Paul Bosse

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Paul Bosse (* 8. März 1881 in Wittenberg; † 5. März 1947 ebendort) war ein deutscher Chirurg, Gynäkologe, langjähriger Chefarzt des Paul-Gerhardt-Stiftes Wittenberg (1919–1935) und Gründer einer Klinik. Seine ehemalige Privatklinik (1936–1996) in Wittenberg ist als Bosse-Klinik bekannt.

Leben und Wirken

Vor 1933

Paul Bosse wurde 1881 als Sohn des Kaufmanns und Wittenberger Stadtrats Julius Bosse und dessen Frau Pauline geboren. Er absolvierte das Melanchthongymnasium in Wittenberg, studierte Medizin an den Universitäten Genf (1 Semester), Berlin (3 Semester) und Freiburg im Breisgau (6 Semester). Er wurde 1903 approbiert und 1904 bei Alfred Hegar in Freiburg mit einer Dissertation Ueber interstitielle Gravidität promoviert.[1] In den Jahren 1903 bis 1906 absolvierte er eine klinische Weiterbildung in Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Freiburg und Weimar. Ab 1907 war er Assistent unter Erwin Wachs, leitender Arzt des Paul-Gerhardt-Stift Wittenberg und des Hebammen-Lehrinstitutes.[2] Zugleich arbeitete Paul Bosse als niedergelassener Arzt. Ab 1914 war er Spezialarzt für Chirurgie und Frauenleiden und ab 1915 zuständig für die chirurgische Abteilung des Stiftes. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil und war Chirurg des Heimkehrer-Lazaretts in Wittenberg. 1919 wurde er leitender Arzt, später leitender Chefarzt des Evangelischen Krankenhauses Paul Gerhardt Stift. Im folgenden Jahr unterstützte er es mit einem Kredit aus eigenem Vermögen zur Tilgung dessen „dringendster Schulden“. Unter seiner Ägide (1919–1935) wurde das Stift zu einem regional bedeutenden, größeren Krankenhaus, nachdem es 1921 nach der Schließung der städtischen Klinik die stationäre medizinische Versorgung von Stadt und Kreis übernommen hatte und daraufhin 1925 und 1929 vergrößert werden musste.[3]

Paul Bosse war ab 1906 verheiratet mit Käte Bosse geb. Levin (1886–1944), die jüdische Urgroßeltern hatte, selbst aber wie ihre Herkunftsfamilie seit den 1890er Jahren der evangelisch-lutherischen Kirche angehörte. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Dorothea (* 1907) und Käthe (1910–1998), sowie zwei Söhne, Günther (* 1913) und Fritz (* 1915).

Zeit des Nationalsozialismus

Bereits Ende 1933 wurde dem „jüdisch versippten“[4] Chefarzt – ungeachtet seines Fronteinsatzes im Ersten Weltkrieg und seiner seitdem bestehenden Kriegsbeschädigung – gekündigt,[5] und Bosse musste das Paul-Gerhardt-Stift Ende 1935 verlassen.[6] Im Paul-Gerhardt-Stift wurden bis 1943 etwa 300 Zwangssterilisationen insgesamt vorgenommen. In der Literatur wird nahegelegt, ohne Beweise anzuführen, dass Paul Bosse als dessen Chefarzt 1934/35 Zwangssterilisationen durchgeführt habe.[7] Am 13. Juni 1935 ereignete sich das verheerende Explosionsunglück im Sprengstoffwerk Reinsdorf.[8] Paul Bosses Umsicht und Können ist es zu verdanken, dass bis auf eine Ausnahme alle, fast 90 Schwerverletzte gerettet werden konnten.[9][10] Bis heute werden seine Verdienste bei der Bewältigung des Unglückes als Grund für eine Privilegierung – man spricht vom „Schutzbrief“ – durch das NS-System angeführt.[11] Anfang 1936 eröffnete er seine „Privatklinik und Entbindungsanstalt Dr. Bosse“, die trotz sogleich einsetzender repressiver Maßnahmen (z. B. der Versuch einer Aberkennung der Kassenzulassung) stetig wuchs. Die Möglichkeit zur Eröffnung einer Klinik muss Bestandteil eines erzwungenen Auflösungsvertrages gewesen sein, den Paul Bosse im April 1934 unterschrieben und der ihm seine Chefarztstellung bis Ende 1935 garantiert hatte.[12] Schönstätter Marienschwestern, von Pater Kentenich beauftragt, standen ihm zur Seite und kamen dadurch selbst ins Visier der Gestapo.[13] Sogar lokale Nazigrößen ließen ihre Frauen anfänglich in seiner Klinik entbinden.[14] Denunziationen bei der Ärztekammer und öffentliche Diffamierungen machten die Klinikarbeit riskant. So war er 1942 in einem Ermittlungsverfahren nach einer Anzeige der Gestapo beschuldigt, er infiziere Frauen mit Gonorrhoe, um die Wehrkraft zu zersetzen. Zeitgleich, am 18. April 1942, wurde in einem „Führererlass“ der Familie Bosse eine „Sonderstellung“ eingeräumt.[15] Mit den Veröffentlichungen über die örtliche Sulfonamidtherapie aus seiner Klinik griff er als früher Mitstreiter von Gerhard Domagk in den heftigen Streit in der Kriegschirurgie ein.[16] 1943 wurden allein über 400 Entbindungen in der Bosse-Klinik gezählt.[17]

