Natrolith

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Natrolith
Natroliteinde1.jpg
radialstrahliger Natrolith aus Nasik, Maharashtra, Indien
Allgemeines und Klassifikation
Chemische Formel
  • Na2(Si3Al2)O10·2H2O[1]
  • Na2[Al2Si3O10]·2H2O[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Gerüstsilikate (Tektosilikate) – Zeolithgruppe – Faserzeolithe
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
9.GA.05 (8. Auflage: VIII/F.10)
77.01.05.01
Ähnliche Minerale Mesolith, Skolezit
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-pyramidal; mm2[3]
Raumgruppe Fdd2 (Nr. 43)Vorlage:Raumgruppe/43[2]
Gitterparameter a = 18,29 Å; b = 18,64 Å; c = 6,59 Å[2]
Formeleinheiten Z = 8[2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5 bis 5,5[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,20 bis 2,26; berechnet: 2,25[4]
Spaltbarkeit vollkommen nach {110}, deutlich nach {010}[4]
Bruch; Tenazität muschelig
Farbe farblos, weiß, grau, bläulich, gelblich, rosa[4]
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz, Seidenglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,473 bis 1,483[5]
nβ = 1,476 bis 1,486[5]
nγ = 1,485 bis 1,496[5]
Doppelbrechung δ = 0,012 bis 0,013[5]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 58° bis 64° (gemessen), 48° bis 62° (berechnet)[5]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten schmilzt vor dem Lötrohr
Besondere Merkmale pyroelektrisch, piezoelektrisch, Fluoreszenz

Natrolith ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Zeolithgruppe innerhalb der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung Na2[Al2Si3O10]·2H2O.[2] Er ist damit chemisch gesehen ein wasserhaltiges Natrium-Alumosilikat. Strukturell gehört Natrolith zu den Gerüstsilikaten.

Natrolith kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt vorwiegend langprismatische bis nadelige oder haarförmige Kristalle, die oft zu radialstrahligen Mineral-Aggregaten verbunden sind. In reiner Form ist Natrolith farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch weiß erscheinen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt. Gelegentlich nimmt das Mineral durch Fremdbeimengungen auch eine graue, bläuliche, gelbliche oder rosa Farbe an.

Etymologie und Geschichte

Natrolith vom Hohentwiel (Typlokalität)

Erstmals gefunden und beschrieben wurde Natrolith vom Hohentwiel bei Singen in Baden-Württemberg im Jahre 1803 durch Martin Heinrich Klaproth.[6] Der Name ist eine Zusammensetzung der griechischen Wörter Natron und λίθος lithos für „Stein“.

Ein 1887 von Hermann Traube beschriebenes und als Laubanit bezeichnetes Mineral stellte sich nach neueren Analysen durch Traube und Brendler sowie durch Strunz als Natrolith heraus, weshalb der Mineralname diskreditiert und als Synonym dem Natrolith zugerechnet wurde.[7]

Klassifikation

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Natrolith zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate)“, wo er als Namensgeber die „Natrolith-Gruppe“ mit der System-Nr. VIII/F.10 und den weiteren Mitgliedern Edingtonit, Gonnardit, Mesolith, Mountainit, Skolezit und Thomsonit innerhalb der Familie der Zeolithe bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/J.21-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Gerüstsilikate“, wobei in den Gruppen J.21 bis J.27 die Minerale der Zeolithgruppe eingeordnet sind. Natrolith bildet hier zusammen mit Gonnardit, Mesolith, Paranatrolith, Skolezit, Thomsonit-Ca und Thomsonit-Sr eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe innerhalb der von Gruppe J.21 bis J.22 reichenden Faserzeolithe (Stand 2018).[8]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Natrolith dagegen in die bereits feiner unterteilte Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate) mit zeolithischem H2O; Familie der Zeolithe“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Zeolithe mit Ketten aus Vierer-Ringen, verbunden über ein fünftes Si“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Natrolithgruppe“ mit der System-Nr. 9.GA.05 und den weiteren Mitgliedern Gonnardit, Mesolith, Paranatrolith und Skolezit bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Natrolith in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Gerüstsilikate: Zeolith-Gruppe“ ein. Hier ist er ebenfalls als Namensgeber der Gruppe „Natrolith und verwandte Arten“ mit der System-Nr. 77.01.05 und den weiteren Mitgliedern Tetranatrolith, Paranatrolith, Mesolith, Skolezit, Edingtonit, Gonnardit, Cowlesit, Thomsonit-Ca, Thomsonit-Sr und Nabesit innerhalb der Unterabteilung der „Echten Zeolithe“ zu finden.

