Parlament Palästinas zur Mandatszeit

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Das Parlament Palästinas zur Mandatszeit (hebräisch אֲסֵפָת הנִבְחָרים Assefat ha-nivcharīm, deutsch ‚Versammlung der Repräsentanten‘; englisch Assembly of Representatives) war die gewählte parlamentarische Vertretung der jüdischen Bevölkerung im Völkerbundsmandat für Palästina, die die Mandatsbehörden als Personalkörperschaft anerkannt hatten. Sie wurde am 19. April 1920 gegründet[1] und turnusmäßig gewählt. Die Versammlung wählte turnusmäßig den Nationalrat (hebräisch הַוַּעַד הַלְּאֻמִּי Ha-Waʿad ha-Lə'ummī), die Exekutive des Jischuvs.

Hintergrund

1928 erkannte die britische Mandatsregierung den Jischuv auf dessen Antrag hin als öffentlich-rechtliche Personalkörperschaft an und zwar im Rahmen der 1926 erlassenen palästinensischen Religious Communities (Organisation) Ordinance (Verordnung bezüglich religiöser Gemeinschaften (Organisation)).[2] War eine Beteiligung an Organisationen und Wahl in die Vertretungsorgane des Jischuv vorher davon abhängig, ob man deren Satzungen anerkannte und umgekehrt von den Organisationen aufgenommen wurde, bildete nunmehr der Jischuv eine Körperschaft aller Juden des Landes (Statutory Jewish Community), von deren Selbstorganisation man zwar Abstand nehmen konnte, aus der einen die Organe selbst aber nicht ausschließen konnten. Dadurch fanden auch nichtzionistische Juden, sowie Anhänger verschiedener, sich bekämpfender Strömungen des Zionismus, die sich zuvor kaum zu einer gemeinsamen Organisation zusammenfinden konnten, ihre Vertretung in den öffentlich-rechtlichen Organen des Jischuvs als Personalkörperschaft.

Die Mandatsregierung überprüfte die vorgeschlagenen oder bestehenden Statuten der Religionsgemeinschaft auf Zulässigkeit gemäß gesetzlich festgelegter Prinzipien (wie freie, gleiche Beteiligung der Mitglieder einer Personalkörperschaft an der Bestimmung ihrer Aufgaben und Geschicke) und bestätigte dann die ggf. geänderten Statuten. Für den Jischuv galten daher ab 1. Januar 1928 die Jewish Community Rules.[2] Die Repräsentantenversammlung und den Nationalrat als Organe des Jischuv erkannte die Mandatsregierung entsprechend ebenfalls an. Wahlberechtigt waren alle palästinensischen und staatenlosen Juden beiderlei Geschlechts, die nachweislich als Mitglieder eingetragen waren, mindestens ein Jahr ihren gewöhnlichem Aufenthalt im Lande hatten und das 20. Lebensjahr vollendet hatten. Wählbar war, wer vorige Bedingungen erfüllte, aber mindestens 25 Jahre alt war und des Hebräischen mächtig.[3]

Wie die Verordnung von 1926 christliche Kirchen und den Jischuv als Personalkörperschaften anerkannte, erkannte die Mandatsregierung auch die muslimische Gemeinschaft des Landes als Personalkörperschaft an. Die von der Mandatsregierung angeregte Organisation auch dieser Körperschaft nach demokratischen Prinzipien lehnten die vorher schon ohne breitere Legitimation gebildeten muslimischen Organe aber ab und behielten ihr bereits geübtes Honoratiorenmodell bei. Auch unter den Kirchen richteten nur einige gewählte Selbstvertretungsorgane (Landessynoden) ihrer Mitglieder ein.

Der Nationalrat und die Sochnut riefen am 12. April 1948 ein 37-köpfiges Übergangsparlament ins Leben, den Volksrat (hebräisch מוֹעֶצֶת הָעָם Mōʿetzet ha-ʿAm) mit Vertretern aller Parteien der Repräsentantenversammlung. Der Volksrat bestimmte aus seiner Mitte 13 Personen als Übergangskabinett, die Volksverwaltung (hebräisch מִנְהֶלֶת הָעָם Minhelet ha-ʿAm). Der Volksrat beschloss am 14. Mai 1948 gegen 15 Uhr einstimmig Israels Unabhängigkeit zu erklären, woraufhin die 25 anwesenden Mitglieder des Volksrates (die übrigen waren der Kriegsumstände halber verhindert und unterschrieben später) die Erklärung unterzeichneten. David Ben-Gurion, Vorsitzender der Volksverwaltung, verlas dann ab 16 Uhr die israelische Unabhängigkeitserklärung vor Volksrat und etwa 250 geladenen Gästen. Noch die folgenden neun Monate bis zum 13. Februar 1949, dem Tag vor der ersten Parlamentswahl in Israel 1949, tagte die Repräsentantenversammlung als Proto-Volksvertretung Israels.

Zusammensetzung

Die Versammlung wurde bei vier verschiedenen Gelegenheiten gewählt, jedes Mal mit einer anderen Anzahl von Vertretern.

1. Versammlung gewählt am 19. April 1920

20.160 von 28.765 Stimmberechtigten (Wahlrecht erwuchs damals noch nicht durch Religionszugehörigkeit, sondern durch Beitritt zum Jischuv und bei Bestehen ersterer) wählten 314 Mitglieder.[3] Die Wahlbeteiligung betrug 70,0 %.