Seine gesamte Familie war von Anfang an „von fast allen gegen die Juden im allgemeinen gerichteten Maßnahmen betroffen“, berichtete Paul Bosse 1945. Lokale Dienststellen von Stadt und Partei hätten eine Beteiligung am Attentat auf Hitler konstruiert, auf Grund derer die Familie am 21. Juli 1944 verhaftet wurde.[18][19] Am 25. Juli 1944 schließlich wurde die Privatklinik in einer lokalen Aktion beschlagnahmt und vom Paul-Gerhardt-Stift übernommen.[20] Käte Bosse wurde im KZ Ravensbrück ermordet, Paul Bosse zur Organisation Todt in den Harz „sonderdienstverpflichtet“.[21]

Nach Kriegsende

Nach Wittenberg auf seine alte Stellung als Chefarzt des Paul-Gerhardt-Stiftes im Dezember 1945 zurückgerufen, operierte Paul Bosse lediglich als Chefarzt seiner eigenen Abteilung dort – auf eine Anstellung verzichtete er –, ebenso in Bad Schmiedeberg. Er wurde Chefarzt des Heimkehrer-Lazaretts, engagierte sich beim Aufbau eines Kinderheimes in Kropstädt, richtete eine Eheberatungsstelle ein, beteiligte sich im Kulturbund Wittenbergs und ließ sich in den Stadtrat wählen. Parallel hierzu sorgte er für die Wiedereröffnung seiner Privatklinik im April 1946, nachdem eine vom Paul-Gerhardt-Stift zu leistende Entschädigungszahlung für Nutzung und Instandsetzung der Bosse-Klinik festgelegt worden war. Um den zweiten Todestag seiner Frau, den 16. Dezember 1946, erlitt er einen Herzinfarkt, von dem er sich nicht mehr erholte. Er verstarb am 5. März 1947.[22][23]

Wissenschaftliche Arbeiten

Paul Bosse publizierte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, so z. B. zur Pernocton-Narkose[24] und zur Sulfonamidtherapie. Sein neuartiges Vorgehen bei der Anästhesie von Verletzten wird jetzt gewürdigt, „minimale Dosen von Barbituraten zu verabreichen, um ernsthafte Nebenwirkungen zu vermeiden“ (1935).[25] Mit Koautoren verfasste er eine Monographie (mit 12.000 ambulanten und 4.000 klinischen eigenen Fällen) zur Sulfonamidbehandlung in der Chirurgie.[26]

