Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg

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Melitta Klara Schenk Gräfin von Stauffenberg, geb. Schiller (* 9. Januar 1903 in Krotoschin, Provinz Posen; † 8. April 1945 bei Straßkirchen) war eine deutsche Ingenieurin und Fliegerin.

Leben

Frühe Jahre

Melitta Schiller war die Tochter des aus einer jüdischen Pelzhändlerfamilie stammenden Baurats und preußischen Beamten Michael Schiller. Ihre Mutter, Margaret Eberstein, stammte aus Bromberg. Sie hatte vier Geschwister: Marie-Luise, Otto, Jutta und Klara.

Während des Ersten Weltkrieges lebte Melitta bei ihrer Großmutter in Schlesien, da ihr Vater an der Front war und ihre Mutter und die ältere Schwester im Sanitätsdienst. Nach dem Krieg fiel die Provinz Posen an Polen. Die Familie zog nach Hirschberg in Schlesien, wo Melitta 1922 ihr Abitur machte. Anschließend studierte sie Mathematik, Physik und Flugmechanik an der Technischen Hochschule München. 1927 schloss sie mit Auszeichnung ab. Da ihr Vater als Kriegsversehrter ihre Ausbildung nicht finanzieren konnte, verdiente sich Melitta das Geld für ihr Studium durch Nachhilfestunden und Privatunterricht. Von 1928 an arbeitete sie als Diplom-Ingenieurin an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Berlin-Adlershof.

Während der nächsten acht Jahre nahm Melitta Schiller theoretische und experimentelle Untersuchungen an Verstellpropellern vor. Zudem ließ sie sich zur Flugzeugführerin ausbilden, damit sie die für ihre wissenschaftlichen Arbeiten notwendigen Testflüge selbst durchführen konnte. Während dieser Zeit lernte sie den Historiker Alexander Schenk Graf von Stauffenberg kennen, einen Bruder des späteren Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Melitta und Alexander heirateten 1937; die Ehe blieb kinderlos.

Im Jahr 1936 wechselte Melitta Schiller als Ingenieurin zu den Askania-Werken in Berlin-Friedenau. Hier beschäftigte sie sich mit Problemen der automatischen Steuerung von Flugzeugen. Noch während ihrer Zeit bei der DVL 1935/36 und auch Winter 1936/37 hatte sie an Blindfluglehrgängen der Lufthansa in Hannover beziehungsweise Breslau teilgenommen und war bei Askania auch als Testpilotin tätig. Dort entwickelte sie Navigations- und Steuerungssysteme für die Flugboote Dornier Do 18 und Blohm & Voss Ha 139. Sie war auch an der Entwicklung der Askania-3-Achsensteuerung beteiligt. Die von Schiller erprobten automatischen Steuerungen wurden in Prototypen der Junkers Ju 87 eingesetzt.

Melitta Schiller besaß Flugzeugführerscheine für alle Klassen von Motorflugzeugen, den Kunstflugschein und alle Segelflugscheine. Am 28. Oktober 1937 wurde sie – als zweite Frau Deutschlands nach Hanna Reitsch – zum Flugkapitän ernannt.[1]

Zweiter Weltkrieg

Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg wurde im Oktober 1939 dienstverpflichtet und zur Erprobungsstelle Rechlin der Luftwaffe abkommandiert. Hier setzte sie ihre Arbeit an Zielgeräten für Sturzflug- und Schießvisiere fort. Um ihre Verbesserungen an den Geräten auszuprobieren, führte sie selbst etwa 2500 Sturzflüge mit den Stukas Junkers Ju 87 und Ju 88 vor. 1940 wurden durch die Reichsstelle für Sippenforschung ihre jüdischen Großeltern festgestellt. Dadurch wurde Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg zu einem „jüdischen Mischling ersten Grades“ im Sinne der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung. Vermutlich weil ihre Arbeit als „kriegswichtig“ eingestuft wurde, wurde ihr Antrag auf „Gleichstellung mit arischen Personen“ 1941 bewilligt.

Ab 1942 wurde Stauffenberg an die Technische Akademie der Luftwaffe in Berlin-Gatow versetzt, wo sie ihre Testflüge fortsetzte. Am 22. Januar 1943 erhielt sie das Eiserne Kreuz II. Klasse und das „Militärfliegerabzeichen in Gold mit Brillanten und Rubinen“.[2] Einen Monat später wurde sie mit dem Flugzeugführer- und Beobachterabzeichen in Gold mit Brillanten ausgezeichnet.[3] Anfang 1944 wurde sie mit der Beurteilung „sehr gut“ promoviert. Ab dem 1. Mai 1944 wurde Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg zur technischen Leiterin der Versuchsstelle für Flugsondergeräte ernannt.

