Mitri Raheb

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Mitri Raheb

Mitri Raheb (* 1962 in Betlehem; auch: Mitri Rahib; arabisch متري الراهب, DMG

Mitrī ar-Rāhib

) ist ein lutherischer Pastor und arabischer Christ, Gründer des Internationalen Begegnungszentrums in Bethlehem, Gründer der Dar al-Kalima Schule und Pastor an der Weihnachtskirche in Bethlehem, die zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) gehört. Raheb und seine Positionen sind auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt.[1] Neben und im Zusammenhang mit der Schule und einem Konferenz- und Kulturzentrum ist er der Präsident der Dar al-Kalima University College of Arts and Culture.[2]

Leben und Wirken

Als Raheb 13 Jahre alt war, starb sein Vater, sodass er neben der Schule den väterlichen Buchladen weiterführte. Raheb studierte später evangelische Theologie am Missionsseminar Hermannsburg und an der Philipps-Universität Marburg. Hier erwarb er den Doktor der Theologie mit einer kirchenhistorischen Arbeit über die evangelisch-lutherische Kirche in Palästina. Im Alter von 26 Jahren begann Raheb als Pastor an der evangelisch-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem zu arbeiten. 1989 heiratete er Najwa Khoury. Das Paar hat zwei Töchter, Dana und Tala.

1995 gründete Mitri Raheb das Internationale Begegnungszentrum in Bethlehem (International Center of Bethlehem – ICB, arabisch: Dar an-Nadwa ad-Dawwliyya, „Haus der Begegnung weltweit“). Im ersten Gottesdienst nach dem Ende der 39-tägigen israelischen Belagerung der Geburtskirche in Betlehem im April bis Mai 2002, in der sich rund 200 Kämpfer der PLO verschanzt hatten, verkündete Raheb: „Der Krieg kann uns nicht unsere Vision rauben, in Frieden mit unseren Nachbarn zusammenzuleben“.[3] 1998 gründete Raheb die Dar al-Kalima-Schule, 2003 das Dar al-Kalima Health & Wellness Center, 2004 das Il’illiyeh Restaurant und der al-Kuz Coffee shop,[4] in 2010 schließlich das Dar al-Kalima University College of Arts and Culture .[5]

Raheb gehört zu den Unterzeichnern des Kairos-Palästina-Dokuments von 2009.[6]

Rezeption

2008 erhielt Raheb den Aachener Friedenspreis. Zur Begründung sagte der Vorsitzende der Bürgerinitiative Aachener Friedenspreis, dass sich Raheb „auf vielfältige Weise für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Palästinensern“ einsetze.[7] 2011 wurde ihm vom ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog der Deutsche Medienpreis verliehen. Die schwedische Olof-Palme-Stiftung (Olof Palme Minnesfond) verlieh den Olof Palme Preis des Jahres 2015 an Mitri Raheb und den israelischen Journalisten Gideon Levy für deren „unerschrockenen und unermüdlichen Kampf gegen Besatzung und Gewalt, und für einen zukünftigen Nahen Osten, der durch friedliches Zusammenleben und gleiche Rechte für alle“ gekennzeichnet sei.[8]

Raheb repräsentiert als palästinensischer Christ eine Gruppe der Palästinenser, die im weltweiten Meinungskampf um die Politik Israels eine bedeutende Rolle spielen. Wegen seiner Kritik an der israelischen Besatzung wurde er des Öfteren von christlichen Zionisten immer wieder scharf angegriffen und attackiert.[9] Die deutschen Theologen Ekkehard und Wolfgang Stegemann schrieben in einem offenen Brief an die EKD, er propagiere die „„Entjudung“ Jesu“.[10] Insbesondere nach Bekanntwerden der Auszeichnung Rahebs mit dem Deutschen Medienpreis lauteten die Vorwürfe etwa der Deutsch-Israelischen Gesellschaft,[11] er vergleiche Israel auf ahistorische Weise und in diffamierender Absicht mit dem Apartheidregime in Südafrika. Mit Aussagen wie denen, die „israelische Besatzung palästinensischen Landes“ sei „eine Sünde gegen Gott“, bediene er „jahrhundertealte judenfeindliche Stereotypen“.[12][13][14] Der Theologe Albrecht Lohrbächer wirft Raheb Gewaltverherrlichung vor.[15]