Ehrungen

Rezeption

Die historische Beurteilung von Paul Bosse schwankt je nach Sichtweise zwischen Würdigung als „Wohltäter der Stadt“[27] und kritischer Beurteilung seiner Person.[28][29] Heute noch wird die Erlaubnis zur Klinikgründung einem Gunsterweis Hitlers zugeschrieben.[30][31] Helmut Bräutigam übergeht kommentarlos diese bislang „unentbehrliche“ Legende. Er kommt zu dem Schluss, einerseits sei dem verdienstvollen Chefarzt aus rein antisemitischen Gründen gekündigt worden, andererseits habe er nur einen befristeten Vertrag besessen.[32] Neuerdings wird Bosses Pionierarbeit bei der Einführung der Sulfonamidbehandlung in die Medizin erwähnt.[33] Ein Straßenabschnitt vor der alten Bosse-Klinik trägt den Namen „Bosse-Straße“ seit Ende 2016. Eine im Paul-Gerhardt-Stift zur Erinnerung an seinen langjährigen Chefarzt, 2017 angebrachte Plakette vermeidet jeden Bezug zur NS-Zeit.

Die Bosse-Klinik 1947–1996

Seine von ihm gegründete Privatklinik, ab 1949 in der Obhut der Caritas, war in der Nachkriegszeit bis zum Ende der DDR eine der renommierten Geburtskliniken. Bis 1970 wurde die Kinderstation von Kinderärzten des Paul-Gerhardt-Stiftes mitbetreut. In den Jahren ab 1970 war die Bosse-Klinik unangefochten die Entbindungsklinik über die Region hinaus. Ihre besondere Attraktivität bestand darin, dass sie zu den ersten Kliniken der DDR gehörte, die eine Sonografieuntersuchung anbieten konnten. 1972 wurde im Paul-Gerhardt-Stift, der Klinik in der Nachbarstraße der Bosse-Klinik, eine gynäkologische Abteilung gegründet. Wolfgang Böhmer war von 1974–91 ihr Chefarzt, bevor er 1991–94 Minister und Ministerpräsident von 2002–11 wurde. In seiner Zeit als Chefarzt dieser Abteilung beschäftigte er sich mit der Geschichte des Paul-Gerhardt-Stifts, dessen Chefarzt früher Paul Bosse gewesen war.[34] Böhmer kam hierbei zu dem Schluss, wegen überhöhter Honorarforderungen habe die Paul-Gerhardt-Stiftung im Januar 1934 Paul Bosse kündigen müssen, um Schaden vom Paul-Gerhardt-Stift abzuwenden.[35] In modifizierter[36] Form blieb diese Fassung bis 2009 bestehen.[37] 1980 war die Zahl der Entbindungen in der Bosse-Klinik auf über 1800 gestiegen. 1986 arbeiteten dort 6 Ärzte und 20 Marienschwestern u. a. m. Im gleichen Jahr wurde ein Kooperationsabkommen zwischen dem Paul-Gerhardt-Stift und der Bosse-Klinik abgeschlossen, das die Optimierung der Kapazitäten beider Kliniken und gegenseitige Hilfe bei Engpässen vorsah. Es zementierte damit eine Entwicklung, die zu einer schon seit Jahrzehnten zunehmenden Aufspaltung des gynäkologisch-geburtshilflichen Faches geführt hatte: Das Paul-Gerhardt-Stift war für die gynäkologischen Erkrankungen zuständig, während die Bosse-Klinik zur reinen Entbindungsklinik wurde, mit einem Schwerpunkt in der Frühgeborenenbetreuung.[38] 1991 wurde sie wegen der nach der Wende um die Hälfte gesunkenen Geburten auch gynäkologisch ausgerichtet. Bis zu ihrem Ende 1996, das 1993 beschlossen wurde, wurden in der Bosse-Klinik insgesamt mehr als 53.000 Kinder entbunden. Maßgeblichen Anteil[39] an der erfolgreichen Entwicklung der Klinik zu DDR-Zeiten hatten die beiden Chefärzte Kurt Jonas (1947–1975) und Erhard Sauer (1976–1996). Begründet wird das Aus der Bosse-Klinik damit, dass die Geburtenrate dramatisch gesunken und dass es dem 65-Betten-Krankenhaus nicht möglich gewesen sei, alle Bedingungen „eines modernen Krankenhausbetriebes zu erfüllen“.[40] Heutzutage trägt eine Nachfolgeeinrichtung seinen Namen, die Klinik Bosse Wittenberg, Gesundheitszentrum für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik.[41]