Chemismus

Der idealen (theoretischen) Zusammensetzung von Natrolith (Na2[Al2Si3O10]·2H2O) zufolge besteht das Mineral im Verhältnis aus je zwei Teilen Natrium (Na) und Aluminium (Al), drei Teilen Silicium (Si), zwölf Teilen Sauerstoff (O) und vier Teilen Wasserstoff (H). Dies entspricht einem Massenanteil (Gewichts-%) von 12.09 Gew.-% Na, 14,19 Gew.-% Al, 22,16 Gew.-% Si, 50,49 Gew.-% O und 1,06 Gew.-% H[10] oder in der Oxidform 16,30 Gew.-% Na2O, 26,82 Gew.-% Al2O3, 47,41 Gew.-% SiO2 und 9,48 Gew.-% H2O.[3]

Natrolith ist das natriumreiche Endglied einer kontinuierlichen Mischkristallreihe, welche durch den Austausch von Calcium und Wasser anstelle von Natrium charakterisiert ist. Das calciumreiche Endglied der Reihe (bei gleicher Kristallstruktur) ist Skolezit, Ca(Al2Si3O10)·3H2O, während Mesolith intermediärer Zusammensetzung ist (Na2Ca2(Al6Si9O30)·8 H2O).

Aufgrund der Mischkristallbildung ist bei natürlichen Natrolithproben meist ein Teil des Natriums durch Calcium ersetzt. Des Weiteren finden sich gelegentlich Eisen (Fe2O3) und Kalium (K2O) als Fremdbeimengungen.[11]

Kristallstruktur

Natrolith kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Fdd2 (Raumgruppen-Nr. 43)Vorlage:Raumgruppe/43 mit den Gitterparametern a = 18,29 Å; b = 18,64 Å und c = 6,59 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Eigenschaften

Beim Erhitzen bis auf 300 °C kann das im Natrolith enthaltene Kristallwasser fast vollständig ausgetrieben werden. Nach Abkühlung ist das Mineral jedoch in der Lage, es wieder zu absorbieren. In Salzsäure ist Natrolith löslich, wobei Kieselsäure (Kieselgallert) ausfällt.[11]

Bildung und Fundorte

Natrolith in einer Quarz-Druse

Natrolith bildet sich hauptsächlich durch hydrothermale Alteration feldspathaltiger Gesteine. Dort kommt Natrolith als Haupt- oder Nebenbestandteil der Grundmasse vor oder bildet idiomorphe Kristalle in Drusen und Klüften.

Fundorte sind neben der Typlokalität am Hohentwiel und dem Kaiserstuhl unter anderem Narssarssuk in Grönland, Teigarhorn in Island, Québec in Kanada, die Halbinsel Kola in der Russischen Föderation sowie Tálezly und Soutěsky in Tschechien.

Siehe auch

Literatur

  • M. H. Klaproth: Chemische Untersuchung des Natroliths. In: Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, Neue Schriften. Band 4, 1803, S. 243–248 (rruff.info [PDF; 461 kB; abgerufen am 2. März 2021]).
  • Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 126.
  • Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 272.

Weblinks

Commons: Natrolite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Natrolith. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 2. März 2021.
  • Natrolite search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF), abgerufen am 2. März 2021 (englisch).

Einzelnachweise

  1. Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2021. (PDF; 3,4 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2021, abgerufen am 3. März 2021 (englisch).
  2. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 701.
  3. a b David Barthelmy: Natrolite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 2. März 2021 (englisch).
  4. a b c d Natrolite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 81 kB; abgerufen am 2. März 2021]).
  5. a b c d e Natrolite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. März 2021 (englisch).
  6. M. H. Klaproth: Chemische Untersuchung des Natroliths. In: Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, Neue Schriften. Band 4, 1803, S. 243–248 (rruff.info [PDF; 461 kB; abgerufen am 2. März 2021]).
  7. New Mineral Names. Discredited Minerals. In: American Mineralogist. Band 42, Nr. 11–12, 1957, S. 919 (englisch, rruff.info [PDF; 197 kB; abgerufen am 2. März 2021] Laubanite (=Natrolite)).
  8. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 3. März 2021 (englisch).
  10. Natrolith. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 2. März 2021.
  11. a b Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 615–616.