Melitta von Stauffenberg hatte regelmäßig Kontakt mit Claus und Berthold von Stauffenberg in dessen Wohnung im Haus Tristanstraße 8–10 in Berlin-Nikolassee. Letztmals am 16. Juli 1944 traf sie sich mit den Brüdern Stauffenberg und bekannten Personen des Verschwörerkreises in dieser Wohnung. Das beweisen die persönlichen Tagebuchnotizen von Melitta von Stauffenberg. Aus diesen ihren Angaben eine Mitverschwörerrolle abzuleiten, ist ebenso abwegig, wie die gegenteilige Behauptung, Melitta von Stauffenberg habe von den Plänen ihres Schwagers nichts gewusst.[4][5] Nach dem missglückten Putschversuch wurden sie und ihr Mann Alexander von den Nationalsozialisten in Sippenhaft genommen. Melitta wurde wegen ihrer „kriegswichtigen Aufgaben“ nach sechs Wochen aus der Haft entlassen und nahm bald ihre Forschungstätigkeiten wieder auf. Fortan wurde sie offiziell nur noch „Gräfin Schenk“ ohne den Zusatz „von Stauffenberg“ genannt.[6] Ihr Mann blieb mit elf[7] weiteren Familienmitgliedern der Stauffenbergs in Haft, aus der sie ins Konzentrationslager verlegt wurden. Stauffenberg benutzte ihre Position, um ihnen zu helfen, so gut sie konnte; sie erreichte, dass sie ihren Mann einmal im Monat sehen durfte.

Stauffenberg-Grabstätte in Lautlingen

Ihre Dienststelle wurde im April 1945 von Berlin-Gatow nach Weimar-Nohra in die Nähe des KZ Buchenwald, in dem ihr Mann zeitweise inhaftiert war, verlegt. Nach der Räumung des KZ versuchte Stauffenberg, den Aufenthaltsort ihres Mannes ausfindig zu machen. Sie wurde dabei am 8. April 1945 in einer Bücker Bü 181 bei Straßkirchen (in der Nähe von Straubing) von einem US-amerikanischen Jagdflugzeug abgeschossen.[8] Melitta konnte die Maschine noch notlanden, starb aber innerhalb weniger Stunden an den Verletzungen. Ihr Ehemann befand sich zum Zeitpunkt ihres Todes in einer Schule in Schönberg im Bayerischen Wald, wo man während des Gefangenentransports eine Rast eingelegt hatte.

Literatur

  • Gerhard Bracke: Melitta Gräfin Stauffenberg. Das Leben einer Fliegerin. Komplett überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Herbig, München 2013, ISBN 978-3-7766-2707-7.
  • Thomas Medicus: Melitta von Stauffenberg. Ein deutsches Leben. Rowohlt, Berlin 2012, ISBN 978-3-87134-649-1; als Taschenbuch Rowohlt, Reinbek 2013, ISBN 978-3-499-62562-6
  • Gerhard Bracke: Melitta Gräfin Stauffenberg. Das Leben einer Fliegerin. Langen Müller, München 1990, ISBN 3-7844-2300-0.
  • Ernst Probst/Heiko Peter Melle: Sturzflüge für Deutschland: Kurzbiografie der Testpilotin Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg. Grin, München 2012, ISBN 978-3-656-25609-0.
  • Karl Christ: Der andere Stauffenberg. Der Historiker und Dichter Alexander von Stauffenberg. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56960-9. (Insbes. Kap. 4: In der nationalsozialistischen Epoche – Melitta Gräfin Stauffenberg. S. 45–61.)
  • Margot Fuchs: Schenk v. Stauffenberg, Melitta. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 678 f. (Digitalisat).
  • Margot Fuchs: „Wir Fliegerinnen sind keine Suffragetten.“ Die Versuchsingenieurin und Sturzflugpilotin M. Schiller. In: Hiltrud Häntzschel, Hadumod Bußmann (Hrsg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. Beck, München 1997, ISBN 3-406-41857-0, S. 260–267.
Belletristik
  • Sabrina Kiefner: Sturzflug, die unglaubliche Geschichte der Melitta Gräfin von Stauffenberg, Roman. Independent Publishing 2020, ISBN 979-8-6716-8416-2.

Hörspiel

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Der zweite weibliche Flugkapitän. In: Salzburger Volksblatt, 12. November 1937, S. 4 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/svb
  2. Karl Christ: Der andere Stauffenberg. S. 55.
  3. Jörg Nimmergut: Deutsche Orden und Ehrenzeichen bis 1945. Band 4. Württemberg II – Deutsches Reich. Zentralstelle für wissenschaftliche Ordenskunde, München 2001, ISBN 3-00-001396-2, S. 2441.
  4. vgl. Gerhard Bracke: Melitta Gräfin Stauffenberg. Das Leben einer Fliegerin. Herbig, München 2013, ISBN 978-3-7766-2707-7, S. 172–173.
  5. Litta konnte alles. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, 77, ältester Sohn des Hitler-Attentäters, über seine Tante Melitta. In: Der Spiegel, Hamburg, Nr. 10 / 2012, 5. März 2012, S. 139.
  6. In einer Bescheinigung des Reichssicherheitshauptamtes heißt es: „Flugkapitän Dipl.-Ing. Melitta Schenk Gräfin v. Stauffenberg ist auf Weisung.... tätig. Gräfin S c h e n k fährt heute Abend...“ usw.
  7. Peter Koblank: Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol. Online-Edition Mythos Elser, 2006.
  8. Das ist nicht zweifelsfrei erwiesen, aber höchst wahrscheinlich, vgl. Christ, S. 7, 48, 58, 175. Thomas Medicus hingegen schreibt in seiner Biografie, S. 317 f., auch die Engländer, die SS oder die eigene Flak hätten für ihren Abschuss verantwortlich sein können. Auch von Selbstmord sei die Rede gewesen. Ihr Tod sei nie aufgeklärt worden.