Kontroverse um die Kündigung

Seit dem Nationalsozialismus und ungebrochen bis heute hält die Paul-Gerhardt-Stiftung, der Arbeitgeber von Paul Bosse, daran fest, dass ein befristeter Arbeitsvertrag vorgelegen habe und seine Kündigung am 28. Dezember 1933 in Übereinstimmung mit seinem 1922 geschlossenem Vertrag erfolgt sei. Die beiden Historiker Bräutigam (2017) und Grabbe (2019), ähnlich wie Böhmer (1978, 1983, 1989), bestätigen dies. Sie machen aus dem 1922 auf unbestimmte Zeit mit regelmäßiger Kündigungsmöglichkeit abgeschlossenen Arbeitsvertrag (so Kaskel, s. u.) einen befristeten Vertrag, der sich automatisch, wenn nicht gekündigt werde, verlängere. Kündigung und Befristung schließen sich jedoch gegenseitig aus.[42] Grabbe spricht gar von einem Zeitvertrag und wählt – ganz ähnlich wie Böhmer[43] – einen Ausdruck, um die weitere Argumentation zu bahnen: Schon der erste Arbeitsvertrag von 1913/14 sei befristet gewesen.[44] Die regelmäßig wiederkehrende Kündigungsmöglichkeit, die keine Befristung darstellt, konnte aber vonseiten der Paul-Gerhardt-Stiftung nur ausgeübt werden, wenn ein sog. wichtiger Grund vorlag (z. B. Schließung des Krankenhauses, Konfessionswechsel des Chefarztes).[45] Zudem: Paul Bosse war Schwerbeschädigter[46] und konnte nur mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gekündigt werden.[47] Ihre Benachrichtigung unterblieb jedoch,[48] so dass nach dem Gesetz die Kündigung unwirksam war. Auch das immer wieder vorgebrachte Argument, die Kündigung habe erfolgen müssen, damit ein neuer Vertrag vereinbart werden könnte, sticht nicht: 1929 wurde ein neuer Vertrag ausgehandelt, ohne dass eine Kündigung vorher stattfinden musste.[49] Datei:21.08.22 gutachten-dehaas.pdf