Mandate Partei
70 Achdut haAwoda
54 Sfaradim VeEdot Misrach
53 Haredi Party
41 HaPoel HaZair
16 Hitachdut Ha-Ikarim
13 Advanced Party
12 Jemenitische Union
9 HaMisrachi
7 Unnamed Group
7 Unabhängige
6 Craftsmen's Centre
5 Women's Union
5 Bukharan Group
5 Clerk's Union
4 Youth of Israel Union
3 Citizen's Union
2 Mizrahi Youth Union
1 Adat HaGorjim
1 Maccabi Union

2. Versammlung gewählt am 6. Dezember 1925

33.845 von 64.764 Stimmberechtigten (Wahlrecht erwuchs damals noch nicht durch Religionszugehörigkeit, sondern durch Beitritt zum Jischuv bei Bestehen ersterer) wählten 221 Mitglieder (Wahlbeteiligung 56,7 %).[3]

Mandate Partei
54 Achdut haAwoda
30 HaPoel HaZair
19 Sfaradim VeEdot Misrach
15 Revisionisten
13 Hebrew Women's Association
9 Landwirtschaftlicher Block
9 Vereinigung der Demokraten
7 HaMisrachi
6 Zentrums-Liste
6 Nationale Bürger
6 Ma'amad Hapoalim
6 HaPo’el haMisrachi
4 Hapoel HaMizrachi HaMeuhad
4 Polnische Einwanderer-Liste
2 Tal Kibbutzim List
2 Safed Municipality List
1 Agricultural Centre List
1 Bauer-Vereinigung von Galiläa
1 Bauer-Vereinigung des Ostens
1 Georgian's List
1 Hebräische Frauenliste des Volkes
1 Givat HaRambam list
1 Young Mizrahi List
1 Craftsmen's Centre
1 Bnei Brak Residents' List

3. Versammlung gewählt am 5. Januar 1931

50.436 von 89.656 Stimmberechtigten (Wahlrecht gemäß den Jewish Community Rules, s. o.) wählten 71 Mitglieder.[3] Die Zahl der Mandate hatte die vorige Repräsentantenversammlung nach Vorbild des Sanhedrins aus der Zeit des Zweiten Tempels festgelegt.[4] Die Wahlbeteiligung betrug 56,3 %.

Mandate Partei
27 Mapai
11 Revisionisten
6 Sfaradim VeEdot Misrach
5 HaMisrachi-HaPo’el haMisrachi
5 Jabotinsky Unterstützer
4 Allgemeine Zionisten
4 Separdim Employees Group
3 Hebrew Women's Association
3 Jemenitische Gruppenliste
1 Poalei Zion
1 Borochov Workers List
1 Hashomer Hatzair

4. Versammlung 1. August 1944 – 13. Februar 1949

202.448 von über 300.000 Stimmberechtigten (Wahlrecht gemäß den Jewish Community Rules, s. o.) wählten 171 Mitglieder.[3] Die vorige Repräsentantenversammlung hatte die Zahl der Mandate wegen der steigenden Zahl Wahlberechtigter erhöht.[4]

Mandate Partei
63 Mapai
21 Left Front
18 New Aliyah Party (Partei deutscher Olim)
17 HaPo’el haMisrachi
16 Achdut haAwoda
8 Misrachi
5 Maccabi Union
4 Democratic Centre
4 WIZO-Frauen für Gleichstellung
4 HaOved HaTzioni
4 Independent Yemenite Association
3 Popular Democratic List
3 Religious Independents
2 Hebrew Merchants
2 Jemenitische Vereinigung
1 Women for Torah and Work
1 Independent Mizrahi Women
1 People's Movement for a Hebrew State

Einzelnachweise

  1. Palestine Through History: A Chronology (I). In: The Palestine Chronicle. 8. Mai 2008, archiviert vom Original am 17. Juni 2011; abgerufen am 23. Februar 2014.
  2. a b A Survey of Palestine: Prepared in December, 1945 and January, 1946 for the Information of the Anglo-American Committee of Inquiry on Jewish Problems: 3 Bd.e, Government of Palestine (Hrsg.) im Auftr. von 'Special Committee on Palestine of the United Nations General Assembly' und 'Anglo-American Committee of Inquiry on Jewish Problems in Palestine and Europe', Jerusalem: Government Printer, 1946-1947, hier Bd. 2 (1946), S. 915.
  3. a b c d e A Survey of Palestine: Prepared in December, 1945 and January, 1946 for the Information of the Anglo-American Committee of Inquiry on Jewish Problems: 3 Bd.e, Government of Palestine (Hrsg.) im Auftr. von 'Special Committee on Palestine of the United Nations General Assembly' und 'Anglo-American Committee of Inquiry on Jewish Problems in Palestine and Europe', Jerusalem: Government Printer, 1946-1947, hier Bd. 2 (1946), S. 916.
  4. a b A Survey of Palestine: Prepared in December, 1945 and January, 1946 for the Information of the Anglo-American Committee of Inquiry on Jewish Problems: 3 Bd.e, Government of Palestine (Hrsg.) im Auftr. von 'Special Committee on Palestine of the United Nations General Assembly' und 'Anglo-American Committee of Inquiry on Jewish Problems in Palestine and Europe', Jerusalem: Government Printer, 1946-1947, hier Bd. 2 (1946), S. 917.