerichteten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), August Bebel und Wilhelm Liebknecht sowie den Parteizeitungs-Redakteur Adolf Hepner, vor dem Leipziger Schwurgericht im März 1872 bezeichnet.

Vorgeschichte

Bei der Abstimmung zur Bewilligung der Kriegskredite im Reichstag des Norddeutschen Bundes für den Deutsch-Französischen Krieg am 19. Juli 1870 hatten sich August Bebel und Wilhelm Liebknecht der Stimme enthalten. Bei einer erneuten Debatte am 26. November desselben Jahres um die Bewilligung weiterer Kriegsgelder brachten die beiden einen Friedensvorschlag „unter Verzichtleistung auf jede Annexion französischen Gebietes“ ein. Die Diskussion zu diesem Vorschlag mündete in den Vorwurf des Landesverrates gegen die beiden Abgeordneten. Nach späteren Tumulten und tätlichen Angriffen, vor allem gegen Liebknecht, wurden die beiden zusammen mit Adolf Hepner, dem zweiten Redakteur des Zentralorgans der SDAP, Der Volksstaat, am 17. Dezember 1870 verhaftet (Anlass war die Veröffentlichung von Bebels Briefen an die Parteiführung). Nachdem in der Folge der Gründung des deutschen Nationalstaats als am monarchischen Prinzip ausgerichtetes Kaiserreich am 3. März 1871 der deutsche Reichstag gewählt worden war und August Bebel ein Mandat dabei erhalten hatte, beugte sich die Regierung dem wachsenden Druck und entließ die drei am 28. März 1871 vorerst aus der Haft.

Der Prozess

Da der Krieg mit Frankreich beendet war, konnte kein Prozess wegen Landesverrates mehr stattfinden. Reichskanzler Otto von Bismarck drängte jedoch weiterhin auf eine Verurteilung, und so wurde aus der Anklage wegen Landesverrates eine Anklage wegen Hochverrates, was aber einige Zeit in Anspruch nahm. Am 11. März 1872 begann der Prozess gegen Bebel, Liebknecht und Hepner vor dem Leipziger Schwurgericht unter dem Vorsitz des Bautzner Bezirksgerichtsdirektors von Mücke. Einer der beiden Anwälte war der Leipziger Rechtsanwalt und spätere Landtagsabgeordnete Otto Freytag. Der andere war dessen Bruder Bernhard Freytag aus Plauen.[2]

Datei:Stamps of Germany (DDR) 1955, MiNr 0477.jpg
Wilhelm Liebknecht auf einer Briefmarke der DDR aus dem Satz „Führer der deutschen Arbeiterbewegung“ von 1955; Porträt vor dem Hintergrund einer dem Leipziger Hochverratsprozess nachempfundenen Szene

Ein konkreter Anklagegrund konnte nicht gefunden werden (man zog hauptsächlich sämtliche Veröffentlichungen der drei Angeklagten heran), und so betonte man, dass „sich aus dem einen oder anderem Artikel […] nicht die Anklage begründen läßt, daß aber aus der Zusammenwirkung […] sämtlicher Artikel, in Verbindung mit anderen Tatsachen die Anklage hervorgegangen ist“. Nach einer von beiden Seiten vor allem politisch eingefärbten Verhandlung hielt der Staatsanwalt Hoffmann alle drei Angeklagten für schuldig, stellte aber den Geschworenen die Verurteilung Hepners anheim.[3] Das Geschworenenurteil erging am 26. März 1872. Hepner wurde freigesprochen, gegen Liebknecht und Bebel war das Urteil „schuldig“ (es stimmte jedoch nur genau die notwendige Mindestzahl von acht Geschworenen für „schuldig“). Das Gericht verhängte daraufhin zwei Jahre Festungshaft gegen Bebel und Liebknecht, zwei Monate Untersuchungshaft wurden angerechnet. August Bebel wurde sein Reichstagsmandat aberkannt. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Oberlandesgericht Dresden als unbegründet zurückgewiesen.