Literatur

  • Hartwig Bauer u. a. (Hrsg.): Deutsche Gesellschaft für Chirurgie 1933–1945. Band 2: Die Verfolgten. Kaden Verlag, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-942825-60-3.
  • Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus PAUL GERHARDT-STIFT im Wandel der Zeiten. Maschinenschrift. Wittenberg 1978.
  • Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus Paul-Gerhardt-Stift im Wandel der Zeiten. In: Peter Gierra (Hrsg.): Impulse zur Diakonie in der Lutherstadt Wittenberg. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1983, DNB 840268998, S. 40–104.
  • Wolfgang Böhmer u. a.: Zur Geschichte des Wittenberger Gesundheits- und Sozialwesens. Teil IV: Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (= Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg. Band 8). Wittenberg 1988, DNB 881052558.
  • Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus Paul-Gerhard-Stift. In: Wolfgang Böhmer, Andreas Wurda (Hrsg.): Das heilkundige Wittenberg. Zur Geschichte des Wittenberger Gesundheits- und Sozialwesens von der Stadtfrühzeit bis zur Neuzeit. Drei Kastanien, Wittenberg 2009, ISBN 978-3-942005-10-4, S. 272–283.
  • Paul Bosse, Günther Bosse, Karl-Heinz Jaeger: Die örtliche Sulfonamidtherapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1943, OCLC 602196681.
  • Helmut Bräutigam: Heilen und Unheil. Zur Geschichte des Paul-Gerhardt-Stifts zwischen 1918 und 1945. Hrsg. von der Paul-Gerhardt-Stiftung. Wittenberg 2017, ISBN 978-3-942005-64-7.
  • Hans-Jürgen Grabbe: Verleumdet, verfolgt, vertrieben – Der Wittenberger Arzt Paul Bosse und seine Familie 1900–1949. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2019, ISBN 978-3-96311-189-1.
  • Ronny Kabus: Juden der Lutherstadt Wittenberg im III. Reich. 3., neubearbeitete und erweiterte Ausgabe. Books on Demand, Norderstedt 2012, ISBN 978-3-8448-0249-8, S. 161.
  • Nikolaus Särchen, Kurt Jonas, Thorsten Sielaff: Klinik Bosse Gesundheitszentrum für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. In: Wolfgang Böhmer, Andreas Wurda (Hrsg.): Das heilkundige Wittenberg. Drei Kastanien, Wittenberg 2009, ISBN 978-3-942005-10-4, S. 422–443.
  • Detlev Stummeyer: Domagk 1937–1951. Im Schatten des Nationalsozialismus. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61386-3, bes. Kap. 6: Das Sulfonamidbuch Bosse-Bosse-Jaeger, S. 63–78, doi:10.1007/978-3-662-61387-0_6.
  • Detlev und Ute Stummeyer: Paul Bosse. Seine Klinik in Wittenberg. Unerwünschte Wahrheitssuche. Veränderte Neuauflage. Books on Demand, Norderstedt 2015, ISBN 978-3-7386-8883-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Katalogkarte zur Dissertation im Dissertationenkatalog bis 1980 der Universitätsbibliothek Basel, abgerufen am 5. November 2015.
  2. Neben Erwin Wachs zählt er zu den Mitbegründern des modernen Paul-Gerhardt-Stifts. Siehe Helmut Bräutigam: Heilen und Unheil. Zur Geschichte des Paul-Gerhardt-Stifts zwischen 1918 und 1945. Wittenberg 2017, S. 15.
  3. Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus Paul-Gerhardt-Stift im Wandel der Zeiten. In: Peter Gierra (Hrsg.): Impulse zur Diakonie in der Lutherstadt Wittenberg. Berlin 1983, S. 67, 74, 77 und 80.
  4. Paul Bosse war für die lokalen Nationalsozialisten ein „Rassenschänder“, obwohl seine Ehe nicht unter das „Blutschutzgesetz“ fiel. Zur Bedeutung der „jüdischen Versippung“ für die Nationalsozialisten siehe: Lothar Gruchmann: „Blutschutzgesetz“ und Justiz. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 31 (1983), H. 3, S. 418–442 (ifz-muenchen.de [PDF; 8,3 MB]).
  5. Helmut Bräutigam behauptet in seinem Buch Heilen und Unheil. Wittenberg 2017, ein Gutachten im Auftrag der Paul-Gerhardt-Stiftung, Paul Bosse sei gemäß den Bestimmungen seines Anstellungsvertrags von 1922 gekündigt worden (S. 56).