Schriften

  • Das reformatorische Erbe unter den Palästinensern: zur Entstehung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien. Gütersloh 1990, ISBN 3-579-00127-2.
  • Bethlehem 2000: Past and Present. Palmyra, Heidelberg 1998, ISBN 3-930378-21-3.
    • Deutsche Ausgabe: Bethlehem 2000: Eine Stadt zwischen den Zeiten. Palmyra, Heidelberg 1998, ISBN 3-930378-18-3.
  • Ich bin Christ und Palästinenser. Israel, seine Nachbarn und die Bibel. 2. Auflage. Gütersloher Verlags-Haus, Gütersloh 1995, ISBN 3-579-01307-6. (Gütersloher Taschenbücher 1307)
    • englisch: I am a Palestinian Christian.
  • Christ und Palästinenser. AphorismA-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-86575-150-4. (Kleine Schriftenreihe des Kulturvereins AphorismA, Bd. 18)
  • Bethlehem hinter Mauern. Geschichten der Hoffnung aus einer belagerten Stadt. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005, ISBN 3-579-06853-9.
    • englisch: Bethlehem Besieged
  • Verwurzelt im Heiligen Land. Einführung in das palästinensische Christentum. (Hrsg.) Knecht, Metzingen 1995, ISBN 3-7820-0729-8.
  • Christ-Sein in der arabischen Welt. 25 Jahre Dienst in Bethlehem, gesammelte Aufsätze und Reden eines kontextuellen Theologen aus Palästina (Mit einem Vorw. von Khouloud Daibes und einem Nachw. von Manfred Kock), AphorismA, Berlin 2013, ISBN 978-3-86575-043-3.
  • Glaube unter imperialer Macht. Eine palästinensische Theologie der Hoffnung. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2014 ISBN 978-3-579-08511-1 (dt. Fassung von Faith in the Face of Empire)

Auszeichnungen

Weblinks

Commons: Mitri Raheb – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. M. Raheb, I am a Palestinian Christian, with a foreword by Rosemary Radford Ruether. 1995; ders. Invention of history. A century of interplay between theology and politics in Palestine, 2011.
  2. CV: Fact and Figures offizielle Webseite; siehe auch [1] Christian Book Previews: Mitri Rahebs Bio, abgerufen am 21. Juli 2013
  3. Deutscher Entwicklungsdienst gratuliert zum Aachener Friedenspreis 2008. AD HOC NEWS. 2. September 2008. Abgerufen am 6. Juli 2010.
  4. CV: Fact and Figures offizielle Webseite, abgerufen am 21. Juli 2013
  5. Website des College Dar al-Kalima College
  6. Palästinenser boykottieren jüdische Siedlungen. swissinfo. 12. Mai 2010. Abgerufen am 24. August 2010.
  7. Aachener Friedenspreis mit Fokus auf Nahost. Kölner Stadt-Anzeiger. 8. Mai 2008. Archiviert vom Original am 6. Dezember 2008.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ksta.de Abgerufen am 6. Juli 2010.
  8. Mitteilung der Olof Palme Stiftung vom Dezember 2015. Olof Palme Minnesfond. 15. Januar 2016. Abgerufen am 15. Januar 2016.
  9. B. Simon, Christians in the Holy Land CNN 22. April 2012
  10. Offener Brief an SEK und EKD vom 4. Juni 2013
  11. Pressemitteilung DIG München, Raheb ist kein FriedensstifterDIG München 17. Februar 2012
  12. Pfarrer Mitri Raheb erhält Medienpreis, Deutschlandfunk vom 23. März 2012
  13. Ein Preisträger, der aneckt (Memento vom 26. Februar 2012 im Internet Archive) Tagesschau vom 23. März 2012
  14. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/tagfuertag/1683917/
  15. http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/deutscher-medienpreis-fuer-mitri-raheb-article1393658.html