Nachwirkung

Gedenktafel August Bebel und Wilhelm Liebknecht am Schloss Hubertusburg

Das Kommunistische Manifest war zu der Zeit vergriffen und weiten Kreisen der Bevölkerung unbekannt. Doch nun war es im Prozess von der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben worden. Damit konnten die Sozialdemokraten es legal und in hoher Auflage veröffentlichen.[4]

Am 8. Juli 1872 trat August Bebel seine Festungshaft in der Hubertusburg in Wermsdorf an, wo Liebknecht zu dieser Zeit schon einsaß. Er nutzte die Zeit zu Studienzwecken. Am 20. Januar 1873 kam es zu einer Nachwahl, die durch die Aberkennung von Bebels Mandat notwendig wurde und in der August Bebel mit über 4000 Stimmen mehr als im ersten Wahldurchgang als Abgeordneter bestätigt wurde.

Anmerkungen / Einzelnachweise

  1. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1: Von den Anfängen der deutschen Arbeiterbewegung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Autorenkollektiv: Walter Ulbricht u. A. Dietz Verlag, Berlin 1966, Bildteil nach S. 352
  2. August Bebel: Aus meinem Leben, Bd. 2, Berlin 1946, S. 204.
  3. Hugo Friedländer: Der Hochverratsprozeß gegen Liebknecht, Bebel und Hepner, vom 11. bis 26. März 1872 vor dem Leipziger Bezirks-Schwurgericht. In: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung. 1911–1921, Band 3, S. 132–159, zeno.org
  4. Einleitung von Eric Hobsbawm zu Das Kommunistische Manifest argument.de (Memento vom 10. Dezember 2008 im Internet Archive)

Literatur

  • Leipziger Hochverrathsprozeß. Ausführlicher Bericht über die Verhandlungen des Schwurgerichts zu Leipzig in dem Prozeß gegen Liebknecht, Bebel und Hepner, wegen Vorbereitung zum Hochverrath vom 11. – 26. März 1872; mit den ungehaltenen Schlußvertheidigungsreden der Angeklagten und einer Schlußcharakteristik des ganzen Prozesses. Bearb. von den Angeklagten. Verlag der Expedition des ‚Volksstaat‘, Leipzig 1872.
  • Leipziger Hochverrathsprozeß. Ausführlicher Bericht über die Verhandlungen des Schwurgerichts zu Leipzig in dem Prozeß gegen Liebknecht, Bebel und Hepner wegen Vorbereitung zum Hochverrath vom 11.–26. März 1872 bearbeitet von Wilhelm Liebknecht. Genossenschaftsbuchdruckerei Leipzig, Leipzig 1874.
  • Der Hochverraths-Prozess wider Liebknecht, Bebel, Hepner vor dem Schwurgericht zu Leipzig vom 11. bis 26. März 1872 mit einer Einleitung von W. Liebknecht. Verlag der Expedition des ‚Vorwärts‘ Berliner Volksblatt, Berlin 1894 (2. Auflage Singer, Berlin 1911) Digitalisat in der Russischen Staatsbibliothek
  • Lothar Berthold (Hrsg.): Um die deutsche Nation. Der Leipziger Hochverratsprozeß. August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Aufbau Verlag, Berlin 1956.
  • Karl-Heinz Leidigkeit (Hrsg.): Der Leipziger Hochverratsprozess vom Jahre 1872. Rütten & Loening, Berlin 1960.
  • Wilhelm Liebknecht: Leipziger Hochverraths-Prozeß. Bibliophile Miniaturausgabe anläßlich des 150. Geburtstages Wilhelm Liebknechts am 29. März 1976. Offizin Andersen Nexö, Leipzig 1976.
  • Hugo Friedländer: Der Hochverratsprozeß gegen Liebknecht, Bebel und Hepner, vom 11. bis 26. März 1872 vor dem Leipziger Bezirks-Schwurgericht. In: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung. 1911–1921, Band 3, S. 132–159, zeno.org
  • Hugo Friedländer: Mörder – Verräter – Attentäter. Gerichtsreportagen aus dem Kaiserreich. vbb Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2008, ISBN 978-3-86650-195-9, S. 23–48.