  6. Nikolaus Särchen, Kurt Jonas, Thorsten Sielaff: Klinik Bosse Gesundheitszentrum für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. In: Wolfgang Böhmer und Andreas Wurda (Hrsg.): Das heilkundige Wittenberg. S. 422.
  7. Wolfgang Böhmer u. a.: Zur Geschichte des Wittenberger Gesundheits- und Sozialwesens. Teil IV: Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wittenberg 1988, S. 60, und Helmut Bräutigam, S. 89. Böhmer, der als einziger die heute verschollenen Operationsbücher von 1934/1935 gelesen und darüber geschrieben hat, redet nicht explizit davon, dass Paul Bosse Zwangssterilisierungen ausgeführt hat. In Böhmer (1978, S. 43/44) werden genaue Veränderungen im Originaloperationsbuch von 1936 beschrieben, die Bosses Nachfolger eingeführt hat. Diese Eintragungen sind in dem von Bräutigam zugezogenen Operationsbuch nicht vorhanden.
  8. Die Zahl der Todesopfer schwankt zwischen 68 (Wittenberger Tageblatt vom 24. Juni 1935) und 125 (Wolfgang Böhmer u. a., S. 50). Die Nationalsozialisten hatten kein Interesse, die genaue Zahl der Opfer bekanntzugeben.
  9. Paul Bosse: Kriegserfahrungen im Frieden. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift. 41 (1935), ISSN 0012-0472, S. 1623–1642.
  10. Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus Paul-Gerhardt-Stift im Wandel der Zeiten, S. 84.
  11. Eine Geschichte kehrt zurück. In: Mitteldeutsche Zeitung. Ausgabe Lutherstadt Wittenberg, 18. Juni 2015. Die Zeitung redet vom „Zugeständnis der Nationalsozialisten“.
  12. Helmut Bräutigam, S. 64–67, und Detlev und Ute Stummeyer: Paul Bosse. Seine Klinik in Wittenberg. Unerwünschte Wahrheitssuche. S. 57–87. - Zur Chronologie: gekündigt wurde Paul Bosse am 28. Dezember 1933 zum 31. Dezember 1934 (Bräutigam, S. 187). "Juristisch" wurde sein unbefristeter Arbeitsvertrag von 1922 umgewandelt durch einen am 18. April 1934 "vereinbarten" Auflösungsvertrag zum 31. Dezember 1935. "Wegen offensichtlich berechtigter Gegenforderungen" Paul Bosses, wie Böhmer (1978) S. 41 schreibt, kommt es unter dem Druck der erfolgten Kündigung zu diesem "Vertrag". Nach seiner Ehrung durch Goebbels und Hitler nach dem Explosionsunglück am 13. Juni 1935 keimte für kurze Zeit die Hoffnung auf, das Paul-Gerhardt-Stift werde die Kündigung zurücknehmen, doch lokale Nationalsozialisten ließen keinen Zweifel am Fortbestehen der Kündigung aufkommen (Bräutigam, S. 206).
  13. Wolfgang Marchewka: Aus der Geschichte der Bosse-Klinik: Blut und Leid der Familie. In: Freizeit Magazin. Ende 1990.
  14. Ronny Kabus: Juden der Lutherstadt Wittenberg im III. Reich. 3., neubearbeitete und erweiterte Ausgabe. Books on Demand, Norderstedt 2012, ISBN 978-3-8448-0249-8, S. 54.
  15. Helmut Bräutigam (2017), S. 102, und Paul Bosse an den Reichsgesundheitsführer vom 25. Mai 1944. Steiner und Cornberg nennen dies „Willkür in der Willkür“. In: Willkür in der Willkür. Hitler und die Befreiungen von den antisemitischen Nürnberger Gesetzen. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 2 (1998), S. 143–187 (ifz-muenchen.de [PDF; 8,5 MB]).
  16. Hans Röding: 100 von 1000 Jahren. Heidelberg 2011, ISBN 978-3-942825-07-8, S. 74, und Angelika Ebbinghaus: Mediziner vor Gericht. In: Klaus-Dietmar Henke (Hrsg.): Tödliche Medizin im Nationalsozialismus. Von der Rassenhygiene zum Massenmord (= Schriften des Deutschen Hygiene-Museums Dresden. Band 7). Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2008, ISBN 978-3-412-23206-1, S. 203–224, hier S. 222.
  17. Nikolaus Särchen u. a., S. 433.
  18. a b Paul Bosse: Chronologische Darstellung der Verfolgung der Familie Bosse. Bad Wimpfen 1945. Siehe auch Helmut Bräutigam, S. 217–221.
  19. Blumen auf dem „Stolperstein“. In: Supersonntag Landkreis Wittenberg. Ausgabe vom 21. Dezember 2014.
  20. Nikolaus Särchen u. a., S. 423–426.
  21. Allgemein siehe auch: Rebecca Schwoch: Entrechtet und ausgestoßen – 312 verfolgte Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. In: Hartwig Bauer u. a. (Hrsg.): Deutsche Gesellschaft für Chirurgie 1933–1945. Band 2: Die Verfolgten. Kaden Verlag, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-942825-60-3, S. 17–294, hier S. 39–40.
  22. Wolfgang Böhmer u. a.: Zur Geschichte des Wittenberger Gesundheits- und Sozialwesens. Teil IV: Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wittenberg 1988, S. 77, 78, 82 und 87.
  23. Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus Paul-Gerhardt-Stift im Wandel der Zeiten. S. 95.
  24. Richard Bumm: Intravenöse Narkosen mit Barbitursäurederivaten. In: Ergebnisse der Chirurgie und Orthopädie. Band 29 (1936), S. 372–414, hier: S. 374.
  25. Kongressbericht Euroanästhesie 2019, ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 3/Juli 2019.
  26. Paul Bosse, Günther Bosse und Karl-Heinz Jaeger: Die örtliche Sulfonamidtherapie. Stuttgart 1943. Zur wissenschaftlichen Einordnung siehe Detlev Stummeyer: Domagk 1937–1951. Im Schatten des Nationalsozialismus. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61386-3, bes. Kap. 6: Das Sulfonamidbuch Bosse-Bosse-Jaeger, S. 63–78, doi:10.1007/978-3-662-61387-0_6.
  27. Schilderungen aus Wittenberg. Fernsehfilm, ausgestrahlt Mai 1980. Deutsches Rundfunkarchiv Potsdam.
  28. Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus Paul-Gerhardt-Stift im Wandel der Zeiten. S. 72 f., 82 ff.
  29. Wolfgang Böhmer u. a., S. 50 f.
  30. Wolfgang Böhmer: Das Krankenhaus Paul-Gerhardt-Stift. In: Wolfgang Böhmer und Andreas Wurda (Hrsg.): Das heilkundige Wittenberg. S. 277.
  31. Eine Geschichte kehrt zurück. In: Mitteldeutsche Zeitung. Ausgabe Lutherstadt Wittenberg, 18. Juni 2015.
  32. Helmut Bräutigam (2017), z. B. S. 12 und 56. Im Dokumententeil führt er selbst Paul Bosses Vertragshistorie von 1914–1929 an (S. 162–170).
  33. Matthias David u. a.: Paul Bosse (1881–1947) – ein Pionier der (gynäkologischen) Sulfonamidtherapie. In: Geburtshilfe und Frauenheilkunde. 78, 2018, S. 25–28 ([1]).
  34. Wolfgang Böhmer (1978), (1983), (1988).
  35. Wolfgang Böhmer (1983), S. 82.
  36. Wolfgang Böhmer (1988), S. 50.
  37. Wolfgang Böhmer (2009), S. 276.
  38. Wolfgang Marchewka: Den Wünschen der werdenden Mütter so weit wie möglich entgegen kommen. In: Aktuell in Wittenberg. 25. Juli 1991.
  39. Mehrfach ist vom „Atmosphärischen“ und vom „familiären“ Klima in der Klinik die Rede: z. B.: Das „Atmosphärische“ soll bleiben. In: Mitteldeutsche Zeitung/Elbe-Kurier. 17. Januar 1996.
  40. Nikolaus Särchen u. a., S. 428–433, 439–441.
  41. Wittenberg hat eine „neue“ Bosse-Klinik. In: Lausitzer Rundschau/Elbe-Elster-Rundschau. 20. August 1996. Die Zeitung spricht von der „abgewickelten Geburtsklinik“.
  42. Walter Kaskel: Arbeitsrecht. 2. Auflage. Springer, Berlin 1925, DNB 362504504, S. 119.
  43. Wolfgang Böhmer (1983) S. 83.
  44. Hans-Jürgen Grabbe, S. 61 und Anm. 9.
  45. Helmut Bräutigam, S. 190. §§ 5 und 6 der Richtlinien für einen Vertrag mit dem Chefarzt eines evangelischen Krankenhauses vom 31. März 1933.
  46. Helmut Bräutigam, S. 169 und 209.
  47. §§ 3 und 13 Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter. Reichsgesetzblatt – Teil I, 19. Januar 1923, RGBl. 1923 I S. 58 und 60.
  48. Helmut Bräutigam, S. 211. – Die Hauptfürsorgestelle in Merseburg wurde erst im Herbst 1935 informiert. Auf ein diesbezügliches Schreiben des Oberpräsidenten vom 25. November 1935 versicherte sich das Krankenhaus Paul-Gerhardt-Stift der Mithilfe des Wittenberger NS-OB Otto Rasch (1935–1937), des späteren „Schlächters“ des Massakers von Babyn Jar (1941), bei der Abfassung des Antwortschreibens.
  49. Helmut Bräutigam, S